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Dresdner Journal : 05.01.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190901054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19090105
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19090105
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-01
- Tag 1909-01-05
-
Monat
1909-01
-
Jahr
1909
- Titel
- Dresdner Journal : 05.01.1909
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Zeitungsschau. In ihrer Wochen-Rundschau vom 3. d. M. schrieb die „Nordd. Allg. Ztg.": Unter den Glückwünschen, die dem Reichskanzler beim Jahres wechsel aus dem Auslande zugegangen sind, befindet sich ein Telegramm des österreichisch-ungarischen Minister- des Aus wärtigen, worin dieser um Übermittelung seiner Gratulation an da- Kaiserpaar bittet und dem Fürsten Bülow seinen wärmsten Dank für die bunde-freundliche Unterstützung t>er öster reichisch.ungarischen Politik ausspricht. In den NeujahrS- betrachtungen der österreichischen und ungarische» Presse kommt die Befriedigung über das tixue Zusammenstehen der beiden ver bündeten Reiche ebenfalls mehrfach zum Ausdruck. Eigentümlich mußte daher eine Wiener Korrespondenz vom 29. Dezember in der „Germania" berühren, die nach Angabe de- Blattes „von einem österreichischen bekannten Politiker" stammt. In dieser Korre- fpondenz wird der deutschen Politikd-runverblümteVorwurf gemacht, sie stehe nicht fest genug zuOst erreich-Ungarn. Mit dem Pariser„TemvS" bezeichnet der Verfasser Deutschland- Politik als unentschlossen und inkonsequent. Die politische Persönlichkeit des Kaisers wird behandelt, als gehöre sie der Vergangenheit an. Dem Fürsten Bülow wird nachgesagt, er lasse sich durch gewisse Blockeinflüsse am tatkräftigen Handeln verhindern; ein Teil der deutschen Groß- industrie und Hochfinanz, der eine große Macht auch in der liberalen Presse besitze, sei aus geschäftlichen Gründen nicht be geistert für ein energisches Eintreten zu Österreich-Ungarns Gunsten. Dann wird die Möglichkeit eines Balkankrieges er- wog<m und in diesem Zusammenhänge gesagt, ein solcher Krieg werde sich schwerlich lokalisieren lassen. Uber die Konsequenzen müsse sich der Reichskanzler im wohlverstandenen Interesse Deutsch lands klar werden. Der einzige natürliche Vermittler, heißt eS schon vorher, auf dessen Hilse Osterreich-Ungarn hoffen könne, sei allein Deutschland. Die sachliche Forderung des Artikels laust daraus hinaus, daß Fürst Bülow sich der Vermittelung der schwebenden Streitfragen als Freund Osterreich-Ungarns zu wenden, mit Festigkeit und Würde auf ihre baldige Beilegung dringen sollte. Von dieser Konklusion abgesehen, hat der ganze Artikel eine auffallende Ähnlichkeit mit den Gedankengängen und der Phrafeologie deutscher Zentrumsblätter. Diese Ähnlichkeit ist so frappant, daß man sich bei der Lektüre fragt, ob dem „österreichischen bekannten Politiker" etwa von Berlin aus die Feder geführt worden ist. Nun ist gerade am selben 29. Dezember in der „Wiener Reichspost" eine Berliner Korrespondenz „von hervorragender Seite" abgedruckt worden, welche dieser Ver mutung einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit gibt. Auch da findet sich die Andeutung, daß der Kaiser nicht mehr „aktiv" in der auswärtigen Politik tätig sei; auch da wird davon gesprochen, daß ein Balkankrieg sich nicht lokalisieren lassen würde, also Deutschland sehr nahe tangieren könne; auch da wird aus die Unlust der Großindustrie und des Großkapitals hingewiesen, eine Politik zu treiben, die das Geschäft im Orient stören könne, und behauptet, daß