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5. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 3. Januar 1981, 20.00 Uhr Sonntag, den 4. Januar 1981, 20.00 Uhr philhsinmnionii^ Dirigent: Solisten: Herbert Kegel Herbert Schneider, Dresden, Viola Karl-Heinz Schröter, Berlin, Violoncello Igor Strawinsky 1882-1971 Richard Strauss 1864-1949 Ludwig van Beethoven 1770-1827 Das Konzert am 3. Januar 1981 wird von Radio DDR II, Sender Dresden, mitgeschnitten und am 20. Januar 1981 im Rahmen der Sende reihe „Dresdner Abend" gesendet. Die ur- Pulcinella — Suite für kleines Orchester nach Pergolesi Sinfonia (Allegro moderato) Serenata (Larghetto) Scherzino — Allegro — Andantino Tarantella Toccata (Allegro) Gavotta con due Variazioni Vivo Minuetto (Molto moderato) — Finale (Allegro assai) Don Quixote — Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters für großes Orchester op. 35 Introduzione, tema con variazioni e Finalt^Ä Baßklarinette: Gunther Scherei Tenortuba: Paul-Gerhard Schmidt PAUSE Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36 Adagio molto — Allegro con brio Larghetto Scherzo (Allegro) Allegro molto sprünglich für das 5. Philharmonische Konzert vorgesehene Uraufführung der Lessing-Fabeln von Günter Neubert erfolgt im 9. Philharmoni schen Konzert am 8. und 9. Mai 1981. HERBERT SCHNEIDER, 1927 in Freital geboren, stu dierte Violine bei Prof. Erich Mühlbach, später Brat sche und wurde 1952 als 1. Solo-Bratscher an die Dresdner Philharmonie verpflichtet. Als Mitglied des Siering-Quartettes erhielt er 1979 den Martin-Ander- sen-Nexö-Kunstpreis der Stadt Dresden. 1955 gewann er den 2. Preis im Instrumentalisten-Wettbewerb der DDR in Berlin. Neben dem Orchesterdienst und soli- stischen Auftritten, u. a. als Partner von L. Hoelscher und P. Tortelier in „Don Quixote" von Strauss, widmet er sich vornehmlich der Kammermusikpflege. KARL-HEINZ SCHROTER wurde 1934 in Plauen (Vogt land) geboren. Er studierte Violoncello bei Prof. Bernhardt Günther in Leipzig und Berlin. 1956 wurde er Mitglied und 1961 1. Solo-Cellist der Staatskapelle Berlin. Neben seiner solistischen Tätigkeit bei ver schiedenen Orchestern der DDR nahm er an mehre ren nationalen und internationalen Wettbewerben mit Erfolg teil und wurde 1975 mit dem Kunstpreis der DDR ausgezeichnet. Konzertreisen mit dem Streich quartett der Deutschen Staatsoper, dem Beethoven- Trio und als Solist führten ihn in zahlreiche Länder. ZUR EINFÜHRUNG Auf Anregung des in Paris wirkenden russi schen Tänzers Sergej Djagilew, dem so man ches Strawinsky-Ballett seine Entstehung ver dankt, schuf Igor Strawinsky 1919 sein Ballett „P u I c i n e I I a". Djagilew hatte in italienischen und Londoner Bibliotheken eine Reihe zum Teil unvollendeter Manuskripte (Triosonaten und Arien) des hochbedeutenden italienischen Barockmeisters der Oper Giovan ni Battista Pergolesi (1710—1736) gefunden. Diese Handschriften stellte er Strawinsky zur Verfügung, der aus dem Material (und des sen fragmentarischer Bühnenhandlung) im Sinne der altitalienischen Stegreifkomödie, gruppiert um die Zentralfigur Pulcinella, den traditionellen Helden des neapolitanischen Volkstheaters, ein Ballett komponieren sollte. Da die vorliegenden Manuskripte Pergolesis sehr unvollständig waren, begnügte sich Stra winsky nicht mit einer Herausgeber- oder Be arbeitertätigkeit, sondern schrieb nach The men und im Geiste Pergolesis eine überaus originelle und persönliche Musik, die am An fang seiner sogenannten neoklassizistischen Schaffensperiode steht. Mit diesem Werk teilte Strawinsky das