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1. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpaiastes Dresden Donnerstag, den 11. September 1980, 20.00 Uhr Freitag, den 12. September 1980, 20.00 Uhr oNIhsirnrroniio Dirigent: Kazuo Yamada, Japan Solist: Andre Gertler, Belgien, Violine Wolfgang Amadeus Mozart Ouvertüre zu „Idomeneo" KV 366 1756-1791 Allegro Bela Bartok 1881-1945 Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 Allegro non troppo Andante tranquillo Allegro molto Zum 100. Geburtstag des Komponisten am 25. März 1981 PAUSE Johannes Brahms 1833-1897 Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 Allegro non troppo Andante moderato Allegro giocoso Allegro energico e passionato KAZUO YAMADA gehört zu den führenden Persönlich keiten des gegenwärtigen japanischen Musiklebens. Er wirkt als Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Städtischen Orchesters in Kyoto sowie als Professor an der Universität der Künste in Tokio. Daneben ist er in verschiedenen Musikorganisationen tätig, so als Präsident der Gustav-Mahler-Gesellschaft Japans. Er studierte an der Universität der Künste in Tokio Kla vier (bei Paul Weingarten und Leo Sirota) und Kom- «’on (bei Klaus Pringsheim). Als Dirigent ließ er on Joseph Rosenstock ausbilden und war bei Or- :rn wie dem Sinfonieorchester, dem Philharmoni schen und dem NHK-Sinfonieorchester in Tokio tätig; mit letzterem war er 13 Jahre lang verbunden und brachte u. a. Strawinskys „Sacre du Printemps" und Mahlers 8. Sinfonie zur japanischen Erstaufführung. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Komposi tionen und Interpretationen, u. a. den „Felix-Wein- gartner-Preis“, den Preis des NHK-Sinfonieorchesters Tokio. ANDRE GERTLER, der aus Budapest stammende, als Bartök-Interpret wie überhaupt als Förderer zeitgenös sischer Musik sowie als Pädagoge weltweiten Ruf ge nießende Violinvirtuose, wurde in seiner Heimatstadt durch Jenö Hubay und Zoltän Kodäly ausgebildet. Seit seinem 13. Lebensjahr bereist er als Solist alle Konti nente, ist Gast internationaler Festspiele und musi zierte mit den besten Orchestern unter Dirigenten wie Ansermet, Barbirolli, Boult, Dorati, Fricsay, Jochum, Ku- belik.Kletzki, Konwitschny, Markewitch, Rosbaud, van Beinum, Dixon, van Otterloo, Boulez und vielen an deren. Mit Bela Bartok verband ihn enge Freundschaft, einige seiner Violinwerke führte er erstmalig auf. Für seine Schallplattenaufnahmen erhielt er den „Grand Prix du Disque" in Paris. Seit 1940 leitet er eine Mei sterklasse am Königlichen Konservatorium in Brüssel, lehrt außerdem an der Hochschule für Musik und Thea ter in Hannover sowie als Gastprofessor u. a. beim Weimarer Musikseminar, in Salzburg, Bloomington, Darmstadt, Stockholm. Er ist Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London. Mit der Dresdner Phil harmonie musizierte er erstmalig 1958. ZUR EINFÜHRUNG Die Ouvertüre zu Wolfgang Ama deus Mozarts reifstem Werk im Stile der Opera seria, zu dem im Januar 1781 in Mün chen uraufgeführten „Idomeneo", ist ein einsätziges, den Inhalt des Dramas in groß' artiger Weise vorausnehmendes Tonstück im Gluckschen Sinne. Die Musik mit ihren herben Dissonanzen und Moll-Wendungen drückt den dunklen Grundton der Opernhandlung aus. Sie läßt die Bedrohung ahnen, unter der die Men schen der Oper stehen, deutet aber auch de ren Fähigkeit zu Liebe und zu entsagungsvol ler Größe an. Ein zweites Thema mit sanften Seufzern bringt Aufhellung, Hoffnung, doch in der Reprise fehlt es. Ergebung in den Willen der Götter scheint der Schluß zu künden. Mo zart schrieb die Oper „Idomeneo, Re di Creta", die auch seine letzte Opera seria „La Clemen- za di