diese Gruppe den liberalen Block als ihren parlamentarischen Lehnsmann ansehen könne. Wenn wir dem Zusammenhang zwischen den beiden Artikeln genauer nachgegangen sind, als ihr sachlicher Inhalt verdient, so geschieht dies aus zwei Gründen: ein mal weil sich daraus der Nachweis ergibt, wie die Zentrumspublizistik in ihrem Haß gegen den Reichskanzler es nicht verschmäht, das Vertrauen zu untergraben, das Fürst Bülow in der verbündeten österreichisch-ungarischen Monarchie besitzt; sodann weil unsere österreichisch-ungarischen Freunde an diesem Beispiel zu erkennen vermögen, was von dem Gerede einer schwankenden Politik Deutschlands zu halten ist. Es gibt in unserer amtlichen Politik Osterreich-Ungarn gegenüber tatsächlich nicht die mindesten Schwankungen. Wohl aber glaubt das Zentrum in einigen seiner fanatischsten Anhänger ein Interesse daran zu haben, diese Mär zu verbreiten, um damit die Position des Reichskanzlers auch nach außen und von außen zu erschweren. Es ist nötig, diese Taktik aufzudecken, um nicht falsche Vorstellungen über den Cha- rakter und die Zuverlässigkeit der deutschen Politik aufkommen zu lassen. Wenn wir die leitenden Gesichtspunkte der deutschen Politik seit der erneuten Aufrollung der Orientfrage rekapitu lieren, so sind es diese: Der deutsche Standpunkt ist von An fang an der gewesen, daß wir die Wahrung der Großmacht- stellung Österreich-Ungarns auch als ein eminentes Interesse der deutschen Politik betrachten; daß wir deswegen ohne Zögern an die Seite unseres Bundesgenossen getreten sind; daß wir nach allen Seiten über unsere feste Entschlossenheit, uns nicht von Osterreich-Ungarn abdrängen zu lassen, Klarheit gegeben haben. Dies hat der Reichskanzler im Reichstag in der entschiedensten und unzweideutigsten Weise wiederholt vor aller Welt erklärt. Zu der Leitung der verbündeten Monarchie aber haben wir das Zutrauen, daß sie am besten beurteilen kann, welches die un entbehrlichen Voraussetzungen ihrer Großmachtstcllung sind. Ihr steht es daher auch allein zu, in den Einzelfragen die entscheidenden Entschlüsse zu fassen; und von Deutschland kann sie mit Recht erwarten, daß es keinen Schritt tun werde, der als unerbetene Einmischung oder als Bevormundung ausgelegt werden könnte. Der Ruf nach Vermittelung, den die deutschen Zentrumspolitiker erheben, mag gut gemeint sein, er mag aber auch von der Absicht bestimmt sein, die deutsche Politik, d. h. den Reichskanzler, zu einem Schritt zu verleiten, der in Osterreich-Ungarn als inopportun empfunden werden könnte. In Wien weiß man ganz genau, daß der Reichskanzler nichts unternehmen wird, was die Absichten der österreichisch-ungarischen Politik stören könnte. Wir sind überzeugt, daß der Geist, der in der Wiener „Reichspost" und der Berliner „Germania" sein Wesen getrieben hat, wie die Dinge einmal liegen, ebensowenig als Interpret der österreichisch-ungarischen wie der deutschen Politik gelten darf. Hierzu nimmt das „Wiener Fremdenblatt" in seiner gestrigen Ausgabe Stellung und sagt: Es ist wohl kaum daran zu zweifeln, daß die Deutung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" richtig ist, daß es sich bei dieser konzentrisch geführten Aktion im Grunde um einen inner politischen, vom deutschen Zentrum mit wechselnden Waffen be triebenen Kampf gegen Bülow handelt. Mit diefer Seite der Kampagne haben wir keinen Anlaß, uns heute zu beschäftigen. Fürst Bülow ist der Mann, in diesem Kampfe auch weiterhin ahne fremde Hilfe zu bestehen. Wenn wir heute gleichwohl das Wort nehmen, um unsere Meinung über die neueste Phase dieses