Volltext Seite (XML)
ZUR EINFÜHRUNG Spieldauer: ca. 60 Minuten Tritonus-geprägte Kopfmotiv an stimmt, führt über eine Kadenz in die Satzfolge schnell (Allegro) - langsam (Lento) - schnell (Allegret- to vivo) - langsam (Grave), wobei sich die schnellen Sätze durch dra matische Erregtheit auszeichnen. Kontrastierend steht dazwischen eine dunkle, lyrische Lento-Medita- tion, die - wie häufig bei Schnittke - zwischen Freude und Traurigkeit, Ironie und bitterem Ernst changiert. Schließlich dann der Finalsatz, eine Passacaglia, die der Komponist fol gendermaßen charakterisiert: „Uber einem sich auf tausend Arten spie gelnden Choral erhebt sich ein un endliches Rezitativ der Cello stimme, das sich manchmal thema tisch gestaltet, manchmal nur spon tane Reaktionen beinhaltet. Kurz vor dem Ende kommt ein überschäu mender Höhepunkt, und dann bringt ein dunkler und dunkler wer dender abschwellender Orchester klang diese Lebensuhr zum unhör baren, ewigen Weiterklingen. Ich müßte noch sagen, daß jenes Passacaglia-Thema aus einer von mir 1973/74 komponierten Film musik stammt, einer Musik zu Eiern Klimows Film ,Die Agonie', der über die letzten Wochen Rußlands vor der schon mehr als 70 Jahre dau ernden Nacht in der Geschichte dieses Landes berichtet - mit einer wirklich heranbrechenden Morgen röte, die letztlich aber doch nur eine Hoffnung blieb (denn es gab ja auch schon eine ganz andere Röte ...)". Von den sechs Messen Franz Schu berts sind vier in den Jahren 1814 bis 1816 entstanden, Werke des Siebzehn- bis Neunzehnjährigen, die ohne Anspruch auf Bedeutung und sakrale Größe aus der Fülle einer überströmenden Jugend begabung geschaffen wurden. Un gleich bedeutender, vollwertige und charakteristische Meisterwerke der Gattung, sind die Messe in As-Dur aus dem Jahre 1 822 und die in Es-Dur aus dem Jahre 1 828, dem Todesjahr des Komponisten. Sie tei len die Vorzüge der Frühwerke, sind erfüllt von der gleichen liedhaften Melodiosität, von der gleichen Lust unbekümmerten Musizierens, aber sie erheben sich weit über jene durch Größe und Weife der Form, durch kirchliche Würde und Ernst in der Auffassung und Interpretati on des liturgischen Textes. Ihre mu sikalische Sprache ist von einer Ursprünglichkeit, in die das Erbe der polyphonen Vergangenheit nur noch schwach hineinwirkt. Ein Typus romantisch-sakraler Mu sik war geschaffen, der Meistern wie Dvorak, in mancher Beziehung auch Liszt und Bruckner zum Vor bild gedient hat. Die Messe in Es-Dur unterschei det sich von der in As-Dur durch eine innere Erregtheit, die sich oft in extremen Ausdrucksgraden be zeugt; sie stammt aus der letzten Lebenszeit des Komponisten, in der schon die Schatten des Todes in die Welt seines Musizierens fielen. Das chorisch-homophone „Kyrie" ist nicht mehr als ein kurzer, lyrischer