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10. ZYKLUS- KONZERT KONTRASTE Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 21. Juni 1980, 20.00 Uhr Sonntag, den 22. Juni 1980, 20.00 Uhr [oHiilHiormooioio Johannes Winkler Chor: Ouvertüre zur Oper „Semiramis Allegro vivace — Andantino — Allegro Dirigent: Solist: Wolfgang Weber, Leipzig/Weimar, Violoncello Frauenchor des Philharmonischen Chores Dresden Einstudierung Herwig Saffert Gioacchino Rossini 1792-1868 Edison Denisow geb. 1929 Konzert für Violoncello und Orchester Largo — Animato — Largo Erstaufführung PAUSE Gustav Holst 1874-1934 Die Planeten — Sinfonische Suite op. 32 Mars, der Überbringer des Krieges (Allegro) Venus, die Überbringerin des Friedens (Adagio) Merkur, der geflügelte Bote (Vivace) Jupiter, der Überbringer der Fröhlichkeit (Allegro giocoso) Saturn, der Überbringer des Greisenalters (Adagio) Uranus, der Zauberer (Allegro) Neptun, der Mystiker (Andante) l^^FGANG WEBER, der Solist unseres heutigen Kon- zertss, der zu den führenden Vertretern seines Instru mentes in unserem Lande gehört, studierte an der Franz-Liszt-Hochschule Weimar bei Prof. Neumann und vervollkommnete seine Ausbildung bei den Professoren Sadlo, Eichhorn und Grosch. 1963 gewann er einen 1. Preis beim Carl-Maria-von-Weber-Wettbewerb in Dres den. 1961—1965 wirkte er am Berliner Sinfonie-Orchester, 1965-1977 war er Solocellist des Rundfunk-Sinfonieor ¬ chesters Leipzig, seitdem unterrichtet er an der Weima rer Musikhochschule und widmet sich seiner umfang reichen Konzerttätigkeit im In- und Ausland, wo er sich besonders durch seinen begeisterten Einsatz für neue Musik (mit zahlreichen Uraufführungen) einen Namen gemacht hat, ohne einseitig darauf festgelegt zu sein. Er ist Mitglied des Kammertrios „Aulos" und der „Gruppe Neue Musik Hanns Eisler" Leipzig. ZUR EINFÜHRUNG Gioacchino Rossini (1792—1868), Ita liens bedeutendster Komponist in der ersten Hälfte des 19. Jh., hatte von Haus aus so viel Musik mitbekommen (sein Vater war Hornist, die Mutter Sängerin), daß er nach kurzem Stu dium in Bologna als 1 öjähriger mit dem Opern komponieren begann und 1810 mit einem Ein akter in Venedig debütierte. 1816 feierte er (trotz des Premierenskandals) seinen größten Triumph mit der Opera buffa „Der Barbier von Sevilla" (es war bereits seine 17. Oper) und be kannte sich 1829 in Paris mit „Wilhelm Teil", seinem letzten (39.) Bühnenwerk, ganz zur Gro ßen Oper französischen Stils. Danach lebte er noch fast vier Jahrzehnte, weltberühmt, jedoch ohne weitere Opern zu komponieren ; nur einige kirchen- und kammermusikalische Werke ent standen noch. Als 34. Bühnenwerk schrieb Rossini 1822 seine letzte italienische Opera seria „ Semi ra mi - de" (Semiramis) nach Voltaires Tragödie „Semiramis", die am 3. Februar 1823 am Teatro La Fenice in Venedig (mit seiner ersten Ehefrau, der Sängerin Isabella Colbran, in der Titelrolle) ihre kühl aufgenommene Premiere erlebte. Die leichtgeschürzte, geistvoll-sprühende, elegante Melodik, die pikante Rhythmik, die subtile In strumentation der Ouvertüre zu dieser heute kaum noch gespielten Oper (1932 wurde in Rostock eine deutsche Fassung vorgestellt) demonstrieren typischen Rossini-Stil. Eigenwillig ist der Typ der alten italienischen Opernouver türe (schnell — langsam — schnell) abgewandelt. Der