Kampfes darzulegen, so veranlaßt unS dazu lediglich der Um- stand, daß der Angriff auf die Politik de- Fürsten Bülow dies mal sich auf einem Gebiete bewegt, da» zunächst hauptsächlich uns angeht. In der Frage, ob die deutsche Politik in der schwebenden Orientkrise ihre Pflicht uns gegenüber erfülle, sind wohl wir in erster Linie zur Entscheidung berufen. So sehr uns die warmen Sympathien einer großen deutschen Partei für unsere Sache dankbar stimmen müssen, sind wir doch keineswegs in der Lage, die Richtigkeit ihrer Vorwürfe gegen Bülow be züglich seines Verhaltens zu Osterreich-Ungarn auch nur im mindesten zu bestätigen. Diese Vorwürfe erscheinen unS viel mehr gänzlich ungerechtferligt. Die deutsche Politik hat von Anfang an Österreich - Ungarn vollste diplomatische Unter stützung gewährt. Wenn trotz aller Verhetzungen und Schwierigkeiten die europäische Gesamtlage eine zuversicht lichere geworden ist und man mit herzlicher Freude vom Eintritt einer Detente sprechen kann, so liegt der Grund dafür in dem unbedingten Zusammenhalten beider ver bündeter Reiche und in dem festen Glauben aller übrigen Mächte an die Unerschütterlichkeit und Unabänderlichkeit dieses viel- bewährten Verhältnisses. Hier hat auch die Hoffnung aus weitere noch vollkommenere Entwirrung ihre stärksten Wurzeln. Der Pariser „Temps", der Deutschland inaktive Haltung in dieser An gelegenheit vorwirft, befindet sich mit dieser An Nage in durchaus den WaS zum man unsere Monarchie verlangt, ist, daß man Zutrauen zu ihrer eigenen Aktivität und zu ihrem aufrichtigen Wunfche hat, zu einem Ein vernehmen mit der Türkei zu gelangen und damit nicht nur den eigenen Interessen und der ungestörten Entwicklung des türkischen Verfassungslebens, sondern ebenso sehr dem europäischen Frieden zu dienen. Auf unseren Verhandlungen in Konstantinopel, deren Ausgang unsere freundschaftlichen Dispositionen für die Türkei ein gutes Prognostikon stellen, ruht heute das Schwergewicht der Situation, nicht aber auf der müßigen, weil fchon entschiedenen Frage des Verhältnisses zwischen Wien und Berlin, das durchweg von Vertrauen und Loyalität beherrscht ist und ebensowenig durch Verdächtigung der deutschen Bündnistreue wie durch die lächerliche Unterstellung gestört werden kann, daß unsere Politik abseits der Hauptstraße de- Bündnisses mit Deutschland auf ge heimen Nebenwegen mit England kokettiere. Ausland. Österreich Ungarn. lW. T. B.) Wien, 4. Januar. Der Kaiser hat den türkischen Botschafter Reschid Pascha in feierlicher Audienz empfangen. Der Botschafter überreichte, nachdem er vom Kaiser herzlich begrüßt worden war, sein Be glaubigungsschreiben und stellte alsdann die Herren der Botschaft vor. Prag, 4. Januar. In einer heute abgehaltenen Sitzung der deutschen Landtags- und Reichstagsabgeord neten wurde beschlossen, die Obstruktion im böhmischen Landtage fortzusetzen. Budapest, 4. Januar. Die Neuausrüstung der 44 Feldkanonenregimenter mit dem 8 cm-Geschütz ist, wie der „Pester Lloyd" meldet, beendigt. Infolge der Ausgabe von Jnstruktionsgeschützen ist die Mannschaft bereits seit einigen Monaten in der Bedienung des neuen Geschützes unterwiesen worden. Italien. (Berl. Morgenbl.) Rom, 4. Januar. Die italienische Kammer ist auf den 9. d. M. einberufen worden. England. (W. T. B.) London, 4. Januar. Der Besuch des Königs paars in Berlin wird in der zweiten Woche des Februar erfolgen. Rutzlanv. (W. T. B.) St. Petersburg, 4. Januar. Der Präsident der Reichsduma Chomjakow wurde gestern in Zarskoje Selo vom Kaiser empfangen. Der Empfang dauerte 1)4 Stunden, während welcher