Suche löschen...
Dresdner Journal : 30.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190810304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19081030
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19081030
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-30
-
Monat
1908-10
-
Jahr
1908
- Titel
- Dresdner Journal : 30.10.1908
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
*) Die Arbeit ist am 26. September 1908 abgeschlossen worden. und teuere Apparat einer Reichseinkommenbesteuerung geschaffen und dem finanziellen Selbstbestimmungsrecht der Einzelstaaten I finanziellen Selbstbestmimungsrecht das Rückgrat gebrochen werden! Schließlich weist vr. Köppe noch auf die psychologisch wichtigen Folgen einer teilweisen Okkupierung der Ein kommensbesteuerung durch das Reich hin. Den Einzel staaten würde die Freudigkeit des Mitwirkens an den großen Aufgaben des Reiches in hohem Grade getrübt werden, wenn sie gegen das Reich sich wehren müßten, um die Mittel zur Behauptung ihrer Existenz in aus reichendem Maße fernerhin zu finden. Das Gedeihen des Reiches und die Förderung seiner Aufgaben hängt aber ganz wesentlich mit ab von der Hingebung der Regierungen, der Landtage und der sonstigen einzelstaatlichen Faktoren an dieser Mitarbeit, von der Gesinnung, mit der sie dieser Arbeit sich unterziehen. Noch größer sind vr. Köppes Bedenken gegen eine Reichsvermögenssteuer wegen ihrer natürlichen Mängel und ihres Ergänzungscharakters sowie wegen der Konkurrenz der Einzelstaaten. Was die sog. Veredelung der Matrikularbei- träge anlangt, so steht vr. Köppe auf dem gleichen Stand punkt wie Laband. Eine gerechtere Verteilung der Matri- kularbeiträge fchafft dem Reiche keinen Pfennig mehr an Einnahme. Sie ist ein intsrnum der Einzelstaaten in deren gegenseitigem Verhältnis. Sie gibt und nimmt nichts zu oder von der Höhe weder des Gesamtbetrags der Matrikularbei- träge, noch gar der Gesamteinnahmen oder Gesamtausgaben des Reiches. Aber auch der durch die Höhe der Matri- kularbeiträge bedingten Notlage der Einzelstaaten würde nicht abgeholfen werden. Denn wenn infolge eines anderweiten Verteilungsmodus einige mehr, andere weniger als bisher aufgebürdet erhalten, so müßten dafür die ersteren auch mehr, die letzteren aber weniger an Überweisungen erhalten, auf die ja derselbe Modus An wendung findet. Den reichen Staaten würde also noch mehr, den armen noch weniger gegeben werden müssen als bisher. Einen anderen Modus für die Verteilung der Überweisungen als für die der Matrikularbeiträge einzuführen, wäre aber doch eine bedenkliche Sache und würde die Gefahr großer Ungerechtigkeiten noch ver größern. Tie Wirkung einer solchen Reform würde zu steigender Abwälzung der wachsenden Ausgaben auf die Schultern der Einzelstaaten erheblich anreizen, denn bei der mehrerwähnten Neigung des Reichstags, neue Ausgaben ohne Steuerdeckung zu bewilligen, würde die Abschiebung der Deckung des Mehrbedarfs auf die veredelten Matrikularbei träge ein höchst willkommener Ausweg sein. Dazu käme ein weiterer Nachteil, sofern ein Keim des Zwiespalts in das bundesfreundliche Verhältnis der Einzelstaaten zueinander getragen würde. Den Ruhm der größten Leistungs fähigkeit würden die Einzelstaaten sich nicht streitig machen, vielmehr würde jeder bescheiden zurückstehen wollen. Auch das gute Verhältnis der Staaten zum Reich würde getrübt, wenn der unausbleibliche Streit um die Einschätzung zur Beitragsleistung ausbräche. Diese ideale Seite des Verfassungslebens darf aber nicht gering gegenüber der materiellen eingeschätzt werden. Verschieden von der Veredelung ist die schon mehrfach von den Regierungen geforderte gesetzliche Begren zung der Matrikularbeiträge auf ein festes Maß an Stelle ihrer wünschenswerten Beschränkung auf Notfälle. Ihr Charakter als Ausgleichsmittel des jeweiligen Defizits würde ihnen damit genommen. In diesem Falle müßte daher nach vr. Köppes Ansicht gleichzeitig ein besonderer beweglicher Faktor geschaffen werden, um