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Dresdner Journal : 29.11.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190711290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19071129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19071129
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-11
- Tag 1907-11-29
-
Monat
1907-11
-
Jahr
1907
- Titel
- Dresdner Journal : 29.11.1907
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Verbündeten Regierungen ein Schiff nicht früher zum Ersatz Vor schlägen könne, als bis die Lebensdauer nach dein Gesetz verstrichen sei und verlange, das; ein Schiff, wenn eS den Anforderungen nicht mehr entsprecht, zum Ersatz vorgeschlagen würde TieseS Verfahren sei das ideale, cs sei nur schade, daß es unermeßliche Summen teste und auch andere Nachteile im Gefolge hätte, es sei leider in praxi nicht brauchbar. Jeder Staatssekretär des RcichSmarincamtS müsse das selbst am meisten bedauern. Ein anderer Weg sei der, den die Verbündeten Regierungen gingen, indem sie an dem wohlüberlegten, festgefügten Organifntions- und Entwickelungsplan unserer Flotte fest hielten, nur durch Verkürzung der Lebensdauer die wirkliche Lebens dauer aus diejenige Grenze zu bringen, welche von Anfang an beabsichtigt gewesen sei. Er könne die Versicherung geben, daß die Regierung mit der Vorlage an der untersten Grenze geblieben sei Nichts zeige, daß der rasche Entwickelungsgang in der Marine in Zukunft sich verlangsamen werde, so daß man überzeugt sein könne, dasjenige Schiff, das heute gebaut werde, werde nach 25 Jahren gerade so veraltet sein, wie die Schiffe aus den achtziger Jahren es heute seien. Niemand brauche zu befürchten, daß mit der Vorlage zuviel bewilligt werde. Er bitte, das Flottengcsetz, um das uns so viele andere Nationen beneideten, auf der Höbe zu halten. Abg. vr. Spahn (Z) führt aus: Die heutige Rede des Staatssekretärs habe ganz anders geklungen, als nach den letzljährigen Exposes zu erwarten gewesen wäre. Damals habe er gehofft, die Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen, und heute fei auch der schwärzeste im Hause (Große Heiterkeit) nicht in der Lage, einen Ausweg zu finden. Jetzt, wo die Schuldentilgung beginnen sollte, höre das HauS, daß es wieder nichts damit fei Seine Partei werde am Prinzip festhalten, nur Aus gaben zu bewilligen, wenn für eine Deckung gesorgt sei DaS Zentrum werde nur für solche Steuern zu haben sein, durch welche die minderbemittelten Klassen nicht betroffen würden. DaS Zentrum sei stets ein Gegner aller Monopole gewesen, inS besondere halte eS ein Branntweinmonopol für Deutschland für durchaus ungeeignet; ebenso bekämpfe es Reichsvcrmögens- und Reichscinkommensleucrn aus verfassungsmäßigen Gründen Was das Flottengcsetz anlange, so habe der Reichstag mit der Bewilligung der Verbreiterung des Nordostseekanals bereits zu erkennen gegeben, daß er mit der Vergrößerung unseres Kriegsschifflyps einverstanden sei. Tie Herabsetzung der Lebensdauer der Schiffe bedürfe aber gründ licher Besprechung in der Kommission. Im Zusammenhänge mit der Kricgstechnik gedenkt der Redner der außerordentlichen Erfolge des Grafen Zeppelin, aus die Deutschland sich etwas zugute tun könne Weiter hin begrüßt er den Kaiserbesuch in England, den man in Deutschland mit Beruhigung und Freude gesehen habe Die Vertretung Deutsch lands auf der Friedenskonferenz durch Freiherrn von Marschall sei eine gute gewesen Die auswärtige Politik müsse für jedes Mitglied des Reichstags die Hauptaufgabe sein. Von dem österreichisch-unga rischen Ausgleich hoffe er, daß das bundesgenössische Gefühl zum Deutschen Reiche auch aus der Bevölkerung heraus zunehmen werde. Der Tätigkeit deS verstorbenen Großherzogs von Baden gebühre Tank. Die Enteignungsvorlage für die östlichen Provinzen sei von Interesse nicht nur für