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7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Mittwoch, den 27. Februar 1980, 20.00 Uhr Donnerstag, den 28. Februar 1980, 20.00 Uhr Das Konzert am 28. Februar 1980 wird von Radio DDR, Sender Dresden, mitgeschnitten und im April 1980 in der Sendereihe „Dresdner Abend" übertragen. hilhöimoomio Arvid Jansons, Sowjetunion Dirigent: Isolde Ahlgrimm, Österreich, Cembalo Solistin: Ludwig van Beethoven 1770-1827 Ouvertüre zu „Coriolan'' c-Moll op. 62 Allegro con brio Johann Sebastian Bach 1685-1750 Konzert für Cembalo und Orchester d-Moll BWV 1052 Allegro Adagio Allegro PAUSE Hector Berlioz 1803-1869 Phantastische Sinfonie op. 14 Largo — Allegro agitato e appassionata assai (Träumereien, Leidenschaften) Valse — Allegro non troppo (Ein Ball) Adagio (Szene auf dem Lande) Allegretto non troppo (Der Gang zum Richtplatz) Larghetto — Allegro (Beim Hexensabbat) Der Dirigent ARVID JANSONS ist eine der namhaf testen Musikerpersönlichkeiten der UdSSR. Man rühmt an ihm besonders die Suggestivkraft und Intensität sei ner Zeichengebung sowie gleichermaßen künstlerische wie pädagogische Erfahrungen, die ihn Höchstleistun gen in der Arbeit mit den Orchestern erreichen lassen. h^Aiepaja (Lettland) geboren, zeigten sich ungewöhn- ^^As Talent und Liebe zur Musik schon früh, er spielte ^^Fge und sang im Kinderchor. Später als Geiger im Opern- und Sinfonieorchester von Riga verstärkte sich sein Wunsch, Dirigent zu werden. 1944 debütierte er erfolgreich mit Tschaikowskis Ballett „Schwanensee" (Riga) und erwarb sich bald ein umfangreiches Reper toire; auch mit Aufführungen sinfonischer Werke mach te er sich einen Namen. 1946 wurde er Sieger im All unions-Wettbewerb der Dirigenten, 1952 berief ihn die Leningrader Philharmonie zum ständigen Dirigenten, und anläßlich des Musikfestivals „Prager Frühling" 1954 war ein aufsehenerregendes Konzert der Beginn einer internationalen Karriere. Arvid Jansons ist ein bedeu tender Pädagoge und vermittelt in seiner Meisterklasse für Dirigieren am Leningrader Konservatorium dem künstlerischen Nachwuchs seine wertvollen Erfahrungen. So ist auch sein Kurs beim Internationalen Musiksemi nar in Weimar äußerst gefragt. Für seine vielseitige musikalische Tätigkeit wude er mit hohen staatlichen Auszeichnungen geehrt. ISOLDE AHLGRIMM, die bedeutendste österreichische Cembalistin unserer Tage, studierte Klavier an der Musikakademie ihrer Heimatstadt Wien und vervoll kommnete anschließend ihre Ausbildung bei Franz Schmidt und Emil von Sauer. In den 30er Jahren spe zialisierte sie sich ausschließlich auf das Spiel histo rischer Tasteninstrumente (insbesondere Cembalo, auch Hammerklavier) und errang internationale Autorität vor allem als berufene, stilkundige Interpretin Bach scher Werke auf dem Cembalo, dessen sämtliche Kla vierwerke sie auf 40 Langspielplatten einspielte, über haupt erschienen zahlreiche Schallplattenaufnahmen der Künstlerin bei verschiedenen namhaften Firmen. Außerdem publizierte sie viele Aufsätze zur Auffüh rungspraxis alter Musik. Konzertreisen führten sie durch nahezu alle europäi schen Länder, wiederholt durch die USA und zu inter nationalen Festspielen in Wien, Salzburg, Prag, Rom und anderswo. 1945 bis 1949 unterrichtete sie als Pro fessor an der Staatsakademie in Wien, 1958 bis 1962 am Mozarteum in Salzburg. Seit 1962 ist sie Professor für Cembalospiel (seit 1969 außerordentlicher Hochschul professor) an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. Sie lehrte auch in den internationalen Musikseminaren in Weimar und gehörte bei Cembalo wettbewerben in Leipzig und Genf der Jury an. Bei der Dresdner Philharmonie gastierte sie bereits in den Jahren 1971 und 1978. ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethoven schrieb die Ouvertüre zu dem Schauspiel „Coriolan" von Heinrich Joseph von Collinop. 