Zeit Chomjakow über die Tätigkeit der Reichsduma berichtete. Nach Blättermeldungen sollen bei dieser Gelegenheit auch die in letzter Zeit wiederholt vorgekommenen Massen hinrichtungen und die Mißstände bei der Moskauer Polizei besprochen worden sein. (Wiederholt.) (W. T. B.) St. Petersburg, 4. Januar. Präsi dent Chomjakow teilte den Vertretern der Presse mit, er habe gestern während der Audienz beim Kaiser alle von der Duma und den Kommissionen behandelten laufenden Angelegenheiten berührt, ebenso die Inter- referent Landaerichtsdirektor a. D. vr. Aschrott-Berlin betonte zunächst, daß eine Reform unserer Strafjustiz in großem Stile nur möglich sei, wenn Strafrecht und Strafprozeß einheitlich neu geordnet würden. Die Inter nationale Kriminalistische Bereinigung habe deshalb, zu letzt noch auf ihrer Tagung in Posen, auf die Bedenken hingewiefen, die Strafprozeßreform vor der Strafrechts reform vorweg zu nehmen. Jedenfalls bringe der Ent wurf eine so erhebliche Zahl wirklicher Verbesserungen, , daß sich die gesetzgebenden Faktoren zu einer einfachen Ablehnung nicht entschließen würden. ES erscheine des- halb auch für die Kriminalistische Vereinigung als das richtige, sich auf den Boden der realen Verhältnisse zu stellen und daran mitzuarbeiten, daß aus dem Entwurf das unter den gegebenen Verhältnissen erreichbare Beste werde. Die Sachlage sei jetzt eine andere als bei der Tagung in Frankfurt am Main vor zwei Jahren. Damals habe der negative Beschluß genügt, daß die Vorschläge der sogenannten Reformkommission als eine geeignete Grund lage für die Reform nicht erachtet werden könnten. Heute gelte es, positive Arbeit zu tun und diejenigen Punkte des Entwurfs zu bezeichnen, die einer Verbesserung bedürftig wären. Ter Referent führte dann die wesent lichen Veränderungen des Entwurfs gegenüber dem geltenden Gesetz an und betonte, daß selbst da, wo die Mängel des bisherigen Verfahrens völlig erkannt seien und ihre Beseitigung beab ichtigt werde, der Entwurf vielfach auf halbem Wege stehen bleibe, namentlich be züglich der Gerichtsorganisation, des Vorverfahrens und des Haftverfahrens. Insbesondere sei zu wünschen, daß die Zuführung von Schöffen auch in der Berufungs instanz erfolge, daß die gerichtliche Voruntersuchung ein geschränkt und ein mündliches Beschwerdeverfahren in Haftsachen eingeführt werde, unter gleichzeitiger Bestellung eines Verteidigers für jeden wegen Verbrechens oder Vergehens Verhafteten. Doch könne der Entwurf nur als erste Stufe der Reform aufgefaßt werden. Sobald ein neues Strafrecht geschaffen werde, würde die Reform weiter fortzusetzen sein. Der Strafprozeß bilde den Gradmesser sür den politischen Sinn des Volkes, daher sei zu wünschen, daß sich das deutsche Volk bei der Reform des Strafprozesses hohe Ziele stecken möge. Hessen. (W.T. B.) Darmstadt, 4. Januar. Heute vormittag trat die Zweite Kammer wieder zusammen. Nach Eröffnung der Sitzung gedachte der Präsident Geh. Rat Haas der schweren Heimsuchung Italiens durch das Erdbeben und teilte mit, daß sämüiche Abgeordnete dem Hilfskomitee beigetreten seien. Auf eine Anfrage des Abg. Molthan betreffend die Einführung einer Flaschenweinsteuer er klärte Staatsminister Ewald, die Regierung habe im Bundesrat beantragt, alle Weine, die von Privaten auf Flaschen gefüllt und selbst verbraucht werden, soweit der Preis der Flasche 70 Pf. nicht übersteigt, von jeder Ab gabe freizulassen. Da dieser Antrag abgelehnt worden ei, habe die Regierung gegen den ganzen Entwurf ge stimmt. Nachdem die Abstimmung bekannt geworden sei, habe die Regierung eine