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sellschaftliche und geistige Widersprüchlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wider, insbesondere die typischen Wesenszüge der Menschen jener Epoche. Ausgehend von Beet hovens Pastoral- Sinfonie, in welcher der Wie ner Klassiker bekanntlich „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei" verlangt hatte, mach te der französische Meister die Musik zum lei- Ausdrucksträger seiner dichterisch-program matischen Vorstellungen. Dabei erschloß er dieser Kunst einen neuen Gefühlsgehalt, eine faszinierende Bildhaftigkeit, die ihn zum „rea listischen Romantiker" werden ließ. Eine aus- ’eprägte Begabung für theatralischen, tenschaftlichen Ausdruck bot dafür die sub- , aktive Grundlage; die objektive war die bür gerlich-demokratische Tendenz im Frankreich einer Zeit, große Massen zu erfassen und durch die Kunst zu aktivieren. Dennoch wurde Berlioz' Schaffen von seinen Zeitgenossen zwiespältig aufgenommen. Berlioz besaß einen einmaligen Klangsinn. Durch Steigerung der Ausdrucksmittel und des Umfanges des Orche sterapparates erzielte er phantastisch-unge wöhnliche, neuartige Klangwirkungen. Das Or chester wurde bei ihm zu einem Instrument, mit dem er virtuose und Klangfarben-„Sensa- tionen" hervorbrachte. Manchmal entsteht so gar der Eindruck, als ob die musikalische Er findung bei Berlioz durch eine „instrumenta torische" ersetzt wurde. Neben der großen An regerrolle, die Hector Berlioz namentlich für Musiker wie Liszt, Wagner und Richard Strauss, als Schöpfer des modernen Orchesters und glänzender Klangzauberer, spielte, darf man in dem Meister getrost einen der ganz großen französischen Komponisten sehen. Sein populärstes Werk ist fraglos die „Phan tastische Sinfonie" op. 14, die km 5. Dezember 1830 in Paris von dem Diri genten Franpois Habeneck ungemein erfolg reich uraufgeführt wurde. Selten hat eine Komposition die musikalische Entwicklung derart beeindruckt wie dieses Werk. Berlioz hat in der „Phantastischen Sinfonie" subjektive, seelisch-intime Empfindungen und Träume dargestellt, deren autobiographischen Charak ter schon der Untertitel „Episoden aus dem Leben eines Künstlers" andeutet. Die fünfsät- zige Sinfonie, die nicht mehr dem klassischen Formprinzip folgt, wird — wie es in der sinfo nischen Dichtung und bei Wagner später die Regel ist — von einem in verschiedenen Ab wandlungen erklingenden Leitthema be herrscht, das der Komponist „I’ idee fixe" nannte. Dieses kühne, bahnbrechende Werk, das ein imposantes Aufgebot an instrumenta len Mitteln fordert, verdankt seine Entstehung der unglücklichen Liebe des Komponisten zu der irischen Schauspielerin Harriet Smithson, die den leidenschaftlichen jungen Künstler zu heiraten versprach, ihn aber bitter enttäuschte und sich „seiner unwert" zeigte. Das Haupt thema der „Phantastischen Sinfonie", die leit motivische „idee fixe", charakterisiert die Ge liebte und erscheint daher in allen fünf Sätzen dieses „Drame instrumental", dieses musikali schen Romans mit allen Hoffnungen, Träumen und Verzweiflungen eines unglücklichen Lieb habers. Berlioz gab dem Werk ein ausführli ches Programm mit und wünschte, daß der Hörer dieses mit der Musik zusammen auf sich wirken lasse. 