62 im Jahre 1807, in zeit licher Nähe zur 5. Sinfonie, deren Tonart, c- Moll, sie übrigens aufweist. Die Uraufführung erfolgte in Wien im März des gleichen Jahres. Vermutlich erklang sie auch im Wiener Hof theater zu Beginn der Aufführungen des Corio- lan-Schauspieles, das der österreichische Dra matiker in freier Anlehnung an Shakespeares gleichnamigeTragödie geschrieben hatte. Wäh rend die Dichtung heute vergessen ist, gehört Beethovens Ouvertüre — übrigens seine einzi ge, die tragisch schließt — zum festen Bestand des Konzertrepertoires. Wie die 3. Leonoren- Ouvertüre mutet auch die Coriolan-Ouvertüre wie eine sinfonische Dichtung an. Collins Schauspiel führt uns in das antike Rom. Es be richtet vom Kampf der Plebejer gegen die Patrizier. Der stolze, verblendete Coriolan ver rät sein Vaterland, läßt die Bitten seiner pa triotisch gesinnten Mutter ungehört und gerät schließlich in seiner Vermessenheit in einen ausweglosen Gewissenskonflikt, der zu seinem tragischen Untergang führt. Bildhaft-realistisch hat Beethoven dieses Geschehen in seiner dra matischen, unmittelbar packenden Ouvertüre gestaltet, die sogleich mit der Vorstellung des problematischen Helden eröffnet wird (Allegro con brio). Coriolans trotziger, aufbegehrender Charakter wird zunächst durch heftige Akkord schläge, unterbrochen von Generalpausen, an gedeutet, bis das herrisch-wilde Hauptthema das Charakterbild deutlicher zeichnet. Das ge sangvolle zweite Thema, die bittende Mutter symbolisierend, bringt den musikalisch-inhalt lichen Gegensatz zu der aufgewühlten Stim mung des Hauptthemas. Aus dem Konflikt die ser beiden gegensätzlichen Themen entwickelt sich die faszinierende Dramatik des Werkes. Am Ende erlischt das stolze Coriolan-Thema todesmatt, düster in den tiefen Streichern, den selbstverschuldeten Untergang des Helden ausdrückend. Bei Johann Sebastian Bachs Kla vierkonzerten (der Meister verwendete bis zu vier Soloinstrumente) handelt es sich in den meisten Fällen um Übertragungen von Violin konzerten, zum Teil von fremder Hand stam mend. Aus derartigen Transkriptionen ist die Gattung des Klavierkonzertes überhaupt ent standen. (Unter dem Klavier verstand man in die sich eine stark verzierte Melodie Cembalo und Violinen duettieren in der Bach-Zeit natürlich nicht den modernen Hammerflügel, sondern das Cembalo, dessen Saiten nicht „angeschlagen", sondern „ange rissen" werden.) Von den sieben erhaltenen Klavierkonzerten Bachs für ein Soloinstrument und Orchester sind die Konzerte in d-Moll (BWV 1052) und in f-Moll (BWV 1056) am be kanntesten geworden; aber gerade diese Wer ke, besonders das erste, werden von einigen Forschern als nicht „echt" bezeichnet. Mögli cherweise hat der Komponist hier, wie es zu seiner Zeit allgemein üblich war, fremde Kom positionen auf seine Weise umgearbeitet, vor allem kontrapunktisch bereichert. Bachs heute wohl populärstes Klavierkonzert das d-Moll-Konzert BWV 105 bezeichnete Hans von Bülow noch um 1850 als „Nicht-Musik" und weigerte sich, es zu spie len. Hier hat Bach auf ein Konzert für ein Streichinstrument zurückgegriffen, das er auf das „Klavier" übertrug, es sowohl für Cembalo als auch für Orgel einrichtete (als Einleitung zu einer Kantate). Ungeachtet aller Echtheits problematik, die in erster Linie die Fachwelt beschäftigt, ist das Werk ein herrliches, sub stanzreiches und tiefgründiges Stück Musik, das in vielen Details (Figuration des Soloin strumentes, motivisch-imitatorische Begleittech nik des Orchesters) die unverkennbaren Züge der Bachschen Handschrift trägt. Ein ernstes, häufig wiederkehrendes Tuttithe ma der Streicher, scharf synkopiert, das gleich zu Beginn vorgestellt wird, prägt den Charak ter des ersten Satzes (Allegro). Neue Klang figuren dazu entwickelt der Solist. Am Beginn und am Schluß des Adagios steht eine ein stimmige Figur von dunklem Ausdruckscharak ter, über entfaltet. kanonischer Führung. Ein energisches Profil be sitzt derSchlußsatz, der auf die gegensätzlichen Themen von Tutti und Solo begründet ist un| seine Spannungen aus deren Widerstreit er hält. „Die Haupteigenschaften meiner Musik sind leidenschaftlicher Ausdruck, innere Glut, rhyth mischer Schwung und überraschende Wendun gen", schrieb Hector Berlioz, der große französische Komponist, glänzende Instru mentator, Begründer der Programmusik und Schöpfer der sinfonischen Dichtung, in seinen Lebenserinnerungen. Berlioz' Musik, die Frucht eines genialen Musikers, aber auch eines von außergewöhnlicher Überanstrengung gekenn zeichneten schweren Lebens, spiegelt die ge-