Anspielungen auf den ersten Satz lassen die Einheit des gesamten sinfonischen Zyklus spürbar wer den. Selbst im gewaltigen Es-Dur- Hauptthema ist keimhaft das Ur thema der ganzen Sinfonie enthal ten, das Hauptthema des ersten Satzes, das bald in originaler Ge stalt erscheint. Während das zwei te Thema stimmungsmäßig auf hellt, beginnt das dritte Thema zu nächst düster. Auch der kon- trapunkt- und phantasiereichen Durchführung geht-wie dann der Coda - eine Einleitung voraus. Machtvoll, mit feierlichen Choral klängen und aufrüttelnden Trom petenrufen, verklingt der Satz in strahlendem Es-Dur. d.h. Beginn der 4. Sinfonie Bruckners in der 2. Fassung. Autograph, National bibliothek Wien Im Zentrum des Brucknerschen Wer kes stehen die neun Sinfonien, wel che alle übrigen Kompositionen, selbst die drei großen Messen, in den Hintergrund drängen. Die Sin fonien weisen eine Vielzahl von Übereinstimmungen in der forma len, strukturellen und klanglichen Anlage auf, die es nahelegen, von einem „sinfonischen Typus" zu spre chen und die einzelnen Stücke als jeweilige Realisierung dieses „Ty pus" zu untersuchen und zu erklä ren. Ignorante Kritik schöpfte dar aus das Bonmot, Bruckner habe nur eine Sinfonie, diese aber gleich neunmal komponiert. Aber selbst Apologeten kamen zu dem Schluß, daß die Sinfonien ob ihrer Ähnlich keiten zwar immer und unverwech selbar Bruckners Handschrift erken nen ließen, daß mit gleicher Sicher heit jedoch nicht von einem spezi fischen Charakter eines jeden Wer kes gesprochen werden könne ... Obwohl es in hohem Maße töricht wäre, das „Typische" übersehen oder gar vertuschen zu wollen, be steht eine nicht minder große Ge fahr darin, dieses „Typische" als blankes Klischee zu behandeln und ihm alles Individuelle zu unterwer fen. Bereits die Sinfonien 1 bis 3 stellen unterschiedliche Lösungen des sin fonischen Problems dar, ausgehend freilich von bestimmten gemeinsa men Grundlagen. Es gibt Vorgriffe und Retardierungen, etwa im Ver hältnis zwischen der 1. und 2. Sin fonie, und die 3. unternimmt den entscheidenden Schritt zu dem, was als Inkarnation des Brucknerschen Sinfonietyps bezeichnet werden könnte: der Entfaltung eines hym nisch-pathetischen „Tons" nicht nur