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2. Beilage zu Nr. 2S7 des DkeAdNtk JUMIMls Dienstag, 22. Dezember 1908. Drei Weihnachtsabende. Bon Han» Grahlmann. I. Es war ein zweifenstriges Zimmer im Erdgeschoß, das nach dem Hofe heraus lag. Ein schlichter Wohnraum für uns Kinder, die Stätte unserer Freuden und kleinen Sorgen, die Stätte unserer Arbeit und unserer Träume, die so oft sich im Ungemessenen verlören. Im Winter, der in der norddeutschen Küstenstadt meist hart auftrat, war es gemütlich, heimlich in unserem Reiche, dessen bestes Stück dann der gelbliche große Kachelofen abgab. Wenn die Dämmerung niederfank, hielten wir nach dem Gebote der mit Licht sparfamen Mutter Schummerstunde, die nur zu Zeiten ausfiel, in denen die Eisbahn uns ins Freie lockte. Sonst saßen oder standen wir um den Ofen herum und hielten Zwiesprache miteinander, wie Kinder tun, hingen auch wohl schweigsam unseren Gedanken und Wünschen nach. Selten kam ein Streit oder Zank da zwischen, es war wie ein geheimes Übereinkommen zwischen uns, das den Frieden dieser Stunde sicherte. Wir waren zwei Knaben und zwei Mädchen, im Alter durch kaum ein halb Dutzend Jahre zusammenzubringen, ich war der erstgeborene. Toni war die jüngste und die wildeste, aber auch ihr Mäulchen lief zu dieser Zeit nicht über wie sonst. Unvergeßlich sind mir diese Abendstunden um Weih nachten herum, wenn die Erwartung der nahen Festfreuden unS erfüllte, wenn allerhand eigene Vorbereitungen uns ebenfo sehr beschäftigten wie die Vorstellungen von dem, was das Christkind uns bescheren würde. Dann schmiegten wir uns noch dichter an den Ofen, in dem zuweilen Brat äpfel ihrer Reife entgegengingen, was uns den alten Freund noch liebenswerter erscheinen ließ. Im stillen und mit Worten kamen Wunschzettel sehr verschiedenen In haltes und Umfanges zum Vorschein, sie wurden mit un ermüdlichem Eifer immer wieder verändert, verbessert und verlängert. Es waren gar^zu viel Dinge, die hier unter gebracht sein wollten. „Glaubst du, daß ich Schlittschuhe bekommen werde?" fragte der jüngere Bruder. „Ach, du brauchst keine neuen, die alten sind noch gut genug", meinte die ältere Schwester in rasch verfliegendem Neid. „Ich kriege eine Puppenküche", sagte Toni mit der Bestimmtheit, die ihre Äußerungen zu kennzeichnen und die sie durch das Ausstößen eines Fußes noch zu erhöhen pflegte. „Die ist aber sehr teuer", warf Elsa, die leicht zu Be denken neigte, wieder dazwischen. „Das macht nichts, unser Vater ist doch reich", ant wortete die Jüngere. „Tann wünsche ich mir ein gutes Buch", sagte Erich, dem Spielzeug in Wahrheit viel willkommener war, der sich aber durch Vorbringen solider Wünsche gern den An schein des Ernsten gab. „Magst du mehr Pfefferkuchen oder mehr Nüsse?" äußerte Toni zu Erich unvermittelt. „Mir schmecken Nüsse besser. Wenn du mehr Pfefferkuchen bekommst, tauschen wir." Ich hörte meist schweigend zu und behielt meine Wünsche für mich. Als der älteste wollte ich nichts äußern, was viel leicht nicht in Erfüllung ging, und mir das Bedauern der Geschwister ersparen. Ich verlor mich gern im weiten Lande der Hoffnungen. Ich war einsichtig genug, um zu wissen, daß die Eltern uns nicht durch üppige Gaben erfreuen konnten, aber gerade deshalb gefiel ich mir im Bauen von allerhand Luftschlössern. In der Phantasie mich mit vielerlei schönen Dingen bedacht zu sehen, reizte und ^befriedigte mich. All die zaubervollen Gebilde verflüchteten sich aber, sobald ich unter die klaren, gütigen Augen der Mutter trat, und alle überspannten Wünsche gingen in mir zur Ruhe, ohne daß ich ein Bedauern oder gar einen Schmerz darüber gefühlt hätte. Anders »nein Bruder Erich, der die greifbare Wirk lichkeit bevorzugte. Am Marktplatze befand sich ein Ge schäft, dessen Inhaber in einem zu ebener Erde liegenden Raume alljährlich eine Weihnachtsausstellung einrichtete. An den Wänden zogen sich hohe Regale hin, die mit Spiel waren dicht besetzt waren. Helles Licht fiel auf all die hübschen Sachen, deren buntes Durcheinander eine einzige, Kinderaugen bezaubernde Masse bildete. Erich stand jeden Abend vor dem breiten Fenster und schaute mit einem von Verlangen keineswegs freien Ausdruck auf die Herr lichkeiten. Wenn ich mich ihm unvermutet zugesellte, riß er sich gewaltsam von dem Anblicke los und ging davon. Er wollte nun einmal nicht zeigen, daß sein Begehren über gute Bücher doch hinausging. Die Nacht vor dem heiligen Abend brachte uns keinen ganz ruhigen Schlummer, und der folgende Tag schien dem Abend gar nicht weichen zu wollen. Er dünkte uns unendlich zu sein und hatte doch in seiner Länge einen Reiz, den wir halb unbewußt durchkosteten. Eine eigene, erhobene Stimmung umfing uns. Es war uns, als sei kein anderer Tag im Jahre so licht wie dieser, als lagere in unserem Gemach ein besonderer köstlicher Duft, als seien wir alle durch eine wunderbare Heimlichkeit miteinander verbunden. Später las ich einmal die Verse eines Dichters, der diesem Zauber einen unmittelbaren Ausdruck verliehen hat, die Verse Theodor Storms, die lauten: Mir ist das Herz so froh erschrocken, Das ist die liebe Weihnachtszeit! Ich höre fernher Kirchenglocken Mich lieblich heimatlich verlocken, In märchenstille Herrlichkeit. Ein frommer Glaube hält mich wieder, Anbetend, staunend muß ich stehn l Es finkt auf meine Augenlider Ein goldner Kindertraum hernieder, Ich fühl's, ein Wunder ist gefchehn. Je tiefer die Dämmerung ward, um so mehr steigerte sich die Unruhe freudiger Erwartung. Wir rückten näher am Ofen zusammen, seltener sprach emer ein Wort. Selbst die wilde Toni saß still, nur die glänzenden Augen straften ihre äußere Ruhe Lügen. Es ward dunkel, aber kein Wunsch nach Licht ließ sich hören. Von den Kerzen am Tannenbaum sollte es heute zu uns dringen. Nun hörten wir im Neben zimmer Schritte und das Geräusch von allerhand Hantie rungen, das Offnen von Paketen, das Knistern von Papier. Endlich verließen die Eltern den Raum und begaben sich in die gute Stube. Wir sahen nichts und glaubten doch alles zu verfolgen. Jetzt ordnete die Mutter die Gegenstände auf dem Weihnachtstische, häufte Apfel, Nüsfe und Pfeffer kuchen auf die bereitstehenden Teller, sorgsam bedacht, daß jedem Alter sein Recht werde. Der Vater aber musterte den Baum, prüfte diesen und jenen Lichthalter nochmals auf das Festsitzen, rückte eine der bon uns gefertigten Papier ketten zurecht und brachte ein Konfektstückchen an eine andere Stelle, die ihm noch etwas leer erschien. Dann traten Vater und Mutter von dem vollendeten Werke zurück, und überschauten es mit Blicken, die sagten: Wir haben das unsrige getan, nun mögen die Ungeduldigen kommen. Hierauf zündeten fie gemeinsam die Kerzen an und gingen ins Nebenzimmer zurück, dessen breite Tür weit geöffnet wurde, so daß die beiden Räume fast einen bildeten. Jetzt mußte der Vater gleich erscheinen, um uns zu holen. Und er kam. Als er an der Schwelle sichtbar ward, standen wir so festgebannt, ein jeder an seinem Platze, als wenn der Lehrer in der Schule uns aufgerufen hätte. Der Vater nahm die Jüngste an die Hand und schritt voran, wir andern folgten mit klopfenden Herzen. Im Neben zimmer befand sich ein Klavier. Ter Vater ließ sich an ihm nieder und schlug ein paar Akkorde an, die zum Weihnachts gesang „Stille Nacht, heilige Nacht" überleiteten. Wir setzten zaghaft ein, die Augen hafteten noch auf dem Ge sichte der Mutter, als könnten wir von dem ablesen, was unserer harrte. Erich, der sonst immer Haltung zu bewahren strebte, ließ seine Blicke doch verstohlen in die gute Stube spazieren, wo der Tannenbaum in der Mitte des weiß gedeckten Gabentisches sich erhob. Er hoffte wohl irgend etwas zu erspähen, aber dann gewahrte er an der lächelnden Miene der Mutter, daß er entdeckt sei, und ließ, um es zu vertuschen, mit einem Male seine