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Karl Amadeus Hartmann war einer der be deutendsten Sinfoniker des 20. Jahrhun derts, der um die Problematik der Gattung genau bescheid wußte und darum, daß eine Sinfonie immer einen philosophisch-inhalt lich bedeutsamen Konflikt aufwerfen müßte, weit über Privates hinaus. Er er schloß der Sinfonie neue Ausdrucks- und Formbereiche und ahmte weder der klassi schen, romantischen noch sonst einen Sin fonietyp nach — jede seiner sieben Sinfo nien ist eine Individualität. Hartmann war Schüler Hermann Scherchens und Anton Weberns, und wenn es zuweilen so klingt, daß die Sprache der Schönbergschule spricht, so ist es doch keine zwölftönige. 1933 wurde seine Musik als „entartete Kunst“ verfemt; der Komponist verschloß sich in die innere Emigration. Später schrieb er: „In diesem Jahr erkannte ich, daß es notwendig sei, ein Bekenntnis ab zulegen nicht aus Verzweiflung und Angst vor jeder Macht, sondern als Gegenaktion. Ich sagte mir, daß die Freiheit siegt, auch dann, wenn wir vernichtet werden“. Hart mann verstummte nicht, sondern gab sei nem Protest durch seine Musik Ausdruck. Jedes seiner Werke kündet von humani stisch-antifaschistischer Haltung; sie konn ten seinerzeit nur im Ausland aufgeführt werden. Hartmann bekannte: „Ich schrieb in dieser Zeit mein erstes Streichquartett, das Poeme symphonique ,MISERAE 4 und meine 1. Symphonie mit den Worten von Walt Whitman: „Ich sitze und schaue aus auf alle Plagen der Welt und auf die Be drängnis und Schmach . . .“ Die Uraufführungen des Streichquartetts und des „MISERAE“ trugen mir meine erste internationale Anerkennung ein. Der inneren Emigration in Deutschland zuge hörig und völlig gegen die Umwelt abge schlossen, suchte ich einen Menschen, dem ich meine Arbeiten zeigen konnte, um dar über zu sprechen. Ich suchte jemanden, mit dem ich musikalische Probleme erörtern konnte und hatte das Glück, an einen gro ßen Musiker zu kommen: Anton Webern. 1941 und 1942 arbeitete ich bei ihm in Maria-Enzersdorf in der Nähe von Wien, wo er völlig abgeschlossen und verlassen lebte. Mit ihm machte ich Analysen und ging meine neuen Arbeiten durch. Ich war in dieser Zeit sehr glücklich; trotz aller Isolierung hatte ich einen Gleichgesinnten als Lehrer und als Freund gefunden, sein Glaube an die Musik gab mir Kraft wei terzuarbeiten.“ Hartmann hat seine huma nistische und antifaschistische Haltung bis zu seinem Tode nie aufgegeben. — Hart mann ist zuweilen als musikalischer Neo expressionist bezeichnet worden, das stimmt nur zum Teil; von seiner sechsten Sinfonie sagte er, daß sie sich weitgehend vom Ex pressionismus abgewendet habe. Trotzdem erscheint die Tonsprache ausdrucksgeladen genug, aber sie ist strengsten Formgesetzen unterworfen. Hartmanns sinfonische Dra maturgie ist eigenwillig und eigengeprägt. Luigi Nono sagte von ihr, daß „nicht das Erreichen des ,Höhepunkts* aus seiner sin fonischen Entwicklung heraus“ darin das Wichtigste sei, „sondern dessen Zerstörung und darin Ausbreitung eines verschieden artig tragischen Gesanges auf der Suche nach einer wirklichen Perspektive.“ Der erste Satz der sechsten Sinfonie ist weit ausholend und durch scharfe Kontraste ge prägt. Das Adagio-Grundtempo steigert sich — so Fritz Hennenberg — in wilde Allegroausbrüche. Zartem Melodiengeflecht, klangfarblich delikat nuanciert, folgen kon- vulvische Klang-Explosionen. Ein pastoses, figurenreiches, von heftigster Dramatik durchpulstes Klanggemälde breitet sich aus. Der zweite Satz läßt einem Thema zwei Variationen folgen. Sowohl das Thema als auch die Variationen sind Fugen: Kontra punktik von höchster Kunstfertigkeit, die freilich insofern überzeugt, als sie niemals zum Selbstzweck entartet, sondern sich dem Ausdruck unterordnet. Ein sinfonischer Ein fall höchster Qualität ist die Schlußstretta des Werkes, wo Hartmann durch einen grandiosen Blechbläsersatz eine erhebende Wirkung erzielt. Hermann Börner Roger Woodward Der aus Sidney stammende, jetzt in Lon don ansässige Pianist ROGER WOOD WARD trat in den letzten Jahren erfolg reich in vielen Musikzentren der Welt in Erscheinung, sei es in der New Yorker Carnegie Hall, in der Royal Festival Hall, London, in Paris, Venedig, Edinburgh, Royan, Bath, Tokio, Brüssel, Warschau, Tel Aviv, Sidney. Eine reiche Auswahl von klassischen und zeitgenössischen Klavier werken spielte er in den Studios von Schallplatte, Rundfunk und Fernsehen auf Band. Überhaupt besitzt dieser Künstler ein selten reichhaltiges Repertoire, z. B. bietet er die Klaviermusik Beethovens, Chopins, Liszts auch zyklisch dar. Zeitge nössisches Schaffen ist bis zu avantgardisti schen Werken vertreten, und häufig arbei tete er mit Komponisten wie Pierre Bou lez, lannis Xenakis, Jean Barraque, Toru Takemitsu, Karlheinz Stockhausen, Witold Lutoslawski, Luciano Berio und John Cage zusammen, übernahm die Uraufführungen ihrer Werke, die sie auch für ihn schrie ben. Roger Woodward erwarb sich eine vielsei tige musikalische Ausbildung. Er studierte Komposition und Dirigieren, vertiefte aber sein pianistisches Können bei Zbigniew Drzewiecki an der Warschauer Musikaka demie. Er errang drei Erste Preise in Klavier wettbewerben und wurde von der War schauer Philharmonie zu Konzerten in War schau und als Solist für eine umfangreiche USA-Tournee verpflichtet. Der Erfolg die ser Konzertreise bildete den Auftakt für die internationale Karriere des britischen Pianisten. Dresdner Philharmonie Längst schon gehört die DRESDNER PHILHARMONIE in die illustre Reihe berühmter Dresdner Kulturinstitute wie Staatsoper, Staatskapelle und Kreuzchor. Im Jahre 1870 gegründet, entwickelte sich das Orchester im Verlauf seiner über hun dertjährigen Geschichte zu einem repräsen tativen Klangkörper von Weltruf und trat frühzeitig bereits als Sendbote Dresdner Musikkultur im Ausland in Erscheinung, so 1871 und 1872 bei Gastspielen in Peters burg, 1879 in Warschau und 1883 in Am sterdam, 1907 in Dänemark und Schweden und 1909 in Amerika. Prominente Dirigen ten und Solisten, die als Gäste des zu nächst „Gewerbehausorchester“ genannten Institutes wirkten, förderten den steilen künstlerischen Aufstieg des Klangkörpers. Peter Tschaikowski dirigierte in der Spiel zeit 1888 89 seine vierte, Antonin Dvorak seine fünfte Sinfonie. Da musizierten mit dem Orchester, um nur einige Namen her auszugreifen: Johannes Brahms, Hans von Bülow, Moritz Moszkowski, Emil Sauer, Joseph Joachim, Teresa Carreno, Eugen d’Albert, Richard Strauss, Anton Rubin stein, Felix Mottl, Ferruccio Busoni, Sergej Rachmaninow, Arthur Schnabel, Pablo de Sarasate, Fritz Kreisler, Jacques Thibaud, Carl Flesch, Pablo Casals, Eugene Isaye und Sangesgrößen wie Maria Ivogün, Lotte Lehmann, Sigrid Onegin, Leo Slezak und viele andere mehr. Im Jahre 1915 erfolgte die Benennung in „Dresdner Philharmonisches Orchester“, und 1924 wurde das Institut auf genossenschaft liche Basis gestellt unter der heute noch gültigen Bezeichnung: Dresdner Philharmo nie. Chefdirigent war Eduard Mörike