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Dresdner W Journal. TLoniglteh Säehsrsehev Staatsailzeigev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 24. r> Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat Doenges in Dresden. < Sonnabend, 30. Januar 19M. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 20, sowie durch die deutschen Postanstalten 3 Mart vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktags nachmittags. — Fernsprecher: Expedition Nr. 1295, Redaktion Nr. 4674. Ankündigungen: Die Zeile kl. Schrift der 6mal gespült. Ankündigungsseite 25 Ps., die Zeile größerer Schrift od. deren Raum auf 3mal gesp. Textseite im amtl. Teile 60 Pf., unter dem Redaktionsstrich (Eingesandt) 75 Pf. PreiSermäßigg. auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Amtlicher Teil. Unter Bezugnahme auf den Bundesratsbeschluß vom 22. Februar 1894 werden in dem nachstehenden Ver zeichnisse die Namen der gemäß Verordnung vom 23. Juli 1894 (G.- u. V.-Bl. S- 159 flg.) während des Jahres 1SV8 nach Ablegung der Prüfung vor den Prüfungskommissionen zu Dresden und Leipzig von den unterzeichneten Ministerien mit Befähigungsauswcis ver sehenen Nahrungsmittel-Chemiker veröffentlicht. Dresden, den 21. Januar 1909. Dir Ministerien des Innern und des Kultus und öffentlichen Unterrichts. 663 Verzeichnis der im Jahre 1908 auf Grund bestandener Prüfung mit Vefähigungsausweis versehenen Nahrungsmittel- Chemiker: Lau fende Nummer Namen Geburts- oder Aufenthaltsort 1. Bötticher, Friedrich Robert Wilhelm, vr. pdil. Spremberg 2 Deussen, Ernst, vr. pdil. Gütlich, Arthur Karl Otto Ferdinand Sagan 3 Hecklingen 4. Hager, Georg Gustav Fried rich Richard Stettin ö Held, Paul Hugo Bernhard Delitzsch 6. von Heygendorfs, Werner Bernhard, vr. pdil. Bad-Elster 7. Horn, Karl Otto Brandenburg an der Havel 8. Junker, Friedrich Karl, vr. pdil. Stützerbach in der Provinz Sachsen Klopfer, Karl Friedrich Emil Theodor, vr. ptül. Lübeck 1». Müller, Ernst Gustav Leo pold, vr. pUil. Kattowitz 11. Mueller, Friedrich Wilhelm, vr. pkil. Leipzig 12. Noetzel, Otto Felix Eduard, vr. pdil. Danzig 13. Sölling, Julius Essen an der Ruhr Für die Zentralkaffe zur Unterstützung beurlaubter »der eutlassener Pfleglinge der Landcsheil» und Pfleg- anstaltcn für Geisteskranke sind infolge der unterm 2. No vember 1883 veröffentlichten Bitte im Jahre 1908 die nachverzeichneten Gaben eingegangen: Durch d e Amtshauptmannschaft Döbeln: 100 Mark von der Bezirkskasse, bei der Anstalt Colditz: 10 Mark von der Stadtgemeinde Hainichen und 10 - von der Stadtgemeinde Geringswalde. Uber diese Gaben wird hiermit dankend quittiert und gleichzeitig der Bitte um Förderung des Unlerstützungs werkes erneut Ausdruck gegeben. Zur Empfangnahme von Gaben sind die Kassenver waltung des Ministeriums des Innern, die Kanzleien der Kreishauptmannschaften und Amtshauptmannschaften, die Kassenverwaltungen der Landesanstalten Sonnenstein bei Pirna, Untergöltzsch bei Rodewisch i. V., Zschadraß bei Colditz, Großschweidnitz bei Löbau, Hubertusburg, Colditz und Hochweitzschen (Post Westewitz), sowie die Expeditionen des Dresdner Journals und der Leipziger Zeitung be auftragt. 87 IV ä Dresden, am 16. Januar 1909. 