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niekonzerten unserer Zeit noch wenig entwik- kelten Praxis der Mehrchörigkeit möglichst op timal zu entsprechen.“ Die Komposition ist dreichörig geschrieben. Chor I, rechts postiert, umfaßt Blechbläser (Trompeten, Posaunen), Chor II, links aufge stellt, Holzbläser (Flöten, Oboen, Fagott), Chor III, das Hauptorchester in der Mitte, ver einigt Holz- und Blechbläser, Harfe, Vibra phon, Klavier, Schlagwerk und Streicher. Robert Schumann lebte von 1844 bis 1850 in Dresden und hatte in dieser Zeit be sonderen Kontakt zum bürgerlichen Chorwe sen der Stadt. Im November 1847 übernahm er als Nachfolger Ferdinand Hillers die Lei tung des 1830 gegründeten Männerchores "Liedertafel", und 1848 gründete er selbst ei nen „Verein für Chorgesang", der sich seit 1873 „Robert Schumannsche Singakademie" nannte. Verständlich, daß sich unter den in Dresden geschaffenen Werken viele Chorwer ke befinden, darunter das 1849 entstandene Nachtlied für Chor und Orche ster op. 108 auf nachstehenden Text von Friedrich Hebbel: Quellende, schwellende Nacht, voll von Lichtern und Sternen: In den ewigen Fernen, sage, was ist da erwacht? Herz in der Brust wird beengt, steigendes, neigendes Leben, riesenhaft fühle ich’s weben. Schlaf, — da nahst du dich leise wie dem Kinde die Amme, und um die dürftige Flamme ziehst du den schützenden Kreis! Im Jahre 1839 schrieb Robert Schumann seiner Braut Clara Wieck über die geplante Komposition eines Klavierkonzertes, das er ihr zugedacht hatte: „Es wird ein Mittelding zwi schen Sinfonie, Konzert und großer Sonate: ich kann kein Konzert für Virtuosen schreiben und muß auf etwas anderes sinnen." Das Kla vierkonzert a-Moll o p. 54 ent stammt den Jahren 1841 bis 1845. Nachdem der Komponist 1841 den ersten Satz des Kon zertes als selbständige „Konzertphantasie für Klavier und Orchester" vollendet hatte, ent standen erst vier Jahre später die beiden an deren Sätze des Werkes. Die Uraufführung fand am 4. Dezember 1845 mit Clara Schu mann als Solistin in Dresden statt, kurz danach wurde es auch im Leipziger Gewandhaus, hier unter der Leitung Felix Mendelssohn Barthol dys, aufgeführt. Der große Erfolg, den das Werk von Anfang an hatte, ist ihm stets treu geblieben. Tatsächlich stellt das a-Moll-Kla vierkonzert — Schumanns einziges Konzert für dieses Instrument — nicht nur eines der ge nialsten und auch der bekanntesten Werke des Meisters dar, sondern gehört zu den schön sten und bedeutendsten Schöpfungen dieser Gattung überhaupt. Das Klavier steht bei Schumann, dem Klavierkomponisten von stärk^B ster Eigenart, mit neuen, kühnen KlangkombiWF nationen und Wendungen zwar unbedingt im Mittelpunkt des Geschehens, ist dabei aber ganz in den Dienst der Kompositionsidee ge stellt und verzichtet — trotz schwierigster Auf gaben für den Solisten — vollkommen auf jede äußerliche Virtuosität und leere technische Brillanz. Gleichzeitig jedoch gelingt Schumann in seinem Klavierkonzert — im Gegensatz zu Chopin, dem einzigen Meister der Zeit, der ihm in der Gestaltung der Klavierparts seiner beiden Konzerte kongenial ist — auch eine großartige Verschmelzung von Klavier- und Örchesterklang, die Schaffung einer Einheit zwischen solistischem und sinfonischem Ele ment. „Tenor des Werkes ist die Sehnsucht und das Glück zweier liebender Menschen, von Schu mann selbst in seinem Kampf um Clara erlebt und nun, künstlerisch umgesetzt, allgemein gültig gestaltet. Das den ersten Satz bestim mende Hauptthema prägt in abgewandelter Form auch die Themen der übrigen Sätze. Es ist der Melodie der Florestan-Arie aus Beet hovens .Fidelio' (Beginn des 2. Aktes) eng ver wandt und verdeutlicht dadurch noch mehr, wi<^^ die diese Oper beherrschenden Themen de^F Gattentreue und des Freiheitskampfes — für Schumann der Kampf gegen alles Philister hafte, wie er sich im Programm seiner Davids- bündler manifestierte — auch sein entschiede nes Anliegen waren" (R. Bormann). Drängende Leidenschaft und Sehnsucht be stimmen den Charakter des ersten Satzes (Al legro affettuoso). Nach einer kraftvoll-energi schen Einleitung durch das Klavier ertönt zuerst in den Bläsern, dann vom Solisten wiederholt, das schwärmerische Hauptthema, das in seinen Motiven als Leitgedanke des Werkes in allen Sätzen wiederkehrt. Darauf entwickeln sich in reizvollem Wechsel zwischen Orchester und Solisten nacheinander eine Reihe der verschie denartigsten Bilder und Stimmungen, wobei das Hauptthema mit seinen einzelnen Teilen, dem hier kein eigentliches zweites Thema ent gegengestellt wird, in wechselnder