Karl Dietrich Gräwe über Richard Wagner Im August 1857 hatte Richard Wagner die Kompo sitionen des “Siegfried” abgebrochen, nach Vollen dung der Orchesterskizze zum zweiten Akt. Die vollständige “Ring”-Dich- tung und die Partitur-Rein schriften von “Rheingold” und “Walküre” lagen fertig vor. Das Projekt “Tristan und Isolde” (dessen Entste hen Wagner schon im Dezember 1854 in einem Brief an Franz Liszt ange kündigt hatte) drängte sich vor, wachgerufen zunächst durch die Lektüre von Scho penhauers “Die Welt als Wille und Vorstellung”, ani miert bis zur Ekstase schließlich durch die Liebe zu Mathilde Wesendonck. Wagner hatte die Wesen- doncks (Otto, den reichen Seidenhändler, den hinge bungsvollen und hilfrei chen Wagneri aner, und seine Gattin) 1852 kennen gelernt. Im April 1857 zog er in das für ihn bereitete “Asyl” unmit telbar bei dem Haus der Wesendoncks auf dem “grü nen Hügel” bei Zürich. Nach sech zehn Monaten war die Situa tion untragbar geworden, mitten in der Arbeit am zweiten “Tristan”-Akt floh Richard Wagner nach Venedig, im Palazzo Giustiniani am Canale Grande vollendete er den zweiten, in Luzern im Hotel “Schweizerhof’ den dritten Akt. Im August 1859 war die Partitur von “Tristan und Isolde” fertig. Sechs Jahre später wurde sie im Münchner Hof- und Natio naltheater uraufgeführt, Dirigent: Hans von Bülow. A.bermals, und dann gleich doppelt, entsteht das Wech selspiel zwischen biographi scher Realität und künstleri scher Fiktion: Zuerst war es Mathilde in der Rolle Isol des, Otto Wesendonck als König Marke; Jahre danach verklärt sich Isoldens Büh nengestalt zur realen Cosi ma, König Marke findet sein irdisches Pendant im “Tri stan”-Dirigenten Hans von Bülow. “Kind, dieser Tristan wird was furchtbares! Dieser letz te Akt! Ich fürchte, die Oper