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DIE HANDLUNG DER OPER In der künstlichen Idylle eines Ge birgsgartens, dessen Betreten Fremden bei Todesstrafe verboten ist, wächst die provenzalische Prin zessin Jolanthe in der Obhut des Pförtners Bertrand und seiner Frau, der Amme Marthe, auf. Ihr Vater, König Rene, hält sie hier verborgen und in Unkenntnis darüber, daß ihr ein Geburtsfehler anhaftet. Nie mand darf in ihrer Gegenwart vom Sehen und vom Licht sprechen, denn sie ist blind und soll deswe gen nicht leiden. Außerdem ist sie bereits als Kind dem burgundi schen Herzog Robert anverlobt, ohne daß beide sich je begegnet wären, und Rene hofft noch immer, die Sehkraft Jolanthes durch die Heilkunst des berühmten mauri schen Arztes Ibn-Hakia herstellen zu können. Indessen spürt Jolanthe in der be sonderen Rücksichtnahme auf sie, auch in der Tatsache, daß andere ihre Tränen wahrnehmen können, ohne sie zu berühren, wie man ihr etwas verheimlicht. Sie bittet ihre Begleiterinnen, ihr einen Strauß Blumen zu pflücken. Während die se ihrer Bitte folgen, sinnt Jolanthe ihrer unerklärlichen Traurigkeit nach. Der Frühling ist ihr in der Kindheit viel fröhlicher begegnet, und so läßt sie sich gern von ihrer Amme mit einem Lied zurück in die Kinderträume entführen. Während in der Fernejagdlärm zu hören ist, bringt Almeric, der sich durch einen Ring und ein Schrei ben gegenüber Bertrand als Bote des Königs ausweist, die Kunde vom Eintreffen des maurischen Arz tes an der Seite des Königs. Erst durch Bertrand erfährt er von der Anwesenheit Jolanthes, von der es allgemein heißt, sie lebe in einem spanischen Kloster. Kaum hat er Schweigen gelobt, als der König und der Arzt erscheinen. Ibn-Hakia begibt sich zu Jolanthe, während der König angstvoll das Urteil des Arztes erwartet. Das fällt nicht hoff nungslos aus: Allerdings könne Heilung nur erfolgen, wenn Jo lanthe sich ihres Zustandes bewußt werde und eine Veränderung mit ganzer Seele auch wolle; und auch dann gäbe es keine Garantie auf das Gelingen. Bis zum Abend gibt Ibn-Hakia dem König Bedenkzeit, ob er seinem Rat folgen und Jolanthe die Wahr heit sagen wolle. Doch der ver drängt erste Zweifel, die ihn an sei nem bisherigen Tun befallen, und beschließt, das Risiko des Mißlin gens nicht einzugehen, weiter zu schweigen und den Arzt fortzu schicken. Da erfährt der Arzt Unterstützung von anderer Seite: Herzog Robert von Burgund und sein Freund Graf Vaudemont haben sich im Gebirge verirrt und betreten staunend die Gartenidylle. Von den Warnungen läßt Robert sich nicht abschrecken, während Vaudemont zögert. Nicht ahnend, daß er seiner An verlobten so nahe ist, möchte Robert die Begegnung mit ihr noch länger hinauszögern, denn er liebt die lothringische Gräfin Mathilde und möchte das Verlöbnis mit Jo-