662 Ministerium des Innern, IV Abteilung Bom 2. Februar 1909 an wird die sechste Straf kammer beim K. Landgericht Dresden, der hauptsächlich die Bearbeitung der in zweiter Instanz anhängig werden den Privatklagesachen obliegt, einschließlich der Gerichts- schreiberei versuchsweise aus dem Justizgebäude am Münchner Platz in das alte Landgerichtsgebäude, Pill- mtzer Gtraße 41, verlegt. Die sechste Strafkammer wird auch in der Regel ihre Sitzungen im alten Justizgebäude abhalten. Für die Dauer ihrer Unterbringung im alten Justizgebäude hat die sechste Strafkammer die für die Zivilkammern bestehende, durch die Mittagspause von 1 bis 3 Uhr unterbrochene Geschäftszeit. Dresden, am 27. Januar 1909. 667 Der Präsident des K. Landgerichts. Errretmurttten, Beisetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im Geschäftsbereiche de» Ministerium» der Finanzen. Berg- und Hüttenverwaltung. Angestellt: vr. inx. Ja coby als Betriebschemiker bei den staatlichen Hüttenwerken. (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Bom Königlichen Hofe. Dresden, 30. Januar. Se. Majestät der König hielt heute mit mehreren Herren eine Hochwildjagd auf Ullersdorfer Revier ab. Allerhöchstderselbe wird abends ^8 Uhr das Diner beim König!. Preußischen Gesandten Prinz zu Hohen lohe-Oehringen, Durchlaucht, einnehmen. Deutsches Reich. Bom Reichstage. Sitzung vom 29. Januar 1909. Am Bundesratstische: Staatssekretär vr. v. Bethmann- Hollweg, Unterstaatssekretär Wermuth. Präsident Graf Stolberg eröffnete die Sitzung um 1 Uhr 15 Minuten Auf der Tagesordnung stand dieJnterpellation Hompesch betreffend Sicherung der Freiheit des Arbeitsvertrags und des Koalitionsrechtes. Auf die Frage des Präsidenten erklärte sich Staatssekretär vr. v. Bethmann-Hollweg zur sofortigen Beantwortung bereit. Zur Begründung der Interpellation erklärte Abg. Giesberts (Z.): Die Frage der schwarzen Listen zieht sich wie ein roter Faden durch alle sozialpolitischen Debatten dieses Hauses. Die schwarzen Listen stehen in Verbindung mit den großen zentrali sierten Arbeitsnachweisen der Arbeitgeber bei deren wirtschaft licher Überlegenheit einer freien Organisation der Arbeiter ent gegen. Sie stellen eine Umgehung des § 113 der Gewerbe ordnung dar, der den Arbeitgebern verbietet, in das Zeugnis Bemerkungen darüber auszunehmen, ob und wo der Betreffende organisiert ist. Ein drittes Mittel der Arbeitgeber gegen die freie Organisation, die Freizügigkeit und die Frei heit des Arbeitsmarktes ist die Arbeitssperre. Selten sind diese Maßregeln statutarisch festgesetzt, in den allermeisten Fällen handelt es sich nur um ein stillschweigendes Überein kommen. Ich habe im ganzen nur zweier gedruckter Statute habhast werden können. Es ist klar, daß diese Maßnahmen gegen den Sinn des freien Arbeitsvertrags verstoßen. Besonders gravierend liegen die Umstände im deutschen Bergbau. Wenn unsere Bergwerksbesitzer die neue Zeit besser verständen, hätten sie sich längst zu Tarifverträgen, nicht zu einer ganz speziellen, wohl aber zu einer generellen Regelung des Arbeit-Verhältnisses mit den Organisationen bereit erklärt. Schwarze Listen und Sperrsystem dürfen nicht frei sein, denn wenn sie frei sind, dann ist die Koalition eben nicht frei. Derartige Verträge der Arbeit geber sind ein Verstoß gegen die guten Sitten. Staatssekretär vr. v. Bethmann-Hollweg: Zuerst einige Worte zur rechtlichen Seite der Frage. Die Gewerbe ordnung enthält keine Bestimmungen darüber, welcher Mittel sich eine Partei im Lohnkampfe der Gegenparteien gegenüber be dienen darf; nur über die Mittel der eigenen Partei gegenüber sind Bestimmungen getroffen. Zu den Maßregeln der anderen Partei gehören auch die Aussperrungen. Sie sind generell nicht verboten. Die Ansicht, daß das Sperrsystem einen Verstoß gegen § 113 der Gewerbeordnung darstellt, kann ich nicht als richtig an erkennen. Die