Tito" (Prag 1791) nicht mehr überbieten konnte, im Auftrage des Münchner Hofes un ter größten Zukunftserwartungen. Sie ist aber ein Schmerzenskind des Meisters gewesen. Hat Bela Bartöks zweisätziges erstes Violinkonzert aus den Jahren 1907 08 noch als Jugendwerk zu gelten, entstanden in der Aus einandersetzung mit dem Geiste Berliozscher und Lisztscher Monothematik, gehört das heute erklingende Konzert Nr. 2 für Violi ne und Orchester, das in fast 1 1 / 2 jäh- rigem Ringen 1937/38 — als nächstes auf die Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta folgendes Orchesterwerk — komponiert wurde, zu den reifsten Werken seines Schöp fers aus seiner letzten Schaffensepoche, Inhalt und Form verschmolzen zu meisterlicher Ein heit. Wie hier Elementares und Geistiges, ur wüchsiges, aus der ungarischen Folklore schöp fendes Musikantentum mit strengstem Form willen verbunden sind, das hat etwas Einma liges. Ursprünglich hatte dem Komponisten ein groß angelegtes Variaticnswerk für Violine mit Or chesterbegleitung vorgeschwebt. Der Geiger Zoltän Szekely, in dessen Auftrag Bartok das Konzert schrieb und dem er es auch widmete, bestand jedoch auf der „klassischen Konzert form". Als die Komposition vollendet vorlag — übrigens eine der letzten, die er noch vor Innere Kämpfe sind in Zuflucht zu besänftigen- und harmonischen Phrasen der Emigration in der ungarischen Heimat schrieb —, gestand Bartok Szekely, daß er sei nen eigentlichen Plan doch ausgeführt habe, da der dritte Satz eine freie Variation des er sten sei. Das Werk ist also in einer dreiteiligen Brückenform geschrieben. Das Hauptthema des ersten Satzes ist mit seinen vielen Quarten ty pisch ungarisch, das des langsamen Mittel satzes ist einer der schönsten melodischen Ein fälle des Komponisten. Die Uraufführung des Konzertes fand am 23. April 1939 in Amster dam mit dem Concertgebouw-Orchester unter Leitung von Willem Mengelberg statt — heute gehört es längst zum Repertoire aller großen Geiger. Yehudi Menuhin bezeichnete es als das beste Violinkonzert seit Brahms. Es wirll durch die Klarheit und strenge Geprägtheit seiner Themen, durch die Schönheit des Or chesterklanges, durch die Wahrheit seiner Aus sage, die nicht vor Härten zurückschreckt. „Nach klassischem Muster ist Bartöks Violin konzert in drei Sätze gegliedert: Allegro non troppo, Andante tranquillo, Allegro molto. Der erste Satz faßt die Gegensätze der The matik in einer festgefügten Sonatenform zu sammen. Das energische, melodisch weitschwin gende Hauptthema zeigt entschlossenen Cha rakter. Es steht in unversöhnlichem Gegensatz zu den übrigen Motiven. Bartok redet in sei nem Violinkonzert keine milde Sprache: Wie er spricht und was er zu sagen hat, wirkt hier geradezu aufrüttelnd. ihrer bitteren Realität wiedergegeben. Es gibt in diesem Werk keine den melodischen der Vergangenheit. Schon die häufigen Tem poveränderungen zeugen davon, daß es sich um etwas Aufregendes handelt. In der Solo kadenz wird für Bartok selbst das Tonsystem zu eng: Er verlangt vierteltönig verschärfte Leit tonschritte. Indessen gewahren wir in alleden| den Sieg einer außergewöhnlichen Willenskra" über die innere Krise der Vorkriegsjahre. Im zweiten Satz trägt die Solovioline ein sanf tes Gesangsthema vor. In den darauffolgen den sechs freien Variationen werden aus dem Thema mannigfaltige Kontraste entwickelt. Geschlossenheit des Satzes wird durch Wiederkehr des Themas am Schlüsse der riationsreihe erreicht. — Das Thema Die die Va- des Schlußsatzes zitiert den umgeformten Anfang des Hauptthemas aus dem ersten Satz. Im weiteren Verlauf wird dieses Thema stets an ders und immer weniger geschlossen gesaltet“ (Z. Gdrdonyi).