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10. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Freitag, den 19. Juni 1981, 20.00 Uhr Sonnabend, den 20. Juni 1981, 20.00 Uhr hilhsrnnrroniio Dirigent: Jiri Belohlävek, CSSR Solistin: Ute Trekel-Burckhardt, Berlin, Mezzosopran Jan Klusäk geb. 1934 Gustav Mahler 1860-1911 Variationen über ein Thema von Gustav Mahler Erstaufführung Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert für Mezzosopran und Orchester Blicke mir nicht in die Lieder Liebst du um Schönheit Ich atmet einen linden Duft Ich bin der Welt abhanden gekommen Um Mitternacht Zum 70. Todestag des Komponisten am 18. Mai 1981 Bohuslav Martinü 1890-1959 PAUSE Sinfonie Nr. 4 Poco moderato — Allegro Scherzo (Allegro vivo) Largo molto tranquillo non espressivo Poco Allegro Kammersängerin UTE TREKEL-BURCKHARDT stammt aus Pirna, wo ihr Vater als Kapellmeister wirkte. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Gesangsstudium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" in Berlin und wurde danach an die Komische Oper Berlin ver pflichtet. Seit 1973 band sie außerdem ein Gastver trag an die Deutsche Staatsoper Berlin, zu deren Ensemble sie seit 1977 fest gehört. Umfangreiche Gastspielverpflichtungen führten die Künstlerin, die Ijxjgerin des Kunstpreises und des Nationalpreises ^B|DDR sowie mehrmals des Kritikerpreises der Stadt ^Vin ist, an zahlreiche Bühnen des In- und Auslän ders, u. a. nach Wien, Genf, München, Salzburg, Kopen hagen, Düsseldorf, Köln, Hamburg, Lissabon, Brüssel. JIRI BELOHLÄVEK wurde 1946 in Prag geboren. 1960—1966 studierte er am Prager Konservatorium die Fächer Violoncello und Dirigieren, 1966—1972 Dirigieren bei den Professoren B. Liska, A. Klima und R. Brock an der Akademie der Musischen Künste in Prag. 1968 und 1969 nahm er an Dirigentenkursen Sergiu Celibidaches in Stockholm teil. 1970 gewann er den 1. Preis in einem nationalen Wettbewerb junger tschechischer Dirigenten, 1971 den 5. Platz beim Inter nationalen Karajan-Wettbewerb in Westberlin. 1967 bis 1972 war er Leiter des Kammerensembles Orchestra Puellarum Pragensis; 1972—1978 wirkte er als Dirigent der Staatlichen Philharmonie Brno. Seit 1977 ist Jiri Belohlävek Chefdirigent der Prager Sinfoniker (FOK). Ein Gastvertrag verbindet ihn seit 1977 auch mit der Komischen Oper Berlin., Er dirigierte alle führenden Orchester seines Heimatlandes und gastierte u. a. in der UdSSR, VR Polen, DDR, BRD, in den USA, in Österreich, Schweden, Norwegen, Japan, Finnland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, in der Ungari schen VR und in der SR Rumänien. Bei der Dresdner Philharmonie ist der Künstler seit 1975 ständiger Gast. ZUR EINFÜHRUNG Jan Klusäk, Jahrgang 1934, Angehöriger der mittleren tschechischen Komponistengene ration, gelangte in den 60er Jahren nach neo klassizistischem Schaffensbeginn zur Auseinan dersetzung mit dem Werk Anton von Weberns, also mit der seriellen Kompositionsmethode, die bald seinen damaligen Kompositionsstil prägte. Den Plan, ein Mahlersches Thema zur Grundlage von sinfonischen Variationen zu machen, faßte Klusäk 1960 und 1962 konnte er die Partitur des Werkes abschließen, das von den Prager Sinfonikern 1963 unter Väclav Neu mann bei einem Gastspiel in Berlin uraufge führt wurde. Grundlage der 21 überaus konzen triert formulierten, in einem Zuge zu spielenden Variationen über ein Thema von Gustav Mahler ist jenes berühmt gewor dene, ganz nach innen gekehrte, gefühlvolle Thema aus dem 4. Satz (Adagietto) der 5. Sin fonie cis-Moll (1904) des österreichischen Mei sters, das melodisch auf das Rückert-Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen" zielt und nur für Harfe und Streichorchester instrumen tiert ist. Klusäk fügt einen verhältnismäßig lan gen Abschnitt der originalen Mahlerschen The matik nach kurzer Einleitung unangetastet in seine Komposition ein, ehe er dann diese in Details zergliedert und hieraus ein neues Gan zes formt. Neben Gustav Mahlers gewaltigen sin fonischen Schöpfungen steht, ebenbürtig an künstlerischem Wert, sein Liedschaffen, das eine zentrale Stellung in seinem kompositori schen Werk einnimmt und einen sehr wesentli chen, charakteristischen Teil dieses Werkes bil det. Schon als Kind von den Liedern und Weisen seiner mährischen Heimat tief beeindruckt, ge lang es Mahler, der auch später eine Vorliebe für das echte, unverfälschte Volkslied, eine starke innere Beziehung zur Volksmusik besaß, in einem großen Teil seiner eigenen Liedkom positionen den Ton echter, unmittelbar berüh render Volkstümlichkeit zu erreichen. Ein Glücksfall war es dabei für ihn, daß er als 28- jähriger, nachdem er bereits das 1. Heft seiner „Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit" veröffentlicht und die aus den Jahren 1883/84 stammenden „Lieder eines fahrenden Gesel len“ (nach eigenen Texten) geschrieben hatte, auf die 1806/08 von Achim von Arnim und Cle mens Brentano unter dem Namen „Des Kna ¬ ben Wunderhorn" herausgegebene berühmte Sammlung alter deutscher Volkslieder gestoßen war, die ihn ungemein anzog, da diese Lied texte ganz seinen Vorstellungen und Wünschen entsprachen. Bereits die beiden nächsten Hef te seiner „Lieder und Gesänge aus der Ju gendzeit" brachten nur noch Vertonungen aus dieser Sammlung; ganz besondere Verbrei tung aber fanden die 1888/89 komponierten 12 Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn" für Ge sang und Orchester. Wie schon die „Lieder eines fahrenden Gesellen" auf die Gestaltung der 1. Sinfonie eingewirkt hatten, durchdran gen auch die „Wunderhorn"-Lieder, sogar in ganz besonderer Weise, Mahlers Sinfonik, wur den sie vor allem in Sätzen seiner Sinfonien Nr. 2—4, (den sogenannten „Wunderhorn Sinfonien) verarbeitet. Die zweite wesentliche literarische Quelle von Mahlers Liedschaffen sind die Gedichte des heute ziemlich vergessenen spätromantischen Dichters Friedrich Rückert (1788—1866), denen er sich nach der Vollendung der 4. Sinfonie zu wandte. Außer dem ergreifenden Zyklus der „Kindertotenlieder" vertonte Mahler in den Jahren 1901/04 fünf Rückert-Gedichte, die 1905 in den „Sieben Liedern aus letzter Zeit" veröf fentlicht wurden. Diese Rückert-Lieder gehö ren zum Subtilsten, was Mahler geschaffen hat. Es sind Lieder der Reife, der Stille und Ein samkeit, in denen sich das Volksliedhafte der „Wunderhorn"-Lieder als Wesenszug erhalten hat. „Die Orchestergesänge enthalten viel leicht die sublimsten Leistungen seines orche stralen Könnens und sind Muster einer ideal abgetönten Klangbeziehung zwischen Sing stimme und Orchester", schrieb der große Diri gent Bruno Walter in seinem Mahler-Buch. Das Lied „Ich bin der Welt abhanden gekom men" (aus der seinerzeit berühmten Samm lung des „Liebesfrühling") — ein erschüttern des Seelenbekenntnis des Meisters — klingt auch im Adagietto der 5. Sinfonie an. 4 Bohuslav Martinü, der bedeutendste tschechische Komponist der Mitte unseres Jahr hunderts, starb am 28. August 1959 in der Schweiz. Trotz langen Aufenthaltes im Ausland, in Frankreich und den USA vor allem, verlor er nie seine innige Bindung an die Heimat, was sich in vielen seiner Werke, in der national ge prägten Emotionalität seiner Tonsprache äußer te. „Ich bin zutiefst von dem inneren Adel der Gedanken und Dinge überzeugt, die einfach sind und ihre ethische und menschliche Bedeu tung besitzen, obgleich sie nicht in hochtraben-