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10. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 14. Juni 1980, 20.00 Uhr Sonntag, den 15. Juni 1980, 20.00 Uhr ohilhannoiomio Dirigent: Johannes Winkler Solist: Alfred Lipka, Berlin, Viola Hans Pfitzner 1869-1949 Sinfonie für großes Orchester C-Dur op 46 (Drei Sätze in einem Satz) Allegro moderato — Sehr langsam (Adagio) — Presto Johann Cilensek geb. 1913 Konzertstück für Viola und Orchester Ballade Spiel — Gesang — Abgang Erstaufführung PAUSE Ludwig van Beethoven 1770-1827 Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 Adagio — Allegro vivace Adagio Allegro vivace Allegro ma non troppo ALFRED LIPKA, 1930 in Usti n. L. geboren, studierte 1948—1955 am damaligen Thüringischen Landeskonser vatorium Erfurt und an der Hochschule für Musik „Franz Liszt" in Weimar. Nach Engagements als 1. Konzert meister an der Landeskapelle Eisenach und als Solo bratscher des Rundfunk-Sinfonieorchesters Leipzig (1958 bis 1963) wirkte er 1963—1975 als 1. Solobratscher der Statskapelle Berlin, gleichzeitig als Mitglied des Streichquartetts der Deutschen Staatsoper. Seit 1975 ist er als Professor und Leiter einer Bratschen-Klasse an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler" in Berlin tätig, daneben kommt er seinen umfangreichen inter nationalen Verpflichtungen als Solist und Kammer musikspieler nach, die ihn bereits in alle europäischen Länder sowie nach Ägypten und Japan geführt haben. Er spielte Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen ein, erhielt 1975 den Kritikerpreis der Biennale Berlin für die Uraufführung des ihm gewidmeten Bratschenkonzer tes von Günter Kochan sowie den Kunstpreis der DDR. Bei der Dresdner Philharmonie war er bereits 1966 und 1970 zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Um Hans Pfitzner, den „letzten Roman tiker", wie er genannt worden ist, der mit Gu stav Mahler, Richard Strauss und Max Reger bedeutsam die deutsche Musikkultur um die Jahrhundertwende geprägt und repräsentiert hat, ist es in unseren Tagen merklich still ge worden. Das Jahr 1949, Todesjahr von Pfitzner und Strauss .gilt gemeinhin als äußerer End punkt der Epoche bürgerlich-individualistischer Musik und markiert damit eine gewichtige mu sikgeschichtliche Zäsur. Der 1869 als Sohn deut scher Eltern in Moskau geborene Pfitzner, als Komponist, Dirigent, Kompositionslehrer (u. a. an der Akademie der Künste zu Berlin), Regis seur und Schriftsteller tätig gewesen, hat wohl mit seinen romantischen Opern, von denen die musikalische Legede „Palestrina* als .sein Hauptwerk anzusehen ist, der Eichendorff-Kan tate „Von deutscher Seele", aber auch mit ver schiedenen Sinfonien und Konzerten, Kammer musikwerken und Liedern sein Bestes gegeben. Aus seiner Wagner-Nachfolge niemals ein Hehl machend, bekannte er sich aber auch stilistisch zu Weber und Schumann. Wie Richard Strauss vollbrachte schließlich der späte Pfitzner, von Natur aus ein schwermütiger, hintergründiger Grübler, eine Alterswendung zur klaren, ge lösten Klangwelt der Klassik. In Wien irgend wo in der Nähe von Beethoven und Schubert begraben zu liegen, war der letzte Wunsch des 80jährigen, der im zweiten Weltkrieg in Mün chen durch Bombenschaden seine gesamte Ha be verlor und im Alter vollends vereinsamt war. In der publizistischen Verfechtung seiner schöp ferischen und ästhetischen Ziele äußerte sich vielfach sein streitbares, oft auch einseitig-un gerechtes Naturell. Seine betont konservativ nationale Haltung nahm mitunter nationalisti sche, ja reaktionäre Züge an. Eigensinnig und eigenwillig wie der Pfitzner- sche Charakter war auch seine Auseinander setzung mit der Sinfonik, der er sich erst als 64jähriger zuwandte, ohne dabei auf die Schöpfungen seiner Alterskollegen zu schauen, auf die Großwerke Mahlers oder die groß flächigen sinfonischen Dichtungen von Strauss. Pfitzners drei Sinfonien sind eher intime kam mermusikalische Kunstäußerungen in diesem Genre. Nach der Sinfonie cis-Moll op. 36a (1933) und der Kleinen Sinfonie op.. 44 (1939) schrieb Pfitzner 1940 die Sinfonie für großes Orchester C-Dur op. 4 6. Die Wendung zum Klassizismus ist in diesem Alterswerk, das der 71jährige Meister „an die Freunde" seiner Kunst richtete, spürbar voll zogen. Edle Gelöstheit, musikalische Lockerheit und Unmittelbarkeit des musikalischen Aus drucks verbinden sich mit übersichtlicher, kon zentrierter Gesamtform: drei Sätze (Allegro moderato — Adagio — Presto), die in einem größeren zusammengefaßt sind. Nichts ist kompliziert, spitzfindig, vergrübelt. Das Ein- gangsallegro exponiert zwei dominierende Ge danken: Das erste Horn intoniert zunächst über dem liegenden C der Kontrabässe, leisem Paukenwirbel und einer pochenden Cellofigur das rhythmisch frische Hauptthema, das die Holzbläser sogleich weiterführen. Von den Celli angekündigt und von den Violinen ausgespon-l nen wird das zweite Thema. Nach sonatensatz mäßiger Verarbeitung des Materials führt ein allmähliches Abklingen in Ausdruck und Tem po zum langsamen, romanzenartigen Mittelab schnitt, dem eigentlichen Herzstück der Sinfo nie. Eine ausdrucksvolle, verinnerlichte Melodie klingt über gedämpften Streichern im Eng lischhorn auf. Unmittelbar folgt derverträumten Grundstimmung dieses Teiles das schwung volle, freundlich-heitere, an Haydn geschulte Schlußpresto, das zwei Drittel der Partitur um faßt. Mit vorwärtsdrängender Kraft entfaltet sich die Musik. Manche Erinnerungen an Vorherge gangenes werden wach. Die Entwicklung gip felt in strahlendem C-Dur im Wiederauftreten des Hauptthemas aus dem ersten Satz, das von Trompete und Posaunen fortissimo vorge tragen und vom Hauptthema des Schlußsatzes kontrapunktiert wird. Der 1913 in Großdubrau bei Bautzen gebore ne, heute in Erfurt lebende Johann Cilen sek gehört seit vielen Jahren zu den führen den Komponisten unserer Republik. Mit seij nem kompositorischen Schaffen sowie durcf’ die langjährige Tätigkeit als Hochschullehrer hat er wesentlichen Anteil an der Entwicklung unserer Musikkultur. 1955 wurde ihm der Na tionalpreis verliehen. Es ist vor allem die Or chestermusik, die Johann Cilensek durch eine Vielzahl interessanter Werke bereicherte. Er schrieb bisher u. a. 5 Sinfonien, mehrere Kon zerte (für Klavier, Violine, Violoncello, Orgel), eine Sinfonietta, ein Orchesterkonzert, ein „Konzertstück für Klavier und Orchester", das „Mosaik für 13 Solostreicher" (1973) und — im Auftrag der Dresdner Philharmonie — das „Konzertstück für Violine und Orchester" (1974)- Das Konzertstück für Viola und