besondere Verwahrung gegen die Steuer im Reichstage nicht für angebracht gehalten. Sie glaube vielmehr, es den hessischen Reichstags- abgeordneten überlassen zu können, die Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse Hessens an zuständiger Stelle zu sichern. Der Minister des Innern Braun erklärte, daß die Regierung die Aufgabe gehabt hätte, die Vorlage als Ganzes zu prüfen. Auf Grund dieser Prüfung sei sie zu dem ablehnenden Standpunkt gekommen; denn zweifel los würde ein Teil des Landes durch die Weinsteuer schwer betroffen. Finanzminister Gnauth äußerle sich über die Finanzlage Hessens und berief sich dabei im wesent lichen auf die Ausführungen der Kronräte. Der Minister stellte, falls die Reichssinanzreform nicht zustande komme, eine Erhöhung der direkten Steuern um 25 bis 30 Proz. für 1910 in Aussicht. unrichtigem Fahrwasser. Der „TempS" wird wohl unsere Kom petenz in Abschätzung de» un» von der deutschen Politik ge- währten Ausmaße» von Unterstützung nicht in Frage stellen können. ES wird ihm daher genügen, zu erfahren, daß die Er- klärungen Bülows im Reichstage, sowie die Tatsache, daß er sich auch sonst bei jeder Gelegenheit mit aller Entschiedenheit auf unseren Standpunkt gestellt hat, ganz und gar die Höhe unseres Anspruchs auf die Treue de- Verbündeten erreichen und daß mehr uns als weniger erschienen wäre. Die Nervosität, die in manchen Pariser Kreisen wegen der langen Dauer der Krisis herrscht und die der „TempS" durch seine Bemerkungen Ausdruck bringt, ist offenbar schuld daran, wenn in diesen Kreisen den Schaden verkennt, den ein kereS Hervortreten der deutschen Politik für die Wirrung der Lage bedeutet hätte, und den Vorteil, ihre Zurückhaltung sür diesen Zweck tatsächlich bedeutet. Deutsches Reich. Novelle zum Strafgesetzbuch. Ihren bereits gestern von uns wiedergegebenen Mit teilungen über die dem Bundesrat vorliegende Novelle zum Strafgesetzbuch fügt die „Kölnische Zeitung" noch hinzu: Vom Gesichtspunkt einer veränderten Behandlung von Straf taten aus Grund sozialpolitischer Rücksichten aus soll für gewisse Gesetzesverletzungen, bei denen nach dem geltenden Recht aus schließlich Gefängnisstrafe verhängt werden kann, die aber, wie der qualifizierte Hausfriedensbruch, der Arrestbruch u.a.m., häufig sehr leichter Art sind, eine gelindere Ahndung durch wahl weise ZulassungvonGeldstrafen ermöglicht werden. Desgleichen soll eine mildere Behandlung der Entwendung gering wertiger Gegenstände zugelassen werden, namentlich dann, wenn die Tat aus Not begangen ist. Gerade auf diesem Gebiet hat bekanntlich die Höhe der nach dem geltenden Gesetz eintreten den Strafen in zahlreichen Fällen zu einer scharfen und sicherlich berechtigten Kritik Anlaß gegeben. Ferner kommt eine Ein engung des Tatbestandes der Erpressung in Frage, um die Mißstände zu beseitigen, die, vor allem auf dem Gebiet des gewerblichen Lohnkampfes, durch eine übermäßige Ausdehnung des Erpressungsbegriffs hervorgerufen werden. Anderseits sucht die Novelle aber auch für gewisse Straftaten eine nachdrücklichere Verfolgung herbeizusühren. So namentlich für die rohe Miß handlung von Kindern und anderen hilfsbedürftigen Personen durch ihre Gewalthaber und so auch für die Tierquälerei. Daß das in den letzten Jahren bei uns viel erörterte Problem eines wirksamen Rechtsschutzes der Ehre bei dieser Gelegenheit nicht unberührt bleiben würde, ließ sich ohne weiteres annehmen, zumal auch der Reichs kanzler in der vorerwähnten Reichstagsrede auf diese Frage ein gegangen war. Es ist zwar davon auszugeyen, daß die Erörterung, inwieweit auf