Streben jener um Eric Satie gescharten französischen Komponistengruppe nach klassischer Ausgewogenheit, nach einer neuen Klassizität, und verließ damit die Linie seiner radikalen, rauschhaft-entfesselten Früh werke. über die Entstehung der Pulcinella- Musik berichtete der Komponist folgendes: „Sollte der Respekt oder meine Liebe zu Per golesis Musik mein Verhalten ihr gegenüber beherrschen? Was treibt uns zum Besitz einer Frau an, der Respekt oder die Liebe? Und dann, mindert die Liebe den Respekt? Jedoch der Respekt bleibt stets steril und kann nie als produktives und schöpferisches Element dienen. Um zu schaffen, bedarf es einer Dy namik, eines Motors, und welcher Motor ist mächtiger als die Liebe? Die Frage stellen be deutete daher für mich, sie zu lösen ... Ich glaube, daß mein Verhalten gegenüber Per golesi die einzig fruchtbare Einstellung ist, die man zu jeglicher alter Musik haben kann." Die Uraufführung des Pulcinella-Balletts, aus dem Strawinsky später die 1949 nochmals überarbeitete achtsätzige K onzertsuite zu sammenstellte, erfolgte am 15. Mai 1920 in der Pariser Oper. Der Dirigent war Ansermet, Choreographie führte Massine, der auch die Titelfigur tanzte. Die Gesamtausstattung be ¬ sorgte Picasso. Die Musik der Pulcinella-Suite, für deren Aufführung der Komponist ein klei nes Orchester von 33 Musikern einsetzt, be darf keiner eingehenden Erklärung. Ihre Klar heit und Sachlichkeit, ihr graziös spielerischer Duktus, ihre Besinnung auf Maß und objek tivierte Aussage, die manchmal einen Zug zur Kühle mit sich bringt, sind charakteristisch für Strawinskys sogenannten Neoklassizismus. Die acht Sätze tragen folgende Bezeichnungen, die schon den Charakter der einzelnen Stücke an deuten: Sinfonia (Ouvertüre), Serenata, Scher zino, Tarantella, Toccata, Gavotta con due Variazioni, Vivo, Minuetto-Finale. „Don Quixote"-Fantastische Va riationen überein Thema ritterli chen Charakters" überschrieb Ri chard Strauss sein Opus 35, das 1898 in Köln seine Uraufführung erlebte. Auch in die ser Komposition erkennen wir ihres Schöp fers Bestreben, Programmatisches in vorhan denen musikalischen Formen wiederzugeben, der Gefahr des Auseinanderfließens durch Bindung an die gewählte Form zu begegnen, wie das im Rondo des „Till Eulenspiegel" oder in der frei behandelten Sonatenhaupt satzform des „Don Juan" geschehen war. Doch konnte man in den frühen Tondichtungen, im „Macbeth" oder im „Don Juan", auch in „Tod und Verklärung" seine Bindung an ein Pro gramm im Wesentlichen als eine Bindung an eine Idee verstehen, galt hier noch mehr das Beethovensche Wort über die Pastoralsinfonie, „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei", so erweist sich der Strauss des „Don Quixote" — so wie später der der „Sinfonia domestica" oder der „Alpensinfonie" — als artistischer Be herrscher musikalischer Detailzeichnung, mehr als Illustrator denn als Programmatiker. Aba spürt man auch die offensichtliche Freude dJ Komponisten an der musikalischen Schilderung äußerer, manchmal sogar äußerlicher Ge schehnisse, so bewundert man darüber hinaus die Meisterschaft, mit der Strauss es versteht, den kauzigen, zutiefst tragikomischen Charak ter des „Ritters von der traurigen Gestalt" pla stisch wiederzugeben, in den verschiedenen Situationen zu variieren, ihn mit der erdver bundenen Schläue der Sancho-Pansa-Thematik zu kontrastieren und ihn zudem — besonders am Schluß — mit der Warmherzigkeit mitfüh lender Empfindung zu überglänzen. So wächst gerade der „Don Quixote" über zweifellos vor handene filmisch illustrierende Momente zur