den Einnahmen die im Interesse der Balancierung des Etats nötige Ela stizität zu geben. Auch der Schein eines „Einnahmen bewilligungsrechts" würde damit erlöschen, ohne daß ihm freilich eine Träne nachzuweinen wäre. Zu bedenken ist allerdings, daß, wenn man die Matrikularbeiträge in ver kürzter und verkleinerter Gestalt fortbestehen läßt, man diesen Rest nicht so leicht los werden wird. Weit besser wäre es daher, einfach tabula rasa mit ihnen zu machen. Nachdem vr. Köppe so eine Reichseinkommen- und Reichsvermögenssteuer verworfen hat, tritt er für den weiteren Ausbau der indirekten Besteuerung ein. Er betont zunächst, daß die Vermehrung der indirekten Steuer last auf der einen Seite entsprechender Kompensationen auf der anderen Seite bedürfe, d. h. jede Vermehrung der Steuern auf den Massenkonsum muß von steuerlichen Maßregeln begleitet sein, die eine entsprechende, erfolg reiche-Gegenwirkung gegen die damit verbundene „Pro gression nach unten" ausüben. Wenn es sich jetzt darum handelt, einen in der Geschichte der Reichsfinanzen uner hörten Mehrbedarf von jährlich 500 Mill. M. durch neue Steuern zu decken, so muß die Aufbringung dieser Summe außer auf dem Wege derBelastung desMassen- verbrauchs auch auf demjenigen der Heranziehung der Einnahmen zur Mittragung der Gesamtlast erfolgen. Da nun die Besteuerung des Einkommens als solchen aus schließlich Landessache ist und, wie dargelegt, den Einzel staaten auch verbleiben muß, so muß das Reich selbst den nötigen Ausgleich der schädlichen Wirkungen der Massen verbrauchsbesteuerung herbeiführen, indem es neben der Gesamtheit der Reichsangehörigen die wohlhabenden Klassen noch besonders, und zwar so ausgiebig heranzieht, daß das Prinzip steuerlicher Gerechtigkeit voll gewahrt wird. Die Steuerprojette der Regierung sind bisher erst in allgemeinen Umrissen bekannt geworden, vr. Köppe geht deshalb in der Hauptsache nur auf ihren aus den bis- herigen Mitteilungen ersichtlichen Gesamtcharakter ein.* Geplant ist die Anführung eines Branntwein-Zwischen handels-Monopols, eine Reform der Tabakbesteuerung durch Einführung einer nach den Kleinverkaufspreisen gestaffelten Banderolensteuer für Zigarren (und wohl auch für Pfeifentabak), eine Weinsteuer und wahrscheinlich auch eine Erhöhung der Biersteuer. Gemeinsam ist diesen steuer aufpfropfen will, ohne die Kapitalbildung, die Arbeitsenergie und den Sparsamkeitstrieb zu lähmen und zu verwirren, ist unerfindlich. Zu alledem kommt, daß die direkten Reichssteuern, man mag sie erheben, nach welchem Maßstab man will, nicht das erwünschte Resultat bringen werden. Schont man die direkte Steuerkraft im Interesse der auf sie angewiesenen Staaten, so fällt für )as Reich nur ein dürftiger Brocken ab. Sobald man ie aber stärker anspannt, wird den Einzelstaaten die inanzielle Lebensader unterbunden. Und um einen winzigen Effekt zu erreichen, soll der ganze komplizierte Projetten, daß der absolut und pro Kopf der Bevölkerung stark wachsende Konsum dieser Luxusgenußartikel eine erheblich gestiegene steuerliche Leistungsfähigkeit anzeigt, daß im Vergleich mit der Belastung des unentbehrlichen Lebensbedarfs durch die erhöhten Zölle, aber auch mit der Belastung der gleichartigen Genußmittel im Auslande, die deutsche Besteuerung sehr im Rückstände ist, und daß insbesondere bezüglich des Branntweins auch die Volks- erzieherische Nebenwirkung der Vorbeugung unmäßigen Nenusses und seiner verderblichen Folgen durch stärkere Besteuerung sicherer erreicht wird. Die Besteuerung alko holischer Getränke bringt bei uns 4,71 M. pro Kopf ein, in Frankeich 12,34 M., in Großbritannien 17,26 M. bei ungefähr gleichem Konsum pro Kopf. Speziell beim Branntwein sind die entsprechenden Zahlen 2,74 gegen ),74 und 11,54 M. und ferner gegen 7,84 M. in den Vereinigten Staaten. Der Tabak bringt bei uns 1,35 M., in Italien 5,70, in den Vereinigten Staaten 3,77, in Österreich 7,33, in Großbritannien 6,97 und in Frankreich 8,91 M. pro Kopf. Dabei steht Deutschland