erste Abschnitt ist nur noch Auftakt zum An dantino mit seinen reichverzierten melodischen Figuren; Zielpunkt der Entwicklung ist der köst liche Allegro-Satz mit seiner atemberaubenden Stretta-Steigerung. Der sowjetische Komponist Edison Denisow — sein Vater wählte den Vornamen aus Vereh rung für den nordamerikanischen Erfinder Tho mas Alva Edison — gehört zu jenen Doppelbe gabungen, die gar nicht so selten, wie die mei sten Menschen glauben, anzutreffen sind: Er ist sowohl in der Mathematik als auch in der mu sikalischen Komposition ausgebildet. Denisow war zunächst bis 1951 an der mathematisch technischen Fakultät der Universität seiner Hei matstadt Tomsk immatrikuliert. Danach ging er nach Moskau und studierte am dortigen Kon ¬ servatorium bei Wissarion Schebalin fünf Jahre lang Komposition. Seit 1961 ist er am gleichen Institut als Lehrer für musikalische Analyse, Kontrapunkt und Instrumentation tätig. Denisow ist einer der namhaftesten Komponisten der mittleren Generation in der Sowjetunion. Er ist bekannt als ein äußerst bewußt und kritisch ar beitender Musiker, welcher es weder sich noch dem Publikum leicht macht. Denisows Tonspra- ist in allen Dimensionen sehr differenziert, ohne indes akustisch kompliziert zu wirken (was nicht heißt, daß sie leicht interpretierbar wäre). Seine mathematische Begabung kommt offensichtlich dem Formniveau seiner Kompositionen zugute. Ähnlich der Musik Anton Weberns, ist die seinr streng und kontrolliert, zugleich sensibel ul lyrisch. Denisow hat sich mit den neuesten Strö mungen der musikalischen Avantgarde vertraut gemacht, jedoch kritisch das Nichtbrauchbare beiseitegeschoben. Das Ergebnis sind Werke von eigenständiger Prägung, die dennoch na tionale Züge in sich enthalten. Seine Musik — vor allem Vokalmusik, sinfonische und Kammer musik — wurde bisher in Leningrad, Moskau, Warschau, Berlin, Leipzig, Dresden, Paris, Royan, Buffalo, London, Kopenhagen, Bratisla- Athen, Darmstadt, Brüssel, Zagreb, va, New York, Rom und anderswo aufgeführt. Das Orchester wurde im August 1972 beendet und am 25. September 1973 vom Rundfunk- Sinfonieorchester Leipzig unter Herbert Kegel mit Wolfgang Weber als Solisten uraufgeführt. Obwohl einsätzig, besteht es aus drei knappen, deutlich unterscheidbaren Teilen: einem Largo, einem bewegten Mittelteil (Animato) und einer (variierten) Wiederholung des Largo. Das sicher Auffälligste an diesem Konzert sind die Mikro intervalle: Denisow geht einen Schritt weiter als Alban Berg, dessen Vorliebe für „infusorien- hafte" Melodik erst heute aktuell geworden ist, und schreibt durchweg (in den dafür passend^ Instrumenten) Viertel- und Dreivierteltonerhsl hungen bzw. -erniedrigungen vor. Hand in Hand mit dieser gleitenden, fragilen Melodik geht eine Art heterophoner Kontrapunkt: ein System melodischer Linien, die zwar präzise in mathe matischen Proportionen notiert sind, aber im Effekt ein sich unaufhörlich veränderndes Klang dessin ergeben. Auch das Instrumentarium ist jenen Mikrostrukturen angemessen: Es enthält eine Flöte, eine Oboe d'amore, eine Es-Klari- nette, fünf Saxophone, ein Kontrafagott, drei Trompeten, drei Posaunen, eine Tuba, Celesta, elektrisch verstärkte Gitarre, Harfe, Vibraphon, Glocken, Gongs, kleine Becken, Tamtam und mehrfach unterteilte Streicher. Wie ersichtlich,