Preußen, sondern auch für das Reich, seine Partei könne sie als ein Gesetz wider die bürgerliche Freiheit nicht billigen Dem Nachfolger des Grafen Posadowsky bringe seine Partei volles Vertrauen entgegen. Die Vorkommnisse innerhalb und außerhalb der Kasernen des Garderegiments, wie sie im Prozeß Moltke Harden zutage getreten seien, mahnten an Vorgänge im alten heidnischen Rom. Bedauerlich sei, daß die kompromittierten Offiziere mit Pension entlassen worden seien. Was das Verhältnis der Konfessionen betreffe, so sei vom Kaiser gcs 'gt worden, Angehörige beider Konfessionen feien ihm angenehm zur Mitarbeit, wie stehe es da mit dem Jefuitcngefctz? Zur Mitarbeit sei das Zentrum bereit. (Beifall im Zentrum) Abg. Frhr. v. Richthofen (kons.) gibt namens seiner Partei eine Erklärung, worin es heißt, daß seine Partei fest entschlossen sei, gegen jede direkte Rcichssteuer zu stimmen. Mit Genugtuung nehme seine Partei den Plan für Erschließung weiterer Einnahmequellen aus und erwarte die Vorlage der Regierung. Ohne stärkere Heranziehung von Getränken und des Tabaks werde es nicht abgeh^n. Einem Branntweinmonopol stehe seine Partei nicht gerade inmpathisch gegen über. Für eine Tabaksteuer werde sie zu haben sein, vorausgesetzt, doß die Tabaksindustrie und die Tabakarbeiter nicht geschädigt würden. Einer Zuckcrsteuer stimme er zu Zur auswärtigen Politik habe seine Partei volles Vertrauen, daß sie nach dem Bismarckschen Prinzip: ,,Wir lausen niemand nach/' auch in Zukunft behandelt werde Was die bedauerlichen Vorkommnisse des letzten Sommers betreffe, so verlange er, daß Verfehlungen, wie sie im Moltkeprozeß bekannt gc worden seien, ohne Ansehen der Person bei Armee und Zivil streng verfolgt würden. Dem Grundgedanken des Flottcngesetzcs stehe er sympathisch gegenüber. Hierauf ergreift Reichskanzler Fürst Bülow das Wort und sührt aus: „Ich wollte erst im Laufe der Debatte das Wort ergreifen Die Abwesen heit des Kricgsministers zwingt mich aber, gegen die Art und Weise, wie der Abg. Spahn über den Moltke-Harden-Prozeß und über die Zustände in der Armee sich geäußert hat, Stellung zu nehmen Insbesondere dagegen, daß er von einer Verseuchung ganzerKavallerieregimente rund von Besorgnissen sprach, welche die Eltern haben müßten, wenn sie ihre Söhne zu diesen Regimentern schickten. ES handelt sich hier um unerwiesene Behauptungen, die ohne Beweis nicht in diesem hohen Hause widerbolt werden sollten (Lebhafte Zustimmung) Ich weise den Vorwurf in dieser Allgemein heit entschieden zurück Lebhaftes Bravo!) Soweit im Prozeß Moltke-Harden sittliche Berfehlungeen einzelner glaubhaft gemacht worden sind, haben sie auch mich mit Ekel und Scham erfüllt, und ich zweifle keinen Augenblick daran, daß von unserer Militär verwaltung alles geschehen wird, solche Greuel kerro et i^ni auszurotten. Aber ich wende mich gegen die Ausfassung, als ob das deutsche Volk und das deut sche Heer in ihrem innersten Kern nicht vollkommen ge sund wären. So wie es niemand gibt, der an dem sitt lichen Ernst unseres Kaiserpaars zweifelt, das in seinem Familienleben dem ganzen Lande ein schönes Vorbild gibt, so ist auch daS deutsche Volk kein Sodom, und in der deutschen Armee herrschen nicht Zustände, wie im sinkenden römischen Kaiserreiche. Und Sie können sich daraus verlassen, daß gerade unser Kaiser mit scharfem Besen alles auSfegen wird, was nicht zur Rein heit Seines Wesens und Seines Hauses paßt. (Lebhafte» Bravo!) Aus den Verfehlungen einzelner Mitglieder der oberen Gesellschaftsklassen auf eine Korruption deS Adels und aus eine Verseuchung der Armee zu schließen, ist ungerecht und töricht, wie alle einseitigen und ten denziösen Verallgemeinerungen. In allen Berufsständen, in allen Kreisen kommen unwürdige Elemente vor. Überall gibt eS einzelne, di/ ihrem Beruf, ihrem Stand zur Unehre gereichen. (Sehr