ZUR EINFÜHRUNG Die sogenannte „unvollendete" Sinfonie in h-moll - so genannt seit dem Titel des erst 1867 er schienenen Erstdrucks der beiden vollendeten Sätze heute eine der bekanntesten Sinfonien überhaupt, markiert einen qualitativen Sprung in Franz Schuberts Entwicklung als Sinfoniker nach Haydn und Mozart und vor allem neben Beet hoven. Nach den sinfonischen Fragmenten der Jahre seit 1818 holt er nun Atem und entwirft mit einem Schlag seine ganz eigene musikalische Sprache in der Instru mentalmusik. Das virtuose Nach musizieren der Wirkung, die Haydn und Mozart auf den jungen Schubert ausgeübt hatten, weicht einer grundlegend neuartigen mu sikalischen Haltung, die der Lieder komponist bereits 1814 mit der Ver tonung von Goethes „Gretchen am Spinnrad" in vergleichbar vollen deter Weise erreicht hatte. Im Be reich der großen Sinfonie, die Ro bert Schumann später die „oberste Gattung der Instrumentalmusik" nannte, galt natürlich Beethoven als geradezu erschreckendes Mu ster. Darauf verweist Schuberts be rühmter Ausspruch: „Wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?" So ist es kein Wunder, daß Schubert eine fundamentale Krise durchmachte, seit er sein Ver hältnis zu Beethovens Musik ernst haft überdachte. Er sah sich ge zwungen, einen eigenen Weg ne ben Beethoven zu finden. Die Entstehungsgeschichte der Sin fonie h-moll D 759 liegt jedoch im Dunkeln. Alles an dieser Sinfonie ist rätselhaft, auch ihre Rezeptions geschichte. Mit der sogenannten großen C-dur-Sinfonie D 944 teilt sie das Schicksal, erst nach Schu berts Tod überhaupt „entdeckt" und uraufgeführt worden zu sein. Im Falle der Sinfonie h-moll dauer te das sogar bis 1865 (I). So selt sam es klingen mag: Das entspricht aber durchaus dem Ausnahme charakter dieser Sinfonie, die näm lich keine Schule hätte bilden kön nen und erst viel später, in der Musik Gustav Mahlers, eine eben bürtige Weiterentwicklung fand. Gesichert ist an dieser Sinfonie nur das Datum des Beginns der Parti turreinschrift (30. Oktober 1822). Alles weitere entzieht sich unserer Kenntnis: Warum zum Beispiