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königlich Säehfisehev Stcrertsanzeigev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 90. —t> Beauftragt mit der verantworttichen Leitung: Hofrat Doengesin Dresden. Mittwoch, 21. April 1909. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 20, sowie durch die deutschen Postanstalten 3 Mart vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktags nachmittags. — Fernsprecher: Expedition Nr. 129b, Redaktion Nr. 4574. Ankündigungen: Die Zeile kl. Schrift der 6malgespalt. Ankündigungsseite 25 Pf., die Zeile größerer Schrift od. deren Raum auf 3mal gesp. Textseite im amtl. Teile 60 Pf., unter dem Redaktionsstrich (Eingesandt) 75 Pf. Preisermäßigg. auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Amtlicher Teil. Dresden, 21. dlpril. Se. Königl. Hoheit der Prinz Max, Herzog zu Sachsen, ist gestern vormittag 11 Uhr 5 Min. von hier wieder abgereist. Die nächste pharmazeutische Vorprüfung findet im Juni dieses Jahres statt. Gesuche um Zulassung sind unter Beifügung der vorgeschriebenen Nachweise spätestens bis zum 15. Mai dieses Jahres von dem betreffenden Lehrherrn hier anzubringen. Bautzen, am 16. April 1909. 130II Königliche Kreishauptmannfchaft. 2766 Die Königliche Kreishauptmannschaft hat dem Schlosser lehrling Paul Richard Dübel in Meißen für die von ihm am 13. Januar 1909 mit Mut und Entschlossenheit bewirkte Rettung eines Küaben vom Tode des Ertrinkens in dem Triebisch-Mühlgraben in Roitzschen eine Geld belohnung bewilligt. 1201III Dresden, am 29. März 1909. 2770 Königliche Kreishauptmannfchaft. Nachdem eine Anzahl Gewerbtreibender die Er richtung einer Buchbinder» ^Zwangs.) Innung für den AmtSgerichtSbezirk Meißen mit dem Sitze in Meißen beantragt hat, ist der Stadtrat vr. Goldfriedrich dort- selbst zur Absetzung des Verfahrens nach 8 100a der Reichsgewerbeordnung als Kommissar ernannt worden. Dresden, am 15. April 1909. 685 »IV Königliche Kreishauptmannfchaft. 2771 Ernennungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. I« Geschäftsbereiche des Mtuisterinm» der Kmauze». Bei der Post-Berwaltung sind ernannt worden: Wirtschaft»« gehilfe Kluge als Postagent in Marbach (Flöhatal); Baumeister Walther als Postagent m Syrau (Vogtl.). (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher TeU. Vom Königlichen Hofe. Dre-den, 21. April. Se. Majestät der Könitz traf, von Zittau zurückkehrend, vormittags hier wieder em. Allerhöchstderselbe erteilte mittag- ^1 Uhr dem Königl. Schwedischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Grafen Taube zur Uber- reichung seines Abberufungsschreibens und anschließend dem K. und K. Österreichisch Ungarischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Prinzen zu Fürstenberg, Durchlaucht, zur Überreichung seines Be glaubigungsschreibens im Beisein des Gey. Legationsrats Kammerherrn v. Stieglitz, als Vertreter des Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, feierliche Audienzen. Eine vor den Allerhöchsten Gemächern aufgetretene Paradewache vom Gardereiterregiment erwies den Herren Gesandten die militärische Ehrenbezeigung. Nach den Audienzen fand eine Königl. Frühstücks tafel statt, zu der die vorgenannten Herren Gesandten, der K. und K. Österreichisch-Ungarische Kämmerer und Sektionsrat Graf Tibor Sz ipary und der Geh. Legations rat Kammerherr v. Stieglitz mit Einladungen ausgezeich net wurden. Beide Gesandte wurden später von Ihren Königl. Hoheiten dem Prinzen und der Frau Prinzessin Johann Georg und der Prinzessin Mathilde im PalaiS auf der Zinzendorsstraße bez. Palais am Taschenberg