wahr! recht» ) Nur wenn die Ge sellschaft solcheZustände wissentlich duldet, wenn sie nicht sich selbst reinigt, macht sie sich einer Mitschuld schuldig. Gott sei Dank, stehen aber unser Adel, unser Bürgertum, unsere militärischen Kreise, wie unsere bürgerlichen Berufe so ehrenwert da, daß die Ausschreitungen ein zelner sie nicht beschmutzen können. Der Abg Spahn schien sich darüber zu wundern, daß die Vorgänge nicht früher zur Kennt nis der obersten Stelle gebracht wurden. Ich glaube, daß unsere militärischen Instanzen in dieser Beziehung kein Borwurf trifft, daß sie sich kein Veisehen, keine Nachlässigkeit haben zuschulden kommen lasten Wenn aber gefragt worden ist, warum der Reichskanzler nicht früher den Kaiser informierte, so erwidere ich, daß mir etwas Tatsächliches oder auch nur Greifbares erst im Frühjahr diese» Jahres zur Kenntnis gebracht wurde Man bat gesagt, warum dem Kaiser nicht wenigsten- die Artikel der Zukunft vorgelegt worden feien. Das zu tun war der dem Tyrone nächststehende hohe Herr wohl berechtigt. Der Kronprinz erfüllte einen Akt brr Pietät gegen seinen Herrn Vater Er handelte im Interesse des Landes, al- er die Aufmerk samkeit seines Herrn Vater» auf diese Angriffe lenkte Seine Hand lung war keine offizielle, kein Staatsakt. Ein verantwortlicher Minister befindet sich aber in einer anderen Lage. Er kann so schwer wiegende Anschuldigungen nur erheben, wenn er gleichzeitig Beweise vorlegen kann Was wird in unserer Zeit nicht alles geklatscht und gelogen. (Sehr richtig!) Bin ich nicht selbst der Gegenstand unwürdiger Verdächtigungen, sinnloser Verleumdungen gewesen- (Lebhafte Rufe: Sehr wahr!) Auf bloße Be schuldigungen hin konnte der Reichskanzler nicht einschreiten. Als mir der Kaiser zum erstenmal von der Angelegenheit sprach, sagte ich, Er dürfe jetzt weder rechts noch links sehen, sondern müsse nur daran denken, den Schild deS eigenen Hauses und der Armee rein zu halten. DaS war dem Kaiser aus der Seele ge sprochen (Lebhaftes Bravol) Ich komme nun zu dem Thema Kamarilla Da möchte ich mich zunächst gegen den Versuch de» Abg. Spahn wenden, mir eine in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" erschienene Notiz in dem Sinne anzuhängen, als ob durch dieses Entrcfilet daS Thema erst allgemeine Beachtung gefunden hätte Ich sagte im vorigen Jahre, Kamarilla ist kein deutsches Wort; Kama rilla ist «ine fremde Giftpflanze, und man hat nie versucht, diese Giftpflanze in Deutschland einzupsianzen, ohne großen Schaden für Fürsten und Volk. Man hat mir ja mehrmals Äußerungen in den Mund gelegt, die ich niemals getan habe, und nur um nicht in den Augen tausend gebildeter Leser im Lichte der Unkenntnis historischer Vorgänge dazustehen, habe ich die Notiz in der „Norddeutschen All gemeinen Zeitung" bringen lassen. WaS nun die Gegenwart angeht, so kann ich nur wiederholen, was ich vor einem Jahre sagte, näm lich, daß ich es für unbillig und ungerecht halte, von einem Ring unverantwortlicher Ratgeber um den Kaiser zu sprechen. Ver suche einzelner, Einfluß zu gewinnen, kommen überall vor. AlS der Kaiser vor einigen Jahren den Leiter der Hamburg Amerika-Linie Ballin einige Male bei sich sah, sprach man von einer Ballin-Kama rilla. Wie aber muß ein Monarch beschaffen sein, unter dem eine Kamarilla sich entwickeln und Einfluß gewinnen kann, denn eine ein flußlose Kamarilla ist überhaupt keine Kamarilla. Die erste Voraus setzung für daS Gedeihen dieser Giftpflanze ist Abgeschlosiensein und Unselbständigkeit des Monarchen Man hat dem Kaiser manchen Borwurf gemacht, aber daß er sich abschlösse im Verkehr und daß er keinen eigenen Willen hätte, ist ihm meines Wissens noch niemals vorgeworsen worden. Also ich denke, es ist an der Zeit, dieses Gerede, Geraune und Geflüstert über eine Kama rilla nun endlich einzustellen (Sehr gut!) Wersen