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ZUR EINFÜHRUNG Mit den Zyklus-Konzerten des Jahrganges 1981/82 ehren die Dresdner Philharmoniker Joseph Haydn anläßlich seines 250. Geburts tages am 31. März 1982. Die Auswahl aus sei nem sinfonischen, konzertanten und vokal sinfonischen Schaffen wird ergänzt durch Werke seiner Wiener „Klassiker-Kollegen" Mo zart und Beethoven, die sich in so vielfältiger Weise auf ihn bezogen und ihn „fortgesetzt" haben, und vor allem durch Werke klassizisti scher bzw. neoklassizistischer Prägung des 19. und 20. Jahrhunderts, wobei verschiedenste na tionale und internationale Spielarten klassizi stischer Stilhaltung berücksichtigt wurden, ohne daß auch nur annähernd Vollständigkeit ange strebt worden wäre. Zu diesem unseren Zyklus „Joseph Haydn und der Klassizismus" hat der Musikwissenschaftler und Gastdirigent des Er öffnungskonzertes, Dr. Peter Gülke, im Geleit wort des diesjährigen Konzertplanes ei nige grundsätzliche Gedanken geäu ßert, auf die hier verwiesen sei. Nicht zuletzt kommt seinem ausge wählten Programm eine gewisse richtungwei sende Bedeutung zu: neben Seltenheiten aus dem heute noch keineswegs vollständig zu überblickenden unnd bei weitem nicht ausrei chend gewürdigten riesenhaften Lebenswerk Haydns erklingen die Haydn-Variationen von Johannes Brahms, der in seinem eigenen Schaf fen die Verschmelzung von Klassik und Roman tik unternahm, der im 19. Jahrhundert den ge genüber dem Oratorienkomponisten vergesse nen Instrumentalkomponisten Haydn, den In halts- und Formenschatz seiner Instrumental sprache wieder entdeckte und damit letztlich den Ausgangspunkt noch heute gültiger Wer tung Joseph Haydns schuf. In erfreulich zunehmendem Maße greifen un sere Interpreten zu den Instrumentalkonzerten Haydns, die gewiß nicht alle auf der Höhe sei nes sonstigen Schaffens stehen (etliche tragen deutlich den Charakter von Gelegenheitsarbei ten, verschiedentlich gibt es noch zu lösende Echtheitsprobleme), doch finden sich auch hier meisterliche Werke darunter (wie die Cellokon zerte in D- und in C-Dur, die Violinkonzerte in C- und G-Dur, die Klavierkonzerte in G- und D-Dur oder das Trompetenkonzert in Es-Dur), auf alle Fälle jedoch begegnet uns in seinen Konzerten für die verschiedensten Instrumente, von denen einige auch verloren gingen, eine •Fülle schönster musikalischer Gedanken, die es wert sind, der Musikpraxis zugeführt zu werden. Haydns Wesen mangelte es freilich an jenem artistisch-brillanten Zug, der Voraussetzung ist für den echten Virtuosen. In seinen Konzerten suchte er fraglos die Einzelleistung des Solisten zu steigern, jedoch nur, um sie dem Gesamt werk als unlösbaren Bestandteil thematisch-mo tivischer Arbeit einzugliedern, — hierin unter schied er sich grundsätzlich von Mozart. Unter den Haydnschen Konzerten für Blasin strumente verdienen die beiden erhaltenen Waldhornkonzerte besondere Beachtung, er weisen sie doch die tiefe Kenntnis, die der Komponist von den Möglichkeiten dieses In strumentes im Orchester hatte. Das erste Ka^h zert (Hob. VII d: 3) wurde 1762 komponiert, zweite, heute erklingende Konzert für Horn und Streichorchester D-Dur (Hob. VII d: 4) wurde 1781 erstmalig angezeigt und stammt 'aus den siebziger Jahren; seine Echtheit ist allerdings nicht ganz zweifelsfrei belegt, wenn auch die meisten Kriterien für Haydns Autorschaft sprechen. Die reizvolle Me lodik des dreisätzigen Stückes ist den damali gen technischen Fähigkeiten des Instrumentes abgelauscht. Die Ausdrucksskala umfaßt von kraftvoller Energie bis zu weich gelöster Sehn sucht alle Register, und die Lücken, die zwischen den einzelnen Naturtönen des Hornes klaffen, werden nirgends spürbar. Mit seinen beiden Serenaden und besonders mit den Variationen übereinThema vonJoseph Haydn in B-Dur op. 56a schuf Johannes Brahms gleichsam Vor studien für seine vier Sinfonien, deren erste er 1876 vollendete, übte er sich in den Serenaden in der Beherrschung klassischer Formen im Sin ne Haydns und Mozarts, so brachten ihm die Haydn-Variationen aus dem Jahre 1873 — auch unter dem Einflüsse der Beethovenschen Sinj^h nik — weitere Sicherheit in der thematisch-n^F tivischen Arbeit. Brahms' klassische Haltung hatte sich also um diese Zeit — das Deutsche Requiem und viele seiner meisterlichen Lied- schöpfungenn waren schon entstanden we sentlich gefestigt. Auch räumlich war er der Welt der Wiener Klassik nähergekommen, hatte er sich doch in der Donaumetropole nie dergelassen. Aber noch ein weiteres Kennzei chen der Brahmsschen Tonsprache soll hier ver merkt werden, weil es in den Haydn-Variatio nen bereits ausgeprägt ist: die Neigung und Fähigkeit des Komponisten zu barock-klassi scher Form und Stilsynthese, seine Gabe, sinfo- Joseph Haydn