empfangen. — Ihre Königl. Hoheit die Prinzessin Mathilde wird heute abend der vom Katholischen Frauenbund« Dresden veranstalteten WohltätigkeitSaufsührung im Ka- tholischen Gesellenhause, Käufferstraße 4, beiwohnen. Deutsches Reich. Born Reichstage. Sitzung vom 20. April 1909. Am Bundesratstisch Unterstaatssekretär Wermuth. Präsident Graf Stolberg eröffnete die Sitzung 2 Uhr 5 Min. Auf der Tagesordnung standen 65 Berichte der Petitions- kommission. Zunächst wurden diejenigen Petitionen, zu denen keine Wortmeldungen Vorlagen, den Anträgen der Kommission entsprechend erledigt. Abg. Wölzl (nl.) beantragte, die Petition auf Ab änderung bez. Aufhebung des 8 13 des Zolltarifgesetzes in Verbindung mit einer Petition auf Beschränkung der Ge treideausfuhr als ersten Punkt der Tagesordnung zu verhandeln. Der Antrag wurde angenommen. Abg. Emmel (soz.): Durch die Aufhebung des § 13 des Zolltarifgesetzes, wonach die städtischen Oktrois nur bis zum Jahre 1910 bestehen dürfen, würde genau das Gegenteil dessen, was erstrebt wird, erreicht werden. Die indirekten Steuern würden wesentlich erhöht und die direkten herabgesetzt werden. Ich empfehle daher Übergang zur Tagesordnung. Abg. Wölzl (nl ): Der Grund für den Antrag ist, daß es speziell in Bayern nicht möglich war, eine durchgreifende Steuer reform durchzusetzen und es daher wünschenswert erscheint, die Oktrois noch eine Zeitlang beizubehalten. Die Ansicht, daß nach Beseitigung des Oktrois eine Verbilligung der Lebensmittel ein treten würde, ist durchaus irrig. Der Redner beantragte schließlich, die Jnkrafttretung deS § 13 bis zum 31. Dezember 1914 hinaus zuschieben. Abg. vr. Pfeiffer (Z): Wenn das Erträgnis de» Oktroi überall so bedeutend wäre, wie z. B. in Aachen, wo es 600000 M- beträgt, könnte man einer Verlängerung dieses Zu stands nicht zustimmen. ES handelt sich aber meist um ganz kleine Gemeinden. Abg. vr. Wagner-Sachsen (kons.): In Anbetracht der gegen wärtigen wirtschaftlichen Lage wird die Mehrheit meiner Partei dem Antrag Wölzl zustimmen. Abg. Manz (fr. Bp.) bittet gleichfalls m t Rücksicht auf die bayerischen Gemeinden dem Antrag Wölzl zuzustimmen. Der äußerste Termin aber für das Bestehen des Oktroi müsse das Jahr 1914 bleiben. Abg. Bassermann (nl.): Die Aufhebung des Oktroi war für einen großen TeU meiner Partei die Voraussetzung der Zu stimmung zum neuen Zolltarif. Sie wird auch eine Verbilligung der Lebensmittel br ngen. Ich bitte daher, den Kommissions- antrag auf Übergang zur Tagesordnung bestehen zu lassen. Bayerischer Ministerialrat Strößenreuther: Im Interesse der zahlreichen bedrängten bayerischen Gemeinden möchte ich den Antrag Wölzl dringend empfehlen. Die Städte haben in steigendem Maße Lasten für kulturelle Aufgaben zu tragen, durch welche die Schulden dieser Gemeinden in den letzten Jahrzehnten sich um das Vierfache erhöht haben. Deshalb sollte man bis -um Inkrafttreten der neuen Gemeindesteuern das Oktroi weiter bestehen lassen. Sächsischer Wirkt. Geh. Rat Fischer: DieErhöhung der direkten Steuern würde z. B. für Dresden, wo ein Ausfall von 1^ Mill, gedeckt werden müßte, sehr erheblich sein. Ich kann Ihnen nur die Annahme des Antrags Wölzl empfehlen. Abg. vr. Heinze (nl): Auch in Sachsen steht eine neue Kommunalsteuervrdnung bevor. Bis dahin sollte man da- Oktroi bestehen lassen. Abg. Gothein (frs. Bgg.): Daß die Gemeinden durch da» Zolltarifgesetz in eine außerordentlich ungünstige Lage kommen würden, haben wir im Jahre 1902 bei Beratung des Zolltarifs vorausgesagt. Wer nicht hören will, muß fühlen! Mögen nun die Gemeinden auch die Konsequenzen