wir dieses Wort dahin, wo cs hingehört, nämlich in die Ver gangenheit." Der Reichskanzler tritt sodann den in der Zentrums- prcsse ausgetretenen Behauptungen entgegen, als ob die Reichstags auflösung erfolgt sei, um den Reichskanzler gegen persönliche An griffe und Intrigen zu schützen, und fährt fort: „Die Auflösung des Reichstags hat mit Kamarilla und Intrigen nicht das allermindeste zu tun Ich habe den Verbündeten Re gierungen die Auflösung deS Reichstags vorgeschlagen, weil die Zentrumspartei, nachdem sie durch Verwerfung des Reichskolonialamts, durch die Einmischung in innere Beamtenverhältnisse der Kolonien, durch den Vorstoß deS Abgeordneten Roeren gegen den neuen Kolonial direktor (Unruhe im Zentrum) die Geduld der Regierung aus eine harte Probe gestellt hatte und weil die Zentrums pariei nach allen diesen Vorgängen am 13. Dezember der Regierung in einer nationalen Frage eigensinnig ihre Macht fühlen lassen wollte (Stürmischer Widerspruch im Zentrum, lebhafter Beifall recht- und links ) Ein Reichskanzler, der vor diesem Antrag zurückgewichen wäre, sich diesem Vorgehen unterworfen hätte, hätte nicht nur daS Vertrauen der Verbündeten Regierungen, sondern die Ehre und die Reputation verloren. (Lebhhastes Bravo! rechts und links, Zischen in der Mitte) Abg Bassermann (nl.): Henie sei das Verständnis für die Notwendigkeit einer starken Kreuzerflotte und Auslandsflotte Gemein gut der Nation geworden Ohne eine solche Flotte würden wir zu einer Nation zweiten Ranges herabsinken Der Herabsetzung der Lebensdauer unserer Schiffe stimme seine Partei zu. Im Mililär- etat begrüße er die Einführung praktischer neuer Uniformen Die Verdienste des Grasen Zeppelin würdige er durchaus. Das Defizit in den Finanzen sei bedauerlich. Der Reform der Branntwein besteuerung näherzutrcten, sei seine Partei bereit. Eine Zigarren- banderolensteuer halte sie nicht für angebracht, ebensowenig eine Biersteuer Tie Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Deszendenten und Ehegatten habe keine große Sympathie gesunden Bedenklich sei auch die Reichseinkommensteuer Empfehlenswert sei aber die Vermögenssteuer. Ohne Einführung direkter Reichssteuern könne er nicht in eine Verminderung der Matrikularbeiträge willigen Charak teristisch sei es, daß die Marokkosrage jetzt so ruhig behandelt werde. Die Friedenskonferenz sei befriedigend verlaufen, wofür dem deutschen Vertreter besonderer Dank gebühre. Er freue sich, daß in der bisherigen Sozialpolitik auch nach Rücktritt des Grafen Posadowsky keine Änderung eintreten solle. Verschiedene Gesetzent würfe würden in dieser Hinsicht jetzt wohl zustande kommen Ein Fortschritt sei aus dem Berliner Arbeiterkongreß zutage getreten, da die Hirsch-Dunckerschen und christlich-organisierten Arbeiter sich zu sammenscharten Mit Ekel und Abscheu erfüllte daS Volk manches, was bei dem Moltke-Prozeß laut geworden sei. Tas Militärkabinett hätte dem Kaiser Mitteilung machen müssen von den Verfehlungen der Offiziere. Wo seien die Generaladjutanten und das Hauptquartier gewesen, oder hätten sie nichts davon gewußt ? Habe das Gesetz vor einzelnen Personen Halt gemacht? Weshalb sei der frühere Eskadron chef der Leibeskadron nicht kriegS- oder ehrengerichtlich verfolgt wor den? Dazu seien die Pensionsgehälter doch nicht da, daß man sie Verbrechern gebe. (Sehr richtig!) Unerklärlich sänke er eS, daß der Reichsanwalt gegen den Rechtsanwalt Liebknecht Zuchthausstrafe beantragt habe Er sei sehr dafür, daß man den Sozialdemokraten bei ihrer gefährlichen Spielerei mit dem Antimilitarismus etwas auf die Finger klopfe (Sehr gut!), ehrlo» gehandelt habe aber Liebknecht nicht, wenn er sich auch verrannt habe. Ebenso fände er es uner klärlich, daß gegen den Obersten Gaedke, der jahrelang des Königs Rock getragen habe und Regimentskommandeur gewesen sei, eine Freiheitsstrafe beantragt worden sei. (Sehr gut! bei den National liberalen) Notwendig erachte er die Einbringung einer Vorlage über Zeugniszwang der Presse und über Jugendgerichte. (Beifall.) Darauf tritt Vertagung ein. Persönlich wendet sich Abg. vr. Spahn (Z.) gegen die Aus führungen des Reichskanzlers. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr Tagesordnung: Fortsetzung und dritte Lesung deS Versicherungsvertrags mit den Niederlanden. Schluß nach '^7 Uhr. Wie der „Berl. Lokalanz" meldet, wurde bei der heutigen Reich Staarersatzwahl für den verstorbenen Abg Dasbach in Trierder Zentrumskandidat Erbprinz von Löwenstein mit großer Mehrheit gewählt. Aus vcm badischen Landtage. (W T «) Karlsruhe, 28. November. Zu Beginn der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer widmete Präsident Fehren bach dem verstorbenen Großherzog einen tief empfundenen Nachruf und drückte dem neuen Großherzog daS Gelöbnis der Treue aus Sodann entwickelte Finanzminister Honsel die Lage der badischen Finanzen und führte aus: Die Finanzlage befinde sich seit dem Jahre 1903 in aufsteigender Linie. Im Jahre 1906 habe der Einnahme-Uberschuß im ordentlichen Etat 5 900 0(X) M. betragen und habe zur Be streitung der außerordentlichen Ausgaben nicht nur völlig auS- gereicht, sondern eS hätten davon noch 900000 M zur Ver mehrung des Betriebsfonds verwendet werden können. Ver ¬ schlechtert werde daß Bild durch die finanzielle Notlage des Reiches, und es fei notwendig, daß das Reich endlich finanziell auf eigene Füße gestellt werde Baden sei durch da» Reich infolge der gestundeten Matrikularbeiträge, durch die Erhöhung de« BierfteuerauSgleichS und durch die Einführung der Reich». erbschaftSsteuer ohnedies belastet Durch die beiden letzteren Tatsachen werde der badische Haushalt dauernd von 1910 ab mit etwa 2 Mill M jährlich mehr belastet Die Ausgaben deS Eisenbahnbetriebs seien zu 78.52 Mill M, die Einnahmen zu 106,16 Mill M veranschlagt, so daß ein Uberschuß von 27,64 Mill. M verbleibe. Die ordentlichen Ausgaben seien im Budget für 1908 09 mit jährlich 85 853 193 M vorgesehen, die Einnahmen mit 87 877 711 M Somit betrage der ordent liche Einnahmenüberschuß für die beiden Jahre zusammen 4 049 036 M. — Die außerordentlichen Ausqiben für 1908/09 betrügen 11 763 555 M, die außerordentlichen Einnahmen 1602 320 M, somit der Überschuß der außerordentlichen Aus gaben 10161235 M. Für die Budgetperiode ergebe sich also ein Fehlbetrag von 6112199 M Koloniales. (W. T. B.) Berlin, 28. November. Kaiserliche Marine. Der auSreisende Ablösungstransport für S M S „Planet" ist mit dem Reichspostdampfer „?)orck" am 27. November in Pe nang (Halbinsel Malacca) eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nach Singapore fortgesetzt. Der auSreisende Ablösungstransport für da« Kreuzergeschwader (FähnrichstranS- port) ist mit dem RcichSpostdampfer „Prinzregent Luitpold" am 28. November in Schanghai eingetroffen S M Flußkbt. „Vorwärts" ist am 27 November in Kiukiang (Aangtse) ein- getlvffen und am 28. November von dort nach Hankau ab- geganqen. S. M Flußkbt „Vaterland" ist am 28. November in Tschungking (Aangtse) eingetroffen. S. M S „Jaguar" ist am 28. November in Tschingkiang (Uangtse) eingetroffen und geht am 30 November von dort nach Nanking ab. S M SS. „Undine" und „Rhein" sind am 25 November von Kiel in See gegangen und am 26 November in Cuxhaven eingctroffen. S. M S „Undine" ist an demselben Tage wieder in See gegangen. Auslau-. Dienstantritt Ves neuen Deutschen Botschafters in Wien. (W. T B) Wien, 28. November. Der Kaiser empfing heute mittag den neuernannten Deutschen Botschafter v. Tschirschky und Bögendorff im Schönbrunner Schlöffe in feierlicher Audienz und nahm sein Beglaubigungsschreiben entgegen. Aus dem österreichischen Abgeordnetenftause. (W. T. B.) Wien, 28. November