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2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Donnerstag, den 23. Oktober 1980, 20.00 Uhr Freitag, den 24. Oktober 1980, 20.00 Uhr öresoner Philharmonie Dirigent: Herbert Kegel Solist: Boris Petruschanski, Sowjetunion, Klavier Richard Strauss 1864-1949 Salomes Tanz (Tanz der sieben Schleier) aus dem Musikdrama „Salome" op. 54 Peter Tschaikowski 1840-1893 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23 Allegro non troppo e molto maestoso — Allegro con spirito Andantino simplice Allegro con fuoco PAUSE Igor Strawinsky 1882-1971 Petruschka — Burleske Szenen in vier Teilen I. Fastnacht und Jahrmarktstreiben — Russischer Tanz II. Petruschka III. Der Mohr — Walzer IV. Fastnacht und Jahrmarktstreiben — Tanz der Ammen — Der Bauer und der Bär — Zigeuner und Kaufmann — Tanz der Kutscher — Tanz der Masken BORIS PETRUSCHANSKI, der junge sowjetische Pia nist, der sich durch zahlreiche erfolgreiche Auslands gastspiele in Großbritannien, Italien, Ungarn, Jugo slawien, in den USA, in Japan und Australien bereits einen guten Namen gemacht hat, erhielt ersten Kla vierunterricht als Fünfjähriger vom Vater, dem Piani sten W. Petruschanski. 1957 wurde er in die Zentrale Musikschule des Moskauer Konservatoriums aufgenom men, wo Heinrich Neuhaus sein Lehrer war. Am Mos kauer Konservatorium wurde er von Lew Naumow un terwiesen. Seine Karriere begann 1969. Er ist Preisträ ger des Klavierwettbewerbes in Leeds (Großbritannien) des Internationalen Musikwettbewerbes München (2. Preis 1971) und des Casagrande-Wettbewerbes in Therni (Italien). Auch als Duopartner so namhafter sowjetischer Künstler wie L. Kogan, P. Kogan, I. Oistrach, M. Chomitzer trat er wiederholt in Erschei nung. ZUR EINFÜHRUNG Nachdem sich Richard Strauss von der ersten großen Folge seiner Tondichtungen für großes Orchester abgekehrt und der Kompo sition von Opern zugewandt hatte, fand er gleichwohl noch immer Anlaß zu sinfonisch geschlossenen Teilen innerhalb des musikdra matischen Ganzen seiner Opern. Eines der berühmtesten derartigen Stücke ist der große Tanz der sieben Schleier aus der „Salome", der Vertonung des gleichna migen exzentrischen Dramas des Briten Oscar Wilde. Der Tanz, der gewisse Orientalismen des Klanges mit der Grundform des Wiener Walzers vereint und von Strauss übrigens erst nach der Fertigstellung der „Salome"-Partitur nachträglich hinzukomponiert wurde, ist eines der wenigen thematisch geschlossenen musi kalischen Gebilde der Oper. Fast gemessen in strenger Rhythmik beginnend, steigert sich der Tanz zu ekstatischen Klängen. Mit ihm erreicht die verderbte siebzehnjährige Prinzessin Sa lome vom König Herodes die Erfüllung ihres unseligen Begehrens: den Tod des Propheten Jochanaan, dessen Haupt ihr dann auf einer Silberschüssel aus der Zisterne gereicht wird Dieser Tanz wurde bei der sensationellen Dresdner Uraufführung 1905 (unter Ernst von Schuch) freilich nicht von der Sängerin der Ti telpartie, Marie Wittich, sondern von einem Ballett-Double (Sidonie Korb) ausgeführt, was nicht einer gewissen Komik entbehrte. „Die Arbeit geht sehr langsam vorwärts und will mir nicht gelingen“, heißt es in einem Brief Peter Tschaikowskis an seinen Bruder Anatol während der Komposition des Klavierkonzerts Nr. 1 b-Moll op. 2 3. „Grundsätzlich tue ich mir Gewalt an und zwinge meinen Kopf, allerlei Klavierpassagen auszutüfteln." Diese Zeilen zeugen von der unerbittlichen Selbstkritik, die der Meister im mer von neuem an sich übte, von seiner schöp ferischen Unzufriedenheit, die es ihm stets schwer machte, an seine künstlerische Leistung zu glauben. Aber auch der berühmte russische Pianist Nikolai Rubinstein, Direktor des Mos kauer Konservatoriums, dem Tschaikowski das Werk ursprünglich widmen wollte und von dem er technische Ratschläge für die Gestal tung des Soloparts erbeten hatte, lehnte es mit vernichtenden Worten als völlig unspielbar und schlecht ab, was sich der Komponist sehr zu Herzen nahm. Und doch sollte gerade das 1875 beendete b-Moll-Konzert eine der aller bekanntesten und beliebtesten Schöpfungen Tschaikowskis werden. Der Komponist widmete es nach der Ablehnung Rubinsteins dem deut schen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow, einem großen Verehrer seiner Musik. „Ich bin stolz auf die Ehre, die Sie mir mit der Widmung dieses herrlichen Kunstwerkes erwie sen haben, das hinreißend in jeder Hinsicht ist", schrieb Bülow, der das Konzert bei der Uraufführung am 25. Oktober 1875 in Boston spielte und es in Amerika und Europa zu größten Erfolgen führte. „Die Ideen sind sa originell, so edel, so kraftvoll, die DetaiM welche trotz ihrer großen Menge der Klarhem und Einigkeit des Ganzen durchaus nicht schaden, so interessant. Die Form ist so voll endet, so reif, so stilvoll — in dem Sinne näm lich, daß sich Absicht und Ausführung überall decken." Seitdem ist der große Erfolg diesem an das Erbe Schumanns und Liszts anknüpfen den wie auch Elemente der russischen Volks musik aufgreifenden und doch ganz persön lich geprägten Werk stets treu geblieben. Ein gängige, sinnenfreudige Melodik und origi nelle Rhythmik, aufrüttelndes, lebensbejahen des Pathos und musikantischer Schwung, stili stische Eleganz und virtuose Brillanz sind die Eigenschaften, die es zu einem Lieblingsstück sowohl des Publikums als auch der Pianisten aller Länder werden ließen. Mit einer außerordentlich schwungvollen, selb ständigen Einleitung beginnt das Werk, das von Hörnerfanfaren eröffnet wird. Eine durch Violinen und Violoncello vorgetragene, schwel gerische Melodie wird vom Soloinstrument zu nächst mit rauschenden Akkorden begleitet, dann von ihm aufgenommen und ausge schmückt und schließlich nochmals original in den Streichern gebracht. Das Hauptthema dA folgenden Allegro con spirito ist einem ukra” nischen Volkslied nachgebildet, das der Kom ponist von blinden Bettelmusikanten auf dem Jahrmarkt in Kamenka bei Kiew gehört hatte. Ihm steht ein innig-gefühlvolles Seitenthema kontrastierend gegenüber. Ein buntes, glanzvol les Wechselspiel zwischen Solopart und Orche ster mit mehreren virtuosen Höhepunkten kennzeichnet den Verlauf der hauptsächlich von Motiven des zweiten Themas getragenen Durchführung des Satzes. Lyrisch-kantabel ist der Anfangsteil des in Liedform aufgebauten zweiten Satzes: Von Violinen, Bratschen und Celli zart begleitet,