Camille Saint-Saens 3. Konzert für violine und Orchester in h-moll, Op. 61 kann in geschwinden Spielfiguren über die Themen reflektieren und hat nur kurze Pausen, so daß Saint-Saens zu recht eine große Solokadenz für unangebracht hielt. Den Schulregeln entspricht der Kopfsatz auch insofern nicht, als die Reprise mit dem zwei ten, lyrisch singenden Thema ein setzt. Wer die Formgesetze so sou verän beherrschte wie Saint-Saens, konnte sich ungeniert über sie hin wegsetzen, ohne die organisch-logi sche Gestalt in Frage zu stellen. Auf Balance der Gegensätze war der Komponist auch bedacht, wenn er, nach längeren Partien voll intensiver Melodik, in der Coda den Solisten nochmal technisch brillieren läßt. Aus der herben h-moll-Sphäre taucht das Andantino ins milde, weich konturierte Licht der B-dur- Tonalität - ein größerer harmonischer Sprung ist nicht vorstellbar. Die sanft fließende, ruhig ausschwingende Melodie im 6/8-Takt mutet an wie ein beruhigendes Wiegenlied, lieblich, ohne Süßlich zu werden. Dem senti mentalen Ausufern beugte der Kom ponist vor, indem er das Tempo mit dem Zusatz „quasi allegretto“ vor dem Zerfließen und den Vortrag mit der Bezeichnung „semplice“ vor Ge fühlsausbrüchen zu bewahren suchte. Apart sind am Schluß die hohen Flageolet-Töne der Solovioline mit dem sonoren Klang der tiefen Orche sterklarinette kombiniert. Ein kurzes begleitetes Rezitativ leitet das Finale ein, das als wasch echter Sonatensatz mit bedeutendem eigenem Gewicht ausgeführt ist. Ganz charakteristisch für Saint-Saens ist das Hauptthema mit seiner federn den Eleganz, energisch tänzerisch, ohne je ins Seichte zu fallen. Als idealer, melodisch weicher Gegen satz präsentiert sich ein zweites Thema voller lyrischer Leidenschaft. Die Durchführung ist ungewöhnlich weiträumig angelegt. Sie behandelt nicht nur die beiden Hauptthemen, sondern bringt als kostbare Unter brechung des munteren Figuren werks, eine zarte, volksliedhafte Weise. Später wird auch noch die Rezitativ-Einleitung verarbeitet. Die verkürzte Reprise mündet, nach H-dur gewendet, in eine ausgie bige Coda mit einer effektvollen Stretta am Schluß (piü allegro). Hervorzuheben ist die mühelos er scheinende klangliche Ökonomie, mit der das Orchester behandelt ist, das doch immerhin auch Trompeten und Posaunen enthält: nirgendwo wird der Solist eingeengt oder gar zugedeckt. Das Konzert entstand 1880, ein Jahr später erfolgte in Paris die Uraufführung, selbstverständlich spielte Sarasate den Solopart.