tragen. Der Z 13 ist der einzige Paragraph de- Zolltarifgesetze-, der unsere Sympathie findet. Die Stadt Breslau ist gegen die Verlängerung de- Oktroi», obwohl sie dadurch einen Ausfall von 2 Mill, erleidet, und in Dresden wird der Hr. Geh. Rat Fischer, wenn er wieder einmal dahin zieht, auch nach der Erhöhung der direkten Steuern noch leben können. (Heiterkeit.) Abg. Werner (Refp): Sämtliche Städte meines Wahl kreise« sind für die Hinausschiebung deS Termins. Vizepräsident vr. Paasche: ES ist ein von 51 Abgeord neten unterschriebener Antrag eingelaufen, über die Petitton und den Antrag Wölzl namentlich abzustimmen. Die Abstimmung wird morgen erfolgen. Abg. Speck (Z): Als Vorbedingung für das Zustande kommen de- Zolltarifs ist der § 13 von meiner Pattei nicht an gesehen worden. In Bayern wird ein Steuer-uschlag von etwa 50 Proz notwendig sein, Grund genug, etwas Entgegenkommen zu zeigen. Geh. Rat Strutz bittet namens der preußischen Kommunal aufsichtsbehörde um Annahme des Antrags Wölzl. Zu dem Steuerzuschlag, der für Potsdam etwa 50 Pro-, betragen würde, wären noch die erheblichen Ausfälle zu rechnen, die da- Kinder privileg in Preußen mit sich bringt. Abg. Pauli-Pot-dam (kons.) erklärte sich gegen den Antrag Wöl-l und für den KommissionSantrag. Wenn die Gemeinden sich in den letzten acht Jahren nicht genügend vorbereiten konnten, wird ihnen die zweyährig« Galgenfrist auch nicht- nützen. Abg. Hildebrand (soz.): Die Annahme de- Antrag- Wölzl würde namentlich die Arbeiter belasten und ein Unrecht gegen die Gemeinden sein, die da» Oktroi bereit» aufgehoben haben. Abg. vr. Lender (Z): Wir sind nicht Opportunität»« sondern prinzipielle Gegner de» s 13, weil er einen Gewaltakt gegenüber der Selbständigkeit der Gemeinden bedeutet. (Beifall und Zischen.) Abg. Gothein (freis. Bgg.) fragt, ob der vunde-rat schon Stellung zu diesen Petittonen genommen habe. (Zuruf: Nein!) Dann ist eine erfreuliche Änderung in der Haltung der Regierung unseren Initiativanträgen und den Petitionen gegenüber zu kon statieren. (Sehr gut! links.) Die bayerische Statistik dürfte nicht ganz einwandfrei sein. Bayerischer Ministerialrat Strößenreuther wies den Vorwurf gegen das bayerische statistische Landesamt zurück. Abg. Stolle (soz.) forderte die Aufhebung der Ausfuhr vergütungen für Getreide, die dem Staat etwa 20 Mill, jährlich kosten. Nach persönlichen Bemerkungen des Sächsischen Bundesrats bevollmächtigten Wirk!. Geh. Rat vr. Fischer gegenüber den Abgg. Stolle und Gothein und einer Replik des Abg. Gothein wurde die Weiterberatung auf Mittwoch 2 Uhr vertagt. Außer dem dritte Lesung des Antrags Brandys betreffend Freiheit der Grundeigentum-, Erwerbs- und Patentgesetzreform. Zur Reichsfinanzreform. (W.T. B.) Berlin, 20. April. Reichskanzler Fürst v. Bülow empfing heute abend Abordnungen aus Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Thüringen und eine Deputation des Bundes der Industriellen, die sich zur Überreichung von Adressen und Reso lutionen in Sachen der Reichsfinanzreform ver einigt hatten. Die Abordnungen versammelten sich um 6 Uhr im Kongreßsaale des Reichskanzlerpalais. Aus Sachsen waren erschienen: Prof. Wuttke-Dresden, Rittergutsbesitzer Kommerzienrat Hermsdorf - Chemnitz, Vorsitzender des nationalliberalen Landesvereins für das Königreich Sachsen Kaufmann Gontard-Leipzig, Schlosser meister Günther Dresden, Amtsrichter Gutmann-Dresden, Oberbürgermeister Käubler-Bautzen, Vorsitzender des Ver bands Sächsischer Industrieller Kommerzienrat L. Bern- hard Lehmann-Dresden, Prof. Lamprecht-Leipzig, Vor sitzender der