Beleuch tung, der Phantasie breitesten Spielraum ge bend, den Verlauf des Satzes beherrscht. Die Reprise hat ihren Abschluß und Höhepunkt in der breit angelegten, verinnerlichten Kadenz des Soloinstrumentes. Kraftvoll vorwärtsstür- mend wird der Satz danach abgeschlossen. Völlig entgegengesetzt erscheint der kurze zweite Satz (Intermezzo —Andantino grazioso), der durch die überaus poetische, graziöse Wie- Itergabe ruhiger, gelöster Empfindungen ge kennzeichnet wird. In feinem Dialogisieren zwi schen Klavier und Orchester über ein Thema, das dem Hauptthema des ersten Satzes ent stammt, entfaltet sich ein anmutiges, subtiles Spiel. Der kantable Mittelteil des Intermezzos bringt ein ausdrucks- und gefühlvolles Thema, das zuerst von den Celli vorgetragen wird, während sich das Klavier in zarten Arabesken ergeht. Auch das schwungvolle, frische Haupt thema des Finales (Allegro vivace), eines Ron dos, wurde aus dem Hauptthema des ersten Satzes gewonnen, und zwar dies mal durch eine rhythmische Verschiebung. Das sprühende, fast tänzerisch anmutende Finale nimmt einen leidenschaftlich bewegten, farbi gen Verlauf und endet auch nach einer im wesentlichen vom Soloinstrument getragenen Schlußsteigerung in lebensbejahender, freu- dig-weltzugewandter Haltung. In der „Pariser Sinfonie" D-Dur KV 2 9 7 lebt viel von der Landschaft, für die sie geschaffen wurde. Wolfgang Ama deus Mozart hat sie bewußt dem Kunst geschmack des Paris von 1778 angepaßt. Es har ihm sehr daran gelegen, mit diesem in Bmfang und Besetzung großzügig konzipier ten Auftragswerk sein Können, seinen künstle rischen Weitblick in der französischen Haupt stadt so vorteilhaft als möglich unter Beweis zu stellen. Absichtlich berücksichtigte er des halb der Mode entsprechende Effekte, um dem Pariser Publikum zu imponieren. Nicht nur die Partitur, sondern auch die ausführlichen Briefe, die Mozart demVatervon Paris nach Salzburg sandte, sind dafür der beste Beweis. Als er im März 1778 — in Begleitung der Mutter — zum dritten Male in Paris eintraf, wurde gerade der französisch-italienische Opernkrieg zwischen den „Gluckisten" und „Piccinisten“ ausgefoch ten. Für Mozart waren die Verhältnisse un gleich ungünstiger als bei den früheren Auf enthalten in Paris. Der heranwachsende Künst ler hatte nicht mehr die sensationellen Er folge des einstigen Wunderkindes. Aber här ter als die berufliche Enttäuschung trafen ihn in der fremden Stadt Krankheit und Tod der Mutter. Die am 18. Juni 1778 mit dem erstrebten Er folg uraufgeführte Sinfonie hatte der Direc- teur der „Concerts spirituels”, Les Gros, be stellt. Er wünschte ausdrücklich eine „große Sinfonie" für das Pariser Orchester, das neben dem Mannheimer das derzeit beste war. Leo pold Mozart, der Vater, hegte Zweifel, ob Wolfgang Amadeus mit der Aufgabe fertig werden würde. Aber er war darauf denkbar gut vorbereitet, denn seine Reise hatte ihn durch das musikalisch fortschrittliche Mann heim geführt. Hier war ihm Gelegenheit ge geben, die moderne Orchestersprache, die Virtuosität und differenzierte Dynamik dieses weltberühmten Ensembles und den an ihm er probten Mannheimer Kompositionsstil gründ lich zu studieren. Aber neben den Mannheimer Anregungen bedachte Mozart in der „Pariser Sinfonie" vor allem die vielen neuen Möglich keiten, die ihm das reichbesetzte französische Orchester bot. Das spiegelt sich in der Man nigfaltigkeit und Modernität des Ausdrucks wider, aber auch in den erweiterten Dimensio nen der Sätze. Zum ersten Mal verwendet er in einer Sinfonie Klarinetten. Die verschiede nen Fassungen der ersten Sätze, die vielen Überarbeitungen und Verbesserungen im Au tograph zeigen deutlich, daß Mozart damit nicht nur den Wünschen seines Auftraggebers nachkam, sondern daß er mit neuen Farben und Formen experimentieren wollte. Klammert man die ebenfalls in Paris komponierte „Sin fonie concertante" (KV 297 b) aus, so ist die Sinfonie KV 297 das erste Werk dieser Gat tung nach vierjähriger Pause. Sie darf als Vor bereitung für einen neuen sinfonischen Stil gelten, den Mozart in Paris vor der Öffent lichkeit erprobte. Welch ein Gegensatz besteht zwischen dieser Sinfonie und den vorausge gangenen in A-Dur (KV 201) und D-Dur (KV 202), die in Salzburg als Ergebnisse der italie nischen Reisen entstanden! Es ist nicht zu über hören, daß die „Pariser Sinfonie“ in ihrer grö ßeren geistigen Beweglichkeit und komposi tionstechnischen Spannweite vorwärtsweisende Bedeutung hat. Die ersten Takte des Allegro assai bilden den damals in Paris beliebten „Premier cuop d’archet”, auf dessen präzise