im Tabak konsum an dritter Stelle, nämlich nach Belgien und den Vereinigten Staaten. Der Wert des jährlich bei uns verbrauchten Tabaks beträgt rund 500 Mill. M. Wie empfehlenswert die Tabakbesteuerung ist, dafür bietet die Zigarettensteuer das beste Beispiel. Sie hat sich über Erwarten einträglich erwiesen und kommt zugleich dem Ansprüche der Besteuerung nach der Leistungs fähigkeit am weitesten entgegen. Dieser einzige wirkliche Erfolg der letzten Reform sollte Anlaß geben, den ein geschlagenen Weg bei der übrigen Tabakbesteuerung und besonders bei derjenigen der Zigarren fortzusetzen, wie dies der angekündigte Entwurf auch zu tun scheint. Diese Steuerart greift namentlich in nur wenig belästigendem Maße in die Produktion und den Handel ein, indem sie nur genaueste Buchführung erfordert. Sie erfüllt auch eines der wichtigsten Erfordernisse zweckmäßiger Be steuerung, indem sie die Steuer erst unmittelbar beim Austritt der fertigen Ware aus der Produktionsstätte er hebt, so daß die beabsichtigte Überwälzung auf den Kon sumenten möglichst gesichert ist und die Verteuerung durch Zwischenspesen soviel als möglich vermieden wird. Für den Konsumenten besteht dabei der Vorteil einer Selbst einschätzung nach dem Grade seiner Leistungsfähigkeit, die er selbst am besten kennen muß. Darin liegt zugleich die beste Kautel gegen einen etwaigen erheblichen Rückgang des Konsums. Er braucht aber nicht einmal eine geringere Sorte zu rauchen, wenn er die Verteuerung seiner ge wohnten nicht auf sich nehmen will. Produktion und Handel werden ihm entaegenkommen, so daß er z. B. mittelst eines kaum merkbar verkleinerten Formats sich leicht mit der Steuer abfinden kann. Er kann aber auch zu gleichem Preise eine um den Betrag der Steuer billigere Mischung vorziehen. Wahrscheinlicher ist freilich, daß ganz überwiegend die Verteuerung in den Kauf ge nommen werden wird. Und sie kann das auch bei der ge stiegenen Wohlhabenheit. Eine völlige Umwälzung und rück läufige Entwickelung der Tabaksindustrie ist von einer Ver teuerung der etwa 85 Proz. des ganzen Konsums ausmachen den Mittelstandszigarre um einen Pfennig nicht zu befürch ten. Nach privaten Erhebungen eines Mitgliedes der badischen ersten Kammer, des Geh. Kommerzienrates Koelle, werden im Reich täglich für eine Mill. M. Zigarren ge raucht, also für 365 Mill. M. im Jahre. Ein Volk, das sich solchen Luxus gestattet, wird wegen des einen Pfennig Steuer nicht zu verzweifelten Maßregeln — vom Raucherstandpunkte aus — greifen, wie zum Pfälzer oder Ukermarker Tabak statt des überseeischen oder gar zur Entsagung des Genusses. Bei den Preis steigerungen der Lebensmittel in den letzten Jahren sind ganz andere Verteuerungen hingenommen worden, speziell auch bei entbehrlichen Genußmitteln. Ein Rückgang der leinen Betriebe oder eine Entlassung oder Lohn herabsetzung von Zigarrenarbeitern ist daher so wenig zu befürchten wie sie bei Einführung der Gewichtsteuer an Stelle der Flächensteuer im Jahre 1879 eingetreten ist. Die Zahl der Betriebe hat sich nach amtlicher Statistik von 1875 bis 1895 verdoppelt, die der Arbeiter um fast die Hälfte vermehrt, entsprechend der Zunahme des Konsums. Die ganze Entwickelung der Produktion wie der Konsum tion drängt geradezu zu gerechterer und stärkerer steuer licher Erfassung der Zigarre. Das Spiritusmonopol-Projekt hat bisher für sich, daß die Spiritusinteressenten sich mit ihm abfinden zu können erklärt haben. Wie sehr der Branntwein bei uns an steuerlicher Ergiebigkeit zurücksteht, wurde schon dargetan. Dabei steht Deutschland im Branntweinkonsum nahezu an der Spitze aller Länder. Wenn eine schärfere Besteuerung eine Zurückdrängung der Volksvergiftung, die der Branntweingenuß darstellt, zur Folge hätte, so würde dieser Erfolg selbst mit einigem Zurückbleiben des wirklichen hinter dem geschätzten Mehrertrage noch billig erkauft sein. Für das jetzige uneinheitliche, zerstückelte und willkürliche Flickwerksystem der Branntweinbesteuerung bedeutet die in der