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Anton in Dvoraks 8. Sinfonie G - Dur o p. 88, bei der Herausgabe unrichtiger weise als Dvoraks „Vierte" bezeichnet, da sie die vierte gedruckte Sinfonie des Komponisten darstellte, entstand im Sommer und zu Beginn des Herbstes 1889, kurz nach der Komposition des Klavierquintetts Es-Dur — knapp sechs Jah re nach dem Abschluß der vorangegangenen 7. Sinfonie. Die Uraufführung der G-Dur-Sinfo- nie fand am 2. Februar 1890 in Prag durch das Orchester des Nationaltheaters unter Dvoraks eigener Leitung statt, der das Werk bald darauf auch in London und etwas später in Frankfurt/ »ain zur Aufführung brachte. Das „herrliche erk", wie der bedeutende Dirigent Hans Rich ter die Sinfonie nach der Wiener Erstaufführung in einem Brief an den Komponisten begeistert nannte, wurde überall mit viel Wärme und Be geisterung aufgenommen. Einer Zeit beglücken den friedlichen Schaffens inmitten herrlicher Na tur auf Dvoraks Sommersitz in dem böhmischen gig auf das Prinzip der organischen Klangentfal tung gestellt. Den Ausgangspunkt hierfür bilden mehr oder weniger statische Farbwerte, Töne, engintervallische, kaum merklich verfließende Klanggemische oder ineinandergleitende Li niengeflechte und eine irisierende Harmonik zwischen Einzelton und reinem Dur-Dreiklang. Dennoch handelt es sich nicht um eine weltver lorene, harmonische Idylle; denn auch hier gibt es (im Mittelabschnitt) beunruhigende Störun gen und Erschütterungen, die nicht vollends ab gefangen werden können. Die Polarität der beiden Sätze bisher drängt zu einer ausgleichenden, aktivierenden Synthese, ~ : ner Lösung im Geiste mobilisierter und an- ^ckender Musizierlust. Der Finalsatz (Prestissi- ...o) bietet sie in einem Rondo von brillanter Virtuosität, exzentrischen instrumentalen Kop pelungen und atemberaubender Schnelligkeit. Dem Ganzen ist im Mittelabschnitt dennoch Nachdenklichkeit beigemischt, und gerade sie sollte über den ironisch pointierten Schluß hin aus zurückdenken helfen, daß dieser Finalspaß nicht ohne Hindernisse und Hintergründe insze niert worden war. Dorfe Vysokä entstammend, zeigt die 8. Sinfo nie im Gegensatz zu der von leidenschaftlichem, trotzigen Ringen erfüllten vorangegangenen d- Moll-Sinfonie eine heitere und lichte, friedvoll harmonische Grundhaltung. Innige Naturverbun denheit, Volkstümlichkeit und helle Lebensbe jahung sprechen aus diesem an unerschöpfli chen Einfällen reichen, stimmungs- und gefühls ¬ mäßig sehr einheitlichen Werk. Formal bildet es — trotz Beibehaltung der klassischen Sinfonie form — Dvoraks selbständigste sinfonische Schöpfung, die in manchen Einzelheiten von den übrigen Sinfonien abweicht und die musikali schen Gedanken in neuartiger Weise verarbei tet. Mit einem feierlichen g-Moll-Thema der Celli und Bläser über ruhigen Kontrabaß-Pizzikati be ginnt der erste Satz (Allegro con brio). Dieses Thema bleibt für den motivischen Aufbau des Satzes ohne konstruktive Bedeutung, erscheint aber in gleicher klanglicher Gestalt nochmals vor Beginn der Durchführung und vor der Re prise. Das eigentliche Hauptthema des Satzes in G-Dur, das zuerst von der Flöte angestimmt wird und dem später ein schlichtes, etwas schwermütiges Thema in h-Moll zur Seite ge stellt wird, steht in scharfem Gegensatz zu dem Einleitungsthema. Heiter und lieblich einset zend, unterzieht sich das Hauptthema im Ver laufe des Satzes mannigfachen Wandlungen in Gestalt und Charakter. In vielfältigen farbigen Bildern, die Gedanken, Gefühle und Stimmun gen von lichter Freude und Heiterkeit, aber auch von tiefer, ernster Innigkeit widerspiegeln, entfaltet sich das sinfonische Geschehen. Das folgende Adagio in c-Moll, das eine nahe Verwandtschaft mit einem Stück aus Dvoraks Klavierzyklus „Poetische Stimmungsbilder 1 ' op. 85, „Auf der alten Burg", zeigt und gleichsam als dessen Weiterentwicklung zu deuten ist, ist von starkem poetischen Ausdrucksgehalt. Neben dem stolzen, etwas düsteren Hauptthema, das eine glanzvolle dramatische Steigerung mit fei erlichen Trompetenklängen erfährt, wird im Mit telteil eine sehnsüchtig-weiche Melodie beson ders bedeutsam. Träumerisch-friedvoll verklingt der reizvolle Satz. Ruhig bewegt entfaltet sich der frische dritte Satz (Allegretto grazioso). In den Violinen er klingt über Figuren der Holzbläser das kantable, leicht schwermütig angehauchte tänzerische Hauptthema des ersten Teiles, der nach einem G-Dur-Mittelteil notengetreu wiederholt wird. Im Mittelteil zitierte der Komponist übrigens eine Melodie aus einer fünfzehn Jahre früher entstandenen Oper (Lied des Tonik „Sie so frisch, jugendlich, gar so alt er" aus „Die Dickschä del"). Die kurze Coda bringt einen tempera mentvoll-beschwingten Tanz im Zweivierteltakt, der den Satz originell und witzig beschließt. Besonders starke Beziehungen zur tschechischen Volksmusik weist das Finale (Allegro ma non troppo) auf, in der auch das mitreißende, rhyth misch prägnante Hauptthema verwurzelt ist. Dieser meisterhaft gearbeitete, formal neben dem ersten Satz am kompliziertesten angelegte Satz — die klassische Sonatenform wird in Ex position und Reprise durch reiche Variationen des Hauptthemas erweitert — beendet in ele ¬ mentarer Lebensfreude die Sinfonie, die eine der heitersten Schöpfungen der damaligen eu ropäischen Musik darstellt. Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in das Cellokonzert von S. Matthus schrieb Dr. Frank Schneider. Berlin. Spielzeit 1979 80 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-45-80 EVP: 0,25 M SON DERKONZERTE anläßlich der 18. Arbeiterfestspiele der DDR 1980 im Bezirk Rostock