konservativen Fraktion der Sächsischen Zweiten Ständekammer Bergrat Edler v. Querfurth- Schönheide, Privatus Arnold v. Schwarze - Niederlößnitz, Fabrikbesitzer Übel-Plauen, Rittergutsbesitzer Zeidler- Oberlosa. Der Reichskanzler betrat den Saal in Begleitung des Staatssekretärs des Innern vr. v. Bethmann- Hollweg, des Staatssekretärs des Reichsschatzamts Sydow, des Sächsischen Gesandten Grafen Vitzthum v. Eckstädt, des Unterstaatssekretärs v. Loebell u. a. Nachdem die Deputationen und ihre Sprecher dem Reichskanzler von dem Unterstaatssekretär v. Loebell vor- gestellt worden waren, nahm der Unterstaatssekretär Prof. vr. v. Mayr für die bayerische Abordnung das Wort zu folgender Ansprache: Ew. Durchlaucht bitte ich, den mit zahlreichen Unterschriften Münchner Mitbürger ausgestatteten Ausruf an den Reichstag über die Finanznot de» Reiches überreichen zu dürfen. Ich darf wohl sagen: Wir, die Unterzeichner des Aufrufs aus München, sind auch eine Gruppe von Interessenten, wenn auch eine anders ge artete, als die sonstigen besonderen Jnteressentengruppen. Wir sind Vertreter des allgemeinen nationalen Interesse- an geord neter Haushaltsführung deS Reiches. Als solche sind wir Inter essenten, die keine Organisation haben, die aber die Rot des Augenblicks in patriotischem Empfinden und Pflichtgefühl zu- sammengeführt. Wir vertreten die verschiedensten Stände und Berufe, das Bürgertum im allgemeinen, die Erwerbstätigen, ins besondere in Gewerbe und Handel, die Künstler, die Männer der Wissenschaft und andere Berufe aller Art. Gleichwie für uns, die wir weitaus überwiegend Arbeit-tätige sind, ist auch für die gesamte übrige deutsche Arbeiterwelt die Festigung der Grund«' lagen des öffentlichen Haushalts im Reiche, die allein wirtschaft lich erfolgreiche- Arbeiten gewährleistet, von höchster Bedeutung. So sind wir alle Interessenten an der endlichen Regelung der Haushaltführung deS Reiches, unter dessen mächtigem Schutz und Schirm Deutschlands wirtschaftliches und kulturelles Leben sich glänzend entwickelt hat und auch weiterhin entwickeln soll. Gewiß ist die endgültige Beseitigung der Finanzsorge Aufgabe der Verbündeten Regierungen und der geordneten Volksvertretung; aber da» bedeutet nicht, daß in schweren Zeiten, wenn die Be seitigung dieser Sorge nicht gelingen will, da» Volk selbst im ganzen und in seinen verschiedenen Schichten teilnahmslos beiseite stehen müsse. In Bekundung unserer Sorge und Unruhe und unsere- Sehnens nach endlicher Klärung der Lage sind wir heute erschienen mit unseren Bitten an die Verbündeten Regierungen, die Reichsleitung und den Reichstag. Gebieterisch erheischt die Anerkennung der Staatsnotwendigkeiten sür das Reich die Ord nung der Finanzen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit. Wie die tatsächliche Entwickelung der ganzen Frage sich in Deutschland gestaltet hat, bleibt als der einzig gangbare, als solcher in den weitesten VolkSkreisen mehr und mehr erkannte Weg einer au-giebigen Entwickelung der Verbrauchs- besteuerung, insbesondere der Besteuerung der alko holischen Getränke und des Tabaks, und gleichzeitig der besonderen, gleichfalls ausgiebigen Besteuerung der Besitzenden mittel- der ErbschaftSbesteuerung. Diese hatte Notwendigkeit durchzusetzen, hat schon bisher viel Bemühen verursacht; e» wird auch jetzt noch in der zwölften Stunde hatten Kampf erheischen. Aber dieser Kampf muß durch- aesochten werden — zum Heil des geliebten deutschen Bater- lands. Wir fasten da-, wa» un« !ür de» Reiche» und aller Reich-angehörigen Wohl geboten erscheint, in folgenden Leitsätzen zusammen: