Die am 22. November 1874 voll endete erste Gestalt der Sinfonie Nr. 4 Es-Dur, der „Romantischen Sinfonie", wie Anton Bruckner sie nannte, wurde bald vom Komponi sten verworfen, der sich erst nach mehreren Umarbeitungen zufrie dengab. Verhältnismäßig spät, im Februar 1881, gelangte das Werk durch die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter zur Urauffüh rung. Heute gilt die „Vierte" als die populärste unter den Brucknerschen Sinfonien. Sie erklingt in unserer Aufführung in der 2. Fassung von 1878/80. Der Begriff des „Romantischen" verband sich in der Vorstellung Bruckners zweifellos mit dem Mit telalter; denn er charakterisierte die Stimmung des ersten Satzes folgen dermaßen: „Mittelalterliche Stadt- Morgendämmerung - von den Stadt türmen ertönen Morgenweckrufe - die Tore öffnen sich - auf stolzen Rossen sprengen die Ritter hinaus ins Freie - der Zauber des Waldes umfängt sie - Waldesrauschen - Vogelsang - und so entwickelt sich das romantische Bild". Doch wäre es entschieden zu weit gegangen, wollte man diese auf eine Grund stimmung verweisenden Worte als ein konkretes Programm auslegen. Über dem Es-Dur-Tremolo der Strei cher erhebt sich ein Hornmotiv, mit dem die erste Themengruppe des ersten Satzes (Bewegt, nicht zu schnell) beginnt. Gesanglich ist das zweite Doppel-Thema, das einen Vogelruf, den Ruf der Waldmeise, nachbildet. In der kunstvollen, hoch poetischen Durchführung wird äus ser einem dritten Thema noch ein feierliches Choralthema in die mu sikalische Entwicklung einbezogen. Das große Es-Dur-Hauptthema be stimmt mit seiner gewaltigen, licht vollen Wirkung die Coda. Zu Beginn des zweiten Satzes (An dante quasi Allegretto) stimmen die Celli zur sordinierten Trauermarsch- Begleitung der Violinen und Brat schen einen seelenvollen, traurigen Gesang an. (Der Komponist sprach in diesem Zusammenhang von der „zurückge wiesenen Liebe eines verliebten Bur schen".) Vor dem Eintritt des den Bratschen zugeteilten, an die Stim mung des ersten anknüpfenden zweiten Themas erscheint auch hier ein Choralsatz. Liedhaft, strophisch fast ist der Aufbau dieses Satzes. Klassische Formgestalt hat das Scherzo (Bewegt), dessen Hauptteil von fröhlichem Hörnerschall erfüllt ist. Rufen die Hornsignale zur Jagd, so bringen Flöte und Klarinette im Trio eine sich anmutig wiegende Ländlermelodie, die Bruckner „er läutert" hat als „Tanzweise während der Mahlzeit zur Jagd". Der Scher zo-Hauptteil wird sodann wieder holt. Sehr großflächig ist die Anlage des Finales (Bewegt, doch nicht zu schnell), das zunächst mit einer Ein leitung beginnt. Über nimmermü dem Pochen der Streichbässe auf einem Ton lassen die Blechbläser schließlich nochmals das Scherzo motiv erschallen. Die in dieser Ein leitung enthaltenen rhythmischen Die populärste Sinfonie Bruckners erklingt heute in ihrer zweiten Fassung von 1878/80. Anton Bruckner selbst nannte sie die „Romantische Sinfonie" Spieldauer: ca. 65 Minuten