Monopolform liegende Vereinfachet jedenfalls eine wahre Erlösung. Zudem hat das au diesem Gebiete bestehende Privatmonopol dem Reichs monopol bereits den Weg geebnet. Als eine Ausgleichssteuer gegenüber der Besteuerung des Massenkonsums bezeichnet vr. Köppe die Erweiterunt der Erbschaftssteuer durch Einbeziehung der Ab kömmlinge und Ehegatten und eine Reform des Jntestat erbrechts. Die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf die Abkömmlinge und Ehegatten unterliegt zwar seiner Ansicht nach nicht zu unterschätzenden Bedenken, die sich niemals werden völlig beseitigen lassen. Man mag sie aber aus Überzeugung vertreten oder bekämpfen — sicher ist, daß sie in der gegenwärtigen Lage der einzige Ausweg aus zwei großen Schwierigkeiten ist: der gerechten Ergänzung der neuen Mehrbelastung des Massenverbrauchs, ohne sich auf direkte Reichssteuern (im eigentlichen Sinne) da bei einlassen zu können, und ferner der Notwendigkeit, den von dieser Mehrbelastung nur halb gefüllten Reichs- beutel ganz zu füllen. Dieser Ausweg hat den unüber treffbaren praktischen Vorzug, daß das Reich bereits die Hand auf der Erbschaftssteuer hat und es nur noch eines weiteren gesetzgeberischen Schritte- nach derselben Richtung bedarf, um die Steuer in ihrem ganzen Umfange den Reichsinteresse dienstbar zu machen. Wenn es brennt und Wasser zur Stelle ist, wird man solches nicht von weiter herholen. Nur führt dieser Weg allein noch nicht zum Ziele jenes gerechten Ausgleichs und zugleich der vollen Deckung der halben Milliarde Mehrbedarf Das in beiden Hinsichten Fehlende wird aber unschwer aufgebracht werden, wenn die Regierung sich entschließen ollte, der von Justizrat Bamberger in Aschersleben uerst gegebenen und im Reichstage von den verschieden- ten Seiten sehr beifällig aufgenommenen Anregung zur Ausschließung des Jntestaterbrechts entfernten Seitenverwandten zugunsten des Reichsfiskus Folge zu geben. Freilich nicht so weit, daß nur die Pflichtteils- rerechtigten noch »d int«st»to erben würden, wohl aberdahin, daß entferntere Verwandte als Geschwisterkinder nur kraft Testaments zur Erbfolge gelangen können. Das schranken- ose Jntestaterbrecht verdankt seine Entstehung der starren Konsequenz der römischen Rechtslogik, seine Fortdauer >is aus den heutigen Tag dem großen Gesetze der Träg heit, dessen Wirken auf Gesetz und Rechte Goethe im .Faust" so herrlich formuliert hat. Dem alten deutschen Rechte ist die römische Auffassung fremd. Für die Gegenwart weist Bamberger auf Österreich hin, wo die Erbfolge mit der sechsten Parentel, auf den vocko oivil, wo sie mit dem zwölften Grad, und auf Mexiko und einige andere amerikanischen Staaten, wo fie noch früher zugunsten des Staates abschließt. Den maßvollen Dar legungen Bambergers kann im ganzen durchaus zu gestimmt werden. Der römische Standpunkt des Bürger- lichen Gesetzbuchs ist im Entwürfe seines erbrechtlichen Teiles im wesentlichen nur mit der Blutsverwandtschaft motiviert worden. Aber diese verdünnt sich mit dem der Zahl nach zunehmenden Grade der Verwandtschaft ganz außerordentlich und ist schließlich oft kaum noch fest stellbar. Der Familienzusammenhang schrumpft mehr und mehr zusammen und umfaßt gegenwärtig fast nur noch die auf- und absteigende Linie, kaum noch die erwachsenen Geschwister. Die Familie, die sittliche Grundlage des Jntestaterbrechts, ist ein engerer Begriff geworden. Die Unrast des modernen Lebens löst den Zusammenhang der Familienglieder in der Seitenlinie rasch auf, und mit der räumlichen Trennung lockern sich die Bande des Familienlebens und Famlliensinnes. Der einzelne findet größeren oder geringeren Ersatz in der Berufsgemein- schast, im reichgestalteten Vereinsleben, in Freundschaften, in Organisationen sozialer Selbsthilfe. Hn Fällen not wendig werdender Unterstützung treten immer häufiger und wirkungsvoller Gemeinde, Staat, Reich und die von ihnen dafür geschaffenen Verbände statt der früheren ver wandtschaftlichen Hilfe ein. Das unbegrenzte Erbrecht