auch kein „Gegenüber" im Sinne der Wiener Klassiker - man denke nur an die beiden Schläge, mit der die „Eroica" beginnt-, sondern sie enthalten in nuce die Gestimmtheit des ganzen Satzes, den Grundton der musikalischen Landschaft, die sich in epischer Ruhe vor unseren Ohren ausbreiten wird, auch wenn sie von Rissen und Sprüngen durch furcht ist. Schuberts Musik drückt hier etwas aus, was bisher in der Musik noch nicht gesagt wurde: Weltschmerz und Gebrochenheit. Sie öffnet weit die Arme, visiert ein ganz neues Verhältnis zum musika lischen Zeitablauf, überläßt sich nämlich einer assoziativen Erzähl haltung, in der Erinnerung, Verwei len und ungreifbare Sehnsucht zu einer musikalischen Realität zusam menfließen, die auf die Gestaltung des Gegenwärtigen, wie sie die Musik der Wiener Klassiker hervor brachte, völlig verzichtet. Schu berts „Unvollendete" kündet ah nungsvoll davon, daß die Kunst unter den neuen sozialen Bedin gungen der Entfremdung im bür gerlichen Zeitalter heimatlos wer den wird. Bis in die musikalischen Zellen hinein läßt sich das kompo sitorische Problem verfolgen, das der Metternichsche Alltag verur sachte: die Unsicherheit des Gelin gens von Musik überhaupt und die Antwort auf die Frage, warum es keine heitere Musik mehr geben kann. Beethovens mächtige sinfonische Konsequenzlogik läßt Schubert mit seinem gewaltlosen musikalischen Zugriff weit hinter sich. Großform ist für ihn eins mit musikalischer Befreiung. Doch ist die Vergeblichkeit der Chi märe befreiter Zeit einem solchen Unterfangen stets beigemischt. Das ist der wehmütige „Ton" Schuberts, wie ihn gerade die h-moll-Sinfonie so eindringlich ausspricht. Die kompositorische Frage taucht nun auf, wie Musik weitergehen könne, eine Frage, die bei den Wiener Klassikern undenkbar wäre. Das konstitutiv Fragmentarische ist der Preis, den Schubert dafür zu zah len hat. Es prägt sogar die inner lich vollendeten Werke. Unter die sen Voraussetzungen ist es denn auch gleichgültig, ob die äußerlich „unvollendete" Sinfonie nachträg lich vervollständigt wird. An diesbezüglichen, jedoch stets vergeblichen Versuchen hat es nicht gefehlt. Freilich vermochte sich keine dieser Vollendungen des Unvollendbaren im Konzertsaal durchzusetzen. Dietmar Holland Schuberts Musik drückt Weltschmerz und Gebrochenheit aus.