1. Satz (Träumereien, Leidenschaften): „Ich nehme an, daß ein Künstler von lebhafter Ein bildungskraft in einem Seelenzustand, den ein berühmter Schriftsteller ,das Wogen der Lei denschaften' nennt, zum erstenmal die Frau er blickt, die das Ideal an Schönheit und Reiz verkörpert, nach dem sich sein Herz seit lan gem sehnt. Er verliebt sich hoffnungslos. Durch einen seltsamen Zufall erscheint das Bild vor seiner Seele in Begleitung eines musikali schen Gedankens, in dem er denselben graziö sen vornehmen Charakter findet wie bei dem geliebten Wesen, das ihm vorschwebt. Diese doppelte fixe Idee verfolgt ihn beständig: das ist der Grund, weshalb die Hauptmelodie des ersten Allegros in allen Sätzen der Sinfonie beständig wieder auftaucht. Nach tausend An strengungen schöpft er Hoffnung; er glaubt, daß er geliebt wird. (Leidenschaft und Schwermut, Melancholie, Schmerz, Eifersucht, Freude und Herzensangst bilden also den In halt des ersten Satzes.) 2. Satz (Ein Ball); Der Künstler nimmt an ei nem Balle teil, aber der Festtrubel vermag ihn nicht zu zerstreuen. Wieder quält ihn die fixe Idee, und während eines glänzenden Walzers läßt die Melodie sein Herz erbeben. 3. Satz (Szene auf dem Lande): Als er eines Tages zwischen Feldern wandelt, hört er in der Ferne zwei Hirten einen Kuhreigen bla sen (Dialog zwischen Englischhorn und Oboe); bei diesem pastoralen Duett versinkt er in eine wundervolle Träumerei. Zwischen den Motiven des Adagios taucht die Melodie auf. (Bange Vorahnungen bringt dieses Adagio zum Aus druck.) 4. Satz (Der Gang zum Richtplatz): Der Künstler hat die Gewißheit erlangt, daß seine Liebe verschmäht wird. In einem Anfall von Verzweiflung vergiftet er sich mit Opium; aber anstatt sich dadurch zu töten, hat er in der Narkose eine furchtbare Vision. Er glaubt, die geliebte Frau getötet zu haben, sieht sich zum Tode verdammt und wohnt seiner eigenen Hinrichtung bei. Der Marsch zum Richtplatz, ungeheurer Aufzug von Henkern, Soldaten und Volk. Schließlich erscheint die Melodie wie ein letzter Liebesgedanke, den der verhäng nisvolle Streich des Henkers abbricht (harter Schlag des vollen Orchesters; realistisch malen Pauken und Trommeln die Schrecken der Szene). 5. Satz (Traum eines Hexensabbats): Der Künstler sieht sich umringt von einer zahllosen Menge widerlicher Wesen und Teufel, die zu- VORANKUNDIGUNGEN: Dienstag, den 29. April 1980, 20.00 Uhr (AK/J) Mittwoch, den 30. April 1980, 20.00 Uhr (Freiverkauf) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Herbert Kegel Solisten: Ursula Reinhardt-Kiss, BRD, Sopran Violetta Madjarowa, VR Bulgarien Halle, Alt Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dipl.-phil. Sabine Grosse / Renate Wittig sammengekommen sind, um die Sabbatnacht zu feiern. Sie rufen einander von ferne. End lich taucht die Melodie auf, die bisher nur lieblich erklang, nun aber zu einer trivialen, gemeinen, trällernden Weise geworden ist. Das geliebte Wesen kommt zur Sabbatfeier, um dem Leichenzuge seines Opfers beizuwoh nen. Sie ist nichts mehr als eine Dirne, die einer solchen Orgie würdig ist. Nun beginnt die Zeremonie. Die Glocken läuten, das gan ze infernalische Element bekreuzigt sich, ein Chor singt den Totengesang (Dies irae), zwei weitere Chöre wiederholen ihn, indem sie ihn in burlesker Weise parodieren. Schließlich wir belt das Sabbat-Rondo vorüber, und in den gewaltigen Ausbruch tönt das Dies irae ein, und die Vision ist zu Ende." Dr. habil. Dieter Härtwig Chöre: Armin Ude, Dresden, Tenor Ulrik Cold, Dänemark, Baß Giuseppe La Licata, Italien, Klavier Luigi Nono, Italien, Tonregie Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Herwig Saffert Mitglieder des Staatsopernchores Dresden Einstudierung Hans-Dieter Pflüger Werke: Luigi Nono: Como una ola de fuerza y luz für Sopran, Klavier, Tonband und Orchester Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 Spielzeit 1979.80 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck- GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-12-80 EVP -25 M ENTLICHES KONZERT 1 979/80 /. ausserord