Volltext Seite (XML)
Und so kam seine Entschei dung für Dresden dann doch überraschend. Aber Michel Plasson erklärt sie: “Als der Philharmonie-Intendant Oli vier von Winterstein mir die Stelle anbot, geschah dies zum richtigen Zeitpunkt für mich. Nach so vielen Jahren in Tou louse sah ich gerade jetzt den Moment gekommen, mich zu verändern. Jeder braucht eben einmal Tapetenwechsel. Ich war vom Dresdner Orchester, mit dem ich 1992 schon eine Südamerikatournee unternom men habe, begeistert. Es hat eine Eigenschaft, die mich in den Bann gezogen hat: seine unverstellte Musikalität. Ich denke, wenn es gelingt, noch einige technische Details zu verbessern, dann hat das Orchester eine wirklich große Zukunft vor sich.” Schon gleich die erste Frucht der gemeinsamen Arbeit, eine Einspielung mit den so ver nachlässigten Sinfonischen Dichtungen von Franz Liszt, stellt dies eindrucksvoll unter Beweis. Mit welch orchestraler Brillanz, instrumentaler Aku- ratesse und mit welchem musikantischen Schwung Das Portrait w diese oft gescholtene Musik rehabilitiert wird, das ermutigt zu den größten Hoffnungen auf Zukünftiges. Seit Michel Plasson im Sep tember 1994 seinen Dienst in Dresden offiziell angetreten hat, ist auch sichergestellt, daß er die Tradition der Dresdner Philharmonie ehren und fort führen wird: bisher hat er vor nehmlich das klassische und romantische deutsche Reper toire auf seine Programme gesetzt. Er betrachtet diese Verpflichtung auf das musika lische Erbe des Orchesters als großartige Herausforderung: “Das Wichtigste ist der Aus tausch zwischen dem Orche ster und dem Dirigenten, also dem, was ich bringen kann, und dem, was sie mir geben können. Und aus diesem Gemisch, das mit ein bißchen Glück eine Art alchemisti schen Prozess in Gang setzt, daraus machen wir ein großes Orchester. Es wird natürlich auch das französische Reper toire vertreten sein, denn warum soll ich meine Stärken verleugnen. Mehrheitlich werde ich aber deutsche romantische Musik dirigieren, das ist mein Wunsch. Denn ich bin ein romantischer Musi ker, und ich freue mich auf die Dresdner Begegnungen mit Brahms, Schubert, Bruckner und Wagner...” Dieses Orchester hat eine Zukunft, und Michel Plasson möchte mit ihm hart arbeiten, damit sie sich auch erfüllt. Wenn die Qualitäten der Dresdner Philharmonie ent wickelt sind, dann, so ist Michel Plasson fest überzeugt, dann wird man wieder ein gewichtiges Wort mitzureden haben im europäischen Orche sterkonzert. “Jeder Tag der Arbeit und jedes Konzert bringt etwas für sich. Was ich erreichen will, ist eine besondere Zusammen gehörigkeit, aus der sich ein Gefühl der Intimität, des traumwandlerisch vertrauten Umgangs miteinander ent wickelt. In der täglichen Zu sammenarbeit soll sich eine Selbstverständlichkeit im Sinne der Musik einstellen, so daß die vom Dirigenten ge wünschten Forderungen schnell und leicht ausgeführt werden können.”