ist ein Recht, das innerlich morsch und unhaltbar ge worden ist, deshalb kann unbedenklich zugunsten des Reiches damit aufgeräumt werden. Am Schluß seiner Ausführungen tut vr. Köppe sehr interessante Ausblicke in die Zukunft. Die Steuerprojette der Regierung erschöpfen die Re servoirs der Besteuerung keineswegs. Der Ausdehnungs- fähigkeit des Reichsbedarfs gegenüber bestehen glücklicher weise noch Quellen, die noch nicht angerührt sind. Es ist aber von Wichtigkeit, sich des Vorhandenseins solcher Reserven bewußt zu sein, um nicht den Gedanken auf kommen zu lassen, als ob das Reich mit der bevorstehen den Eiunahmenvermehrung am Ende seiner finanziellen Kräfte angelangt sei. Nur einige wenige Hinweise können hier gemacht werden: Welche gewaltigen Summen werden in unserer Volkswirtschaft einerseits verschleudert, ander seits mühelos erworben, ohne den Bedürfnissen des Reiches auch nur um einen Pfennig dienstbar gemacht zu werden. Wie viele Millionen werden wohl jährlich nn Reiche ausgegeben für eine geschäftliche Reklame, die, zum mindesten in ihren vielfachen Übertreibungen und oft grotesken und widerlichen Auswüchsen, volks wirtschaftlich betrachtet, größtenteils eine Vergeudung darstellt, von der sehr wohl ein Teil für das Reich nutzbar gemacht werden könnte. Auf der entgegengesetzten, der Einnahmenseite, ist die Auf häufung großer, mühelos erworbener Reichtümer, von denen die Besteuerung sich geradezu ängstlich fern hält, schon längst eine Massenerscheinung des wirtschaft lichen Lebens geworden. Aus der Steigerung der städtischen Bodenrente werden alljährlich viele Hunderte von Millionen, mit oder ohne Hilfe der Spekulation, von einzelnen oder mittelst assoziierten Kapitals, ohne jede Aufwendung von Arbeit als Gewinn gezogen. Hier empfiehlt vr. Köppe die Wertzuwachssteuer, die er die gerechteste und sozialste aller Steuern nennt. Für wünschenswert hält der Verfasser schließlich das Fott- schreiten auf dem mit der Spiritusmonopolvorlage ein geschlagenen Wege der Reichsmonopole. Daß dies dereinst geschehen wird, ist durchaus nicht so unwahr scheinlich, wie es jetzt scheinen mag. Die unermüdlichen Deklamationen gegen das Prinzip der Monopole brauchen am wenigsten daran irrezumachen. Das Monopol hat Vorzüge und Schattenseiten, ist aber nicht der Schrecken aller Schrecken, als den man es vielfach hinzustellcn be liebt. Bei weiterem Anziehen einerseits der Reichsstcuer- schraube, anderseits der Privatmonopolschraube kann man in der Wandlung der Ansichten über die Zweckmäßigkeit eigener, die Steuerzahler entlastender Reichsbetriebe noch weit größere Wunder erleben als mit dem Umschwung der Meinung über das Spiritusmonopol, dessen Ein führung und gute Bewährung schrittmachend wirken würde. Diese Hinweise auf Zukunftsmöglichkeiten können bei dem scharfen Tempo unserer volkswirtschaftlichen Ent wickelung weit früher Bedeutung erlangen, als man zur zeit etwa annehmen möchte. Wie es damit aber auch immer bestellt sein möge, die gegenwärtige Lage fordert vor allem die Erfassung der Reichsfinanz reform als einer großen nationalen Frage und eine in diesem Bewußtsein mit aufrichtiger Hingebung geleistete Mitarbeit aller zu ihrer Lösung berufenen Telle. Eine Politik tut hier not von einer Weite des Gesichts kreises, wie sie den Begründern Ker Reichseinheit eigen war, die eine große nationale Aufgabe auch mit dem nationalen Augenmaße erfaßten, sie in der ganzen Fülle ihrer Bedeutung, ihres Zusammenhangs mit den Lebensbedingungen des Volkes und unter dem Ausblick auf den Bahnen einer übersehbaren Zukunft begriffen und in Angriff nahmen. Am Vorabend der neuesten und umfassendsten Reichsfinanzreform kann daher der gesetz geberischen Behandlung der Regierungsvorlagen kein besserer Wunsch mit auf den Weg gegeben werden als der, daß ein starker Hauch des Geistes aus der großen Zeit der Reicksgründung zu spüren sein möge an den I Stätten, wo ihr Schicksal sich entscheidet.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)