schwarzen Listen sind zweifellos Schriftstücke, die neben den Zeugnissen hergehen, nicht aber selbst Zeugnisse dar stellen. Verschieden von der generellen Erlaubtheit des Sperr- systemS ist die Frage, ob seine Anwendung sich im einzelnen Falle als Beleidigung oder als Verstoß gegen die guten Sitten charakterisiert. Beides kann unzweifelhaft möglich sein. Doch sind diese Maßregeln nicht von den Arbeitgebern frei erfunden, sie stellen sich dar al» eine Folge wirtschaftlicher und sozialer Zu stände; wirtschaftlicher, wenn durch das Sperrsystem über mäßigem Wechsel und -ontraktbrüchen vorgebeugt werden soll; sozialer, wenn es sich gegen die Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen richtet. Richtig ist, daß im Westen ein un gemein gespannte« Verhältnis zwischen Arbeiterschaft und Unter nehmertum besteht. Aber man muß auch sagen, daß es Arbeiter führer gibt, die auch da gegen alle Einrichtungen de» UnternebmertumS, die Arbeiter dauernd an einen bestimmten Ort zu fesseln, opponieren, wo deren wirklich sozialer Geist außer Frage steht. Ich habe mich auf der einen und auf der anderen Seite erkundigt, wo die Schuld liegt: die Ergebnisse meiner Erkundigungen widersprechen einander, und an Organen zu gemeinschaftlichen Verhandlungen mit beiden Parteien fehlt es. Im Westen herrscht eine ungeheure Fluktuation der Arbeiterschaft. Gegen sie sucht sich das Unternehmertum mit seinen Maßregeln zu sichern. Nun erschallt von der Gegenpartei der Ruf nach dem Gesetzgeber. Aber, meine Herren, der Gesetz geber muß paritätisch vorgehen. (Lebhafter Widerspruch links und im Zentrum.) Jawohl, meine Herren, selbst die Abgg. Bebel und Heine haben gesagt, Sonne und Wind müssen gleich verteilt sein, im Lohnkampfe müsse freies Spiel aller Kräfte herrschen. Aller dings sind auch Stimmen laut geworden, die behaupten, die Ar beiterschaft verdiene, weil sie die wirtschaftlich schwächere Partei sei, im Lohnkampfe vom Gesetzgeber bevorzugt zu werden. Aber es ist doch wahr, daß der Vorstoß der Arbeiterschaft sich vielfach vernichtend, besonders gegen das kleinere Unternehmertum, richtet; daß Streik und Boykott auch Unternehmungen mit großem Ka pital schwerer schädigen, als man zu vermuten geneigt ist. Es ist nun zu prüfen, ob diesen Fragen gegenüber das allgemeine Recht in der Tat versagt, ob eine 1er specialis, ein jus smxulsr« erforderlich ist. Nun bin ich der Ansicht, daß Mißbräuchen seitens der Unternehmer am besten durch eine verständige Anwendung de^ § 826 des B G B. vorgebeugt wird. Der Begriff der guten Sitten darf nicht im einzelnen durch Spezialgesetze festgelegt werden, er muß sich den wechselnden Verhältnissen anschließen. In der Theorie ist ja der Gedanke, daß Maßregel und Gegenmaßregel nur zur Zeit des eigentlichen Lohnkampfes erlaubt, später aber verboten sein sollen, sehr sympathisch; ich halte ihn aber für gesetzgeberisch undurchsührbar. Damit will ich jedoch nicht etwa sagen, daß ich bezüglich der schwarzen Listen alles schön und gut sinde. Die Hauptbeschwerden richten sich doch wohl erstens dagegen, daß eil teilweise ganz untergeordneten Beamten überlassen ist, wer auf die schwarzen Listen gesetzt wird und wer nicht. Hier muß freilich dafür gesorgt werden, daß eine vollkommene unparteiische Prüfung stattfindet. Und zweitens richten sich die Klagen gegen die Heimlichkeit des Verfahrens, durch das dem einzelnen die Mög lichkeit genommen wird, vor einer unparteiischen Stelle sein Recht zu suchen. Das Verfahren muß jeder Heimlichkeit entkleidet werden, der Arbeiter darf nicht der subjektiven Beurteilung, ja der persönlichen Rachsucht untergeordneter Aufsichtsbeamten ausgesetzt sein. Freilich, die wirtschaftlichen Gegensätze kann kein lebendiger Mensch und kein toter Gesetzesbuchstabe aus der Welt schaffen. Nur auf anständige Waffen, auf kair pl»^ kommt es an. Und nicht gleichgültig ist es, mit welchem Ziele gekämpft wird, ob mit dem, den Gegner niederzuzwingen, oder mit dem, eine Ver ständigung mit ihm zu erreichen. Ich glaube, das System der schwarzen Listen würde zurückgehen und verschwinden, wenn die berufemäßigen Kampforganisationen in berufsmäßige Jnteressen- organisationen verwandelt werden würden, von denen die Not wendigkeit einer Verständigung nicht auf dem Boden eines Zu kunftsstaates, sondern auf dem der jetzt bestehenden Ordnung an erkannt wird. (Lebhafter Beifall.) Auf Antrag des Abg. vr. Spahn wurde beschlossen, in die Besprechung der Interpellation einzutreten. Abg. vr. Stresemann (nl.): Wir stimmen den Ausführungen des Staatssekretärs zu. Wir glauben an eine kommende Ver ständigung, wir glauben, daß die Zeit sich nähert, wo Arbeiter und Arbeitgeber die Gemeinsamkeit ihrer Interessen erkennen werden. (Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. vr. Wagner (kons.): Zur Erklärung der Gründe, die zur Erscheinung der schwarzen Listen geführt haben, möchte ich auf England Hinweisen, wo kein Arbeiter an die Anstellung von Machtproben denkt, wo die Tarifverträge eine praktische Errungen schaft der Trabes Unions sind, während sie bei uns nur als eine Etappe auf dem Wege zur Vergesellschaftung der Produktions mittel angesehen werden. Wir halten dafür, daß bei uns die Schuld an dem gespannten Verhältnis zwischen Unternehmern und Arbeitern vor allem die Arbeiter selbst tragen. Sie werden von frühester Jugend an planmäßig verhetzt, sie werden gelehrt, in jedem Arbeitgeber ihren Ausbeuter zu erblicken. Wir können zum sozialen Frieden nur gelangen, wenn wieder die religiösen Momente im weitesten Umfange zur Geltung kommen, und in diesem Bestreben müssen uns die bürgerlichen Parteien helfen. (Beifall rechts.) Abg. Sachse (soz ): Der Vorredner hat auf das Beispiel der englischen Gewerkschaften hingewiesen, weil sie Berufsvertretungen im eigentlichen Sinne seien. Aber auch die englischen Gewerk schaften bilden sich mehr und mehr zu Klassenvertretungen aus. Auch sie sehen eben, daß sie so wirtschaftlich am weitesten kommen. Auf einzelnen, namentlich sächsischen Zechen, sind Arbeiter gemaßregelt worden, nur weil sie sich bei den Krankenkassenwahlen als Ver treter haben aufpellen lassen. Dort werden die Arbeiter auch durch Kontrolle bei der öffentlichen Wahl gezwungen, die der Zechenverwaltung genehme Gemeindevertretung zu wählen. Ist das kein Verstoß gegen die guten Sitten? Und doch findet sich kein Staatsanwalt, der da eingreift. Abg. v. Dirksen (Rp) Zweifellos haben sich manche Maß nahmen der Arbeitgeber al- zu hart erwiesen. E» soll sich hier um Abwehrmaßregeln, nicht um Kampfe-maßregeln handeln. Die Zechenverbände haben auch ihrerseits bereits durch einige Zirkular- schreiben vor unnötigen Härten bei Maßnahmen, die nur den Kontraktbrüchen steuern sollen, gewarnt. Wenn sich die Sozial demokraten in Fällen, wo Arbeiter nnrechtmäßig behandelt sind, beim Zechenverband melden würden, so bin ich gewiß, daß der Verband sich bemühen würde, Recht und Gerechtigkeit walten zu lassen Darauf vertagte sich daS Hau» auf Sonnabend vormittag 11 Uhr. Tagesordnung: Fortsetzung der heutige, Besprechung. Vorher Rechnungssachen.