dem Gebiet der Beleidigung eingreifende Änderungen in dem System der geltenden Vorschriften angezeigt sind, der all gemeinen Revision des Strafgesetzbuch- Vorbehalten bleiben muß. Es spielen dabei schwierige Fragen eine Rolle, insbesondere hin sichtlich der Grenzen des berechtigten Berufs der Presse, öffent liche Mißstände zu rügen. Dem Vernehmen nach will der jetzige Entwurf nur eingreifen, um den Beleidigten, der Schutz gegen die Verletzung seiner Ehre sucht, in dem Strafverfahren vor neuen Kränkungen zu bewahren, denen er zufolge der Zulassung des Wahrheitsbeweises jetzt leicht ausgesetzt ist. In Anlehnung an einen in vielen Gesetzgebungen des Auslandes anerkannten, in neuester Zeit auch bei uns in der Öffentlichkeit häufig empfohlenen Grundsatz, soll der Wahrheitsbeweis gegenüber der öffentlichen Verbreitung solcher Tatsachen eingeschränkt werden, die aus schließlich das Privatleben betreffen und das öffentliche Interesse nicht berühren. Außerdem wird von dem Entwurf eine beträcht liche Erhöhung der für die öffentliche üble Nachrede vorgesehenen Geldstrafe und der dem Beleidigten zukommenden Buße in Aus sicht genommen, um ähnlich wie in anderen Ländern für Ehr abschneidungen, die tief in die bürgerliche Existenz der davon be troffenen Personen einschneiden, eine dem öffentlichen Rechts gefühl mehr entsprechende Ahndung zu schaffen. Nach unsern Nachrichten soll der Gesetzentwurf in nächster Zeit an den Bundes rat gelangen. Man wird sich mit dem Vorgehen der Reichs regierung, als dringlich allgemein anerkannte kleine Abänderungen unseres Strafgesetzbuchs vorweg durch eine Novelle zu erledigen, einverstanden erklären können unter der Voraussetzung, daß des halb keine Verzögerung der allgemeinen Revision unseres Straf rechts eintritt." Internationale Kriminalistische Bereinigung. Berlin, 4. Januar. Gestern begann hier die Deutsche Landesgruppe der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung unter zahlreicher Be teiligung von Vertretern der kriminalistischen Wissenschaft und der Reichs- und Staatsbehörden ihre diesjährige Tagung mit einem Begrüßungsabend.. Unterstaatssekretär Mayr hieß im Namen des Vorstands die Erschienenen willkommen. Eine gute Vorbedeutung sei es, daß die Ver einigung auf parlamentarischem Boden (im Abgeordneten hause) tage. Man dürfe hieran die Hoffnung knüpfen, daß die Verhandlungen und die Beschlüsse der Vereinigung auf die Herren Parlamentarier Eindruck machen würden. Eine Anzahl der angemeldeten Teilnehmer und Gäste sei noch nicht erschienen, er heiße diese in contumaciam will kommen. Geh. Justizrat Meier-Dresden sprach im Namen der sächsischen Staatsregierung, deren Gruß er der Ver einigung entbot. Alle beteiligten Justizverwaltungen würdigten im hohen Maße die Bedeutung der Tagung. Gelte es doch, die Grundlagen der seit 33 Jahren be stehenden Strafprozeßordnung daraufhin zu prüfen, ob sie noch den Forderungen der fortgeschrittenen Zeit in bezug auf Freiheit und Gerechtigkeit entspreche. Heute begann die Beratung des eigentlichen Arbeits programms. Nach der Bureauwahl wurde Unterstaats sekretär Mayr zum ersten Vorsitzenden gewählt, zu seinen Stellvertretern Generalstaatsamckdlt Geßler-Dresden und Geh. Rat v. Engelberg-Mannheim, zu Schriftführern Prof. Mittermaier München und Amtsrichter Friedcberg- Berlin. Unterstaatssekretär Mayr übernahm den Vorsitz mit Worten des Dankes und erinnerte an die Bedeutung der Tagung. Hieran schloß sich das Generalreferat über den Entwurf der Strafprozeßordnung. Ter erste General-
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