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Mathilde Wesendonck: Fünf Gedichte Der Engel In der Kindheit frühen Tagen Hört ich oft von Engeln sagen, Die des Himmels hehre Wonne Tauschen mit der Erdensonne, Daß, wo bang ein Herz in Sorgen Schmachtet vor der Welt verborgen, Daß, wo still es will verbluten, Und vergehn in Tränenfluten, Daß, wo brünstig sein Gebet Einzig um Erlösung fleht, Da der Engel niederschwebt, Und es sanft gen Himmel hebt. Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder, Und auf leuchtendem Gefieder Führt er, ferne jedem Schmerz, Meinen Geist nun himmelwärts! Stehe still! Sausendes, brausendes Rad der Zeit, Messer du der Ewigkeit; Leuchtende Sphären im weiten All, Die ihr umringt den Weltenball; Urewige Schöpfung, halte doch ein, Genug des Werdens, laß mich sein! Haltet an dich, zeugende Kraft, Urgedanke, der ewig schafft! Hemme den Atem, stille den Drang, Schweigend nur eine Sekunde lang! Schwellende Pulse, fesselt den Schlag; Ende, des Wollens ew'ger Tag! Daß in selig süßem Vergessen Ich mög alle Wonnen ermessen! Wenn Auge in Auge wonnig trinken, Seele ganz in Seele versinken; Wesen in Wesen sich wiederfindet, Und alles Hoffens Ende sich kündet, Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen, Keinen Wunsch mehr will das Inn're zeugen: Erkennt der Mensch des Ew'gen Spur, Und löst dein Rätsel, heil'ge Natur! Im Treibhaus (Studie zu Tristan und Isolde) Hochgewölbte Blätterkronen, Baldachine von Smaragd, Kinder ihr aus fernen Zonen, Saget mir, warum ihr klagt? Schweigend neiget ihr die Zweige, Malet Zeichen in die Luft, Und der Leiden stummer Zeuge, Steiget aufwärts, süßer Duft. Weit in sehnendem Verlangen Breitet ihr die Arme aus, Und umschlinget wahnbefangen Ode Leere nicht'gen Graus. Wohl, ich weiß es, arme Pflanze; Ein Geschicke teilen wir, ob umstrahlt von Licht und Glanze,