Die Regierung unterbreitete das Quotengesetz gemäß dem übereinstimmenden Beschluß der beiderseitigen Quotendeputationen und ein Gesetz betreffend die Besteuerung von Kraftfahrzeugen. Unter dem Ein laufe befinden sich die Dringlichkeitsanträge Chiari und Gen betreffend die erste Lesung de« Budgets sowie der Ausgleichs- Vorlagen. Für diese wird dem Ausschuß eine achttägige Frist zur Berichterstattung gestellt Die Abgg. Stransky, Choc und Jro protestieren gegen die Versuche, die AvSgleichSvorlagen auf dem Dringlichkeitswege zu verhandeln, ehe der Bericht des Ausschußes vorlieat Sie bezeichnen diesen Vorgang als einen Bruch der Geschäftsordnung. De: Präsident erklärt den An trag für vollkommen geschäftSordnung«gemäß. Alsdann werden die Beratungen über die Dringlichkeitsanträge be treffend die Lebensmittelverteuerung fortgesetzt. Sie beginnen mit tatsächlichen Berichtigungen, wozu bisher sechzehn Redner eingetragen sind Nach 18 tatsächlichen Berichtigungen nimmt das HauS namentliche Abstimmung über den Dringlich keitsantrag Schrammel vor. 207 Stimmen sind für, 193 gegen die Dringlichkeit, die mangels der erforderlichen Zwei- drrttelmajorität abgelehnt erscheint DaS Abstimmungsergebnis wird von den Sozialdemokraten mit andauernden stürmischen Pfuirufen, von den Christlichsozialen mit Beifallsklatschen aus genommen. Die Proteste der Sozialdemokraten dauern längere Zeit. Die stark besetzte Galerie mischt sich in die Kundgebungen ein Ununterbrochen hört man beleidigende Zurufe gegen die Ab geordneten, die gegen die Dringlichkeit gestimmt haben; man sieht drohend geballte Fäuste. Der Präsident, der inmitten des andauernden Lärm« sich nicht verständlich machen kann, veranlaßt die Räumung der Galerie, die sich nur langsam voll zieht Die Galeriebesucher schreien ununterbrochen. Im Saale herrscht große Erregung über die Einmischung der Galerie. Wiederholt kommt es zu Zusammenstößen zwischen Abgeord neten beider Lager, die zu Tätlichkeiten auszuarten drohen Es gelingt jedoch den besonnenen Elementen, dieselben zu ver hindern. Nach mehr als einviertelstündigem ununterbrochenem Lärm wird der Dringlichkeitsantrag Schrammel abgelehnt. Die Verhandlungen werden hierauf abgebrochen. Im Eintaufe be finden sich 37 neue Dringlichkeitsanträge. In einer An frage an den Präsidenten verweist Abgeordneter GlombinSki, der Obmann des Polenklubs, auf die im deutschen Reichstage bez. im preußischen Land tage eingebrachten zwei antipolnischen Vorlagen, die in Wirklichkeit als antikulturell bezeichnet werden müßten, und die geeignet seien, die Grundlagen des Rechte« und der inter nationalen Beziehungen im Bewußtsein der Völker zu unter graben. Den Polen solle, so führt er au«, im deutschen Reiche ihr natürliches und verfaßungSmäßig gewährleistete» Recht entzogen werden, sich ir Versammlungen ihrer Sprache zu bedienen, und in den überwiegend polnischen Ländern Preußen« solle die preußische Ansiedelungskommission darüber entscheiden, ob und in welchen Gegenden den Polen ihr Besitz von Grund und Boden samt Zubehör gelaffen werden solle ohne Rücksicht darauf, daß dieselben seit Jahr hunderten in ihrer Urheimat angesiedelt seien. Er könne sich nicht mit dem Gedanken befreunden, daß e« möglich wäre, daß für solche in d<:r Geschichte eines Kulturvolks unerhörten und der gesamten Zivilisation inS Gesicht schlagenden Vorlagen eine Mehrheit der Vertreter des deutschen Volke« zu finden sein werde Er sei überzeugt, daß solche nie dagewesenen Maß nahmen, die zur Ausrottung eine« Volke« führen müßten, dessen Schuld lediglich darin bestehe, daß e« aus seine natür lichen Rechte, seine Sprache, seinen Grund und Boden nicht verzichten könne und dürfe, ihren Zweck verfehlen müßten und zur Erschütterung de« lebendigen Organismus, auch de» deutschen
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