Stimme besonders kräftig ertönen. Wir sangen nun alle mit voller Hingebung. Als das Lied beendet war, trat der Vater zur Mutter hin, und beide hörten an, was wir Kinder zu dem Festabend beizutragen hatten. Toni sagte ein Gedicht auf mit vor Erregung überlauter Stimme, aber sicher und im Ausdruck voll innigen Kinderglaubens. Elsa spielte ein Violinstück, das unter ihren Händen freilich noch zu keinem Ohren schmaus ward, Erich und ich zeigten mit der Ausführung einiger Klavierstücke, was wir im letzten Jahre hinzugelcrnt hatten. Die Eltern nahmen alles mit nachsichtigem, er munterndem Danke auf. Und dann kam die Erlösung. Wir durften an den Gabentisch treten. Überraschend schnell fand jeder von uns heraus, wo die für ihn bestimmten Ge schenke lagen. Es ging ans Betrachten und Mustern. Die praktischen Gegenstände lösten natürlich eine stillere Freude aus als die anderen, die in unseren Augen reine Festgeschenke darstellten, die „nicht sein mußten". Wollte sich bei jenen eine kleine Enttäuschung des Empfängers zeigen, dann griff die Mutter ein und machte uns diese Sachen gleichsam mund gerecht. Sie tat das teilweise mit so viel Humor, daß die Dankbarkeit auch hierfür geweckt wurde. Bald herrschte eitel Freude in dem kleinen Kreise. Ein jeder untersuchte, probierte, fragte, und oft kamen die Fragen so dicht und so bunt durcheinander, daß die Eltern Mühe hatten, alle zu beantworten. Schließlich gab sich die Fröhlichkeit so laut kund, als wäre die dreifache Anzahl Kinder zusammen. Ich muhte mich ordentlich besinnen, daß mir noch eine besondere Aufgabe oblag. Wir hatten unserseits eine kleine Bescherung für die Eltern vorbereitet, die nun ins Werk gefetzt werden mußte. Ich entfernte mich, holte in unserem Zimmer ein Bäumchen aus dem Verstecke und entnahm dem Schranke die von den Geschwistern und mir angefertigten Stickereien und Laubsägearbeiten. Ich ent zündete die Wachslichter an dem Tannenbäumlein, legte unsere Gaben darunter und rief Eltern und Geschwister herbei. Nicht ohne Stolz überreichten wir Pater und Mutter die Gaben von unserer Hand, die unser ganzes bißchen Spargeld verschlungen hatten, und genossen die Freude, daß die lieben Eltern von allem, auch von dem bescheidensten, entzückt waren. Dann wurde eiligst die Rückwanderung in die große Weihnachtsstube angetreten. Hier verrann die Zeit im Fluge. Wir konnten uns von den neuen Dingen nicht trennen und hätten am liebsten alles mit an den Abend tisch genommen, an dem wir uns zum Essen niederlieben. Mit heißen Gesichtern saßen wir um die Eltern herum, und von dem Teller gingen die Blicke immer wieder ins Neben gemach zurück. Es mußte ein Bild des Familienglückes sein, das die alte Hängelampe mit ihrem milden Lichte beschien. Es blieb in meiner Erinnerung haften und erneuerte sich, so oft Weihnachten wieder da war. Und dann der Morgen nach dem heiligen Abend. Wir schliefen schwer ein, da keiner so schnell damit aufhören wollte, von seinen Geschenken zu erzählen, als wüßte der andere noch gar nicht darum. Endlich kam der gesunde Schlaf der Jugend, dem ein köstliches Erwachen folgte. Die klare Wintersonne erhellte das Zimmer, das uns ver ändert erschien, als wir die Augen öffneten. Im ersten Augenblick glaubten wir nur geträumt zu haben, was gestern geschehen war. Wohlig streckten wir uns unter der Decke und ließen die Blicke umhergehen. Nein, es war kein Traum. Da lagen ja einzelne Gaben des Christkindes, die wir am Abend noch an uns genommen hatten. Alles war Wirklichkeit, fröhliche, beglückende Wirklichkeit, die uns von neuem in ihren Bann zog. (Fortsetzung folgt.) NelwlivveilMclikqeMnk e^Z^/77 ^Ä^Z/§ZZZ77 rein türk'.scke srymstisclie (iczsrvtts Vor Weihnachten auch in (arlons s 50 5tuck erhältlich Zu baden in äen (igsnentisnälungen. Z 9233 Volkswirtschaftliches. O In der gestrigen Generalversammlung derAktiengeselljchaft Panzerkassen-, Fahrrad- und Maschinenfabriken vorm. H. W. Schladitz in Dresden, die von fünf Aktionären mit 469 Stimmen besucht war, widmete der Vorsitzende Hr. Ritt meister M. Groß dem verstorbenen Aussichtsrutsmitgliede Hrn. Konsul Kommerzienrat Max Arnhold einen ehrenden Nachruf. — Die Jahresrechnung, sowie die Entlastung der Verwaltungs organe wurde hierauf einstimmig genehmigt, während sich über die Verwendung des Reingewinns eine längere Aussprache ent wickelte. Bon einem Aktionär wurde angeregt, die Dividende diesmal nicht so hoch wie vorgeschlagen zu bemessen, sondern einen größeren Betrag in Reserve zu stellen, um die Position der Gesellschaft weiter zu verstärken. Demgegenüber führte der Vor sitzende aus, daß die Verwaltung diese Frage bereits ernstlich er wogen habe, daß sie aber im Interesse der Aktionäre, sowie in Rücksicht auf die Stabilität des Aktienkurses auf den Dividenden vorschlag von 13 für die Vorzugsaktien und 8 für die Stammaktien zugekommen sei. Zu beachten sei, daß gegen die Liquidität der Gesellschaft nichts einzuwenden sei, daß der Vortrag aus neue Rechnung bereits eine Dividende von 5 ausmache und daß die Hoffnung aus eine langsame Besserung der allge meinen Geschäftslage vorhanden sei. Die Versammlung ge nehmigte hierauf die vorgeschlagene Dividende und wählte Hrn. Rechtsanwalt vr. Altschul-Dresden wieder und die Herren Bankier Adolph Arnhold und Direktor Frank neu in den Aufsichtsrat. Q Die Direktion der Sächsisch.Böhmischen Dampf- schifsahrtsgesellschaft in Dresden teilt auf Anfrage mit, daß der Geschäftsgang für die Personenschiffahrt bis Ende Juli befriedigend war, so daß Aussichten für ein einigermaßen günstiges Jahresergebnis bestanden, die aber dann wieder beeinträchtigt wurden durch die anhaltend ungünstige Witterung im Reisemonat August und in der ersten Hälfte des September. Da die Ab- schlußarbeiten noch im vollen Gange sind, so läßt sich im übrigen zurzeit noch kein abschließendes Urteil finden über das zu er wartende Endergebnis. (-) Die Verwaltung der Waggon- und Maschinenfabrik- Aktiewgesellschaft vorm. Busch in Hamburg und Bautzen kann ihren Aktionären auch für das letzte Geschäftsjahr einen recht befriedigenden Abschluß vorlegen. Der Gewinn hat sich von 294 538 M. auf 501547 M. erhöht und auch die Dividende kann entsprechend von 8 aus 12 für die Vorzugsaktien und aus 7^ (im Vorjahr 3stj>) auf die nicht an der Börse eingeführten Stammaktien in Vorschlag gebracht werden. Die restlichen 367 000 M. Stammaktien sollen durch Zuzahlung von 40 auch noch in Vorzugsaktien umgewandelt werden. Die Aussichten bleiben befriedigende, da alle Hauptabteilungen des Werkes noch über das laufende Geschäftsjahr hinaus voll mit Arbeit zu an nehmbaren Preisen besetzt sind. Tie Generalversammlung findet am 16. Januar in Hamburg statt. Schifssnachrichten. Elbschiffahrtsn otizen. Vom 13. Dezember bis 19. Dezember d. I. passierten das König!. Hauptzollamt Schandau, Zollab- fertigungsstelle für den Schiffsverkehr 61 mit Braunkohlen, Sand- und Basaltsteinen, sowie 140 mit Stückgütern beladene Fahrzeuge. Vom 1. Januar bis mit 19. Dezember dieses Jahres sind insgesamt 11 943 beladene Fahrzeuge bei der genannten Zoll abfertigungsstelle zur Abfertigung gelangt. * Woermann-Linie, Hamburg. (Mitgeteilt »om Reise- und Speditionsbureau A. L. Mende, Bankstraße 3.) Paul Woermann 19. Dezbr. in Accra angek. Lucie Woermann 18. Dezbr. von Las Palmas abgeg. Thekla Bohlen 18. Dezbr. in Rotterdam angek. Eleonore Woermann 18. Dezbr. in Conakry angek. Max Brock 18. Dezbr. in Libreville angek. * Deutsche Ostafrika-Linie, Hamburg. (Mitgeteilt vo« Reise- und Speditionsbureau A. L. Mende, Bankstr. 3.) Admiral 18. Dezember in Antwerpen angek. Bürgermeister 18. De»br. von Las Palmas abgeg Windhuk 18. Dezbr. in Marseille angek. k. K. Ssesti-. 18 So^-ckm!s-I für <Ns W K. s. '""7"" ^iivelen- miä kolilzelimiieL, Rldergersl«, »stecke. M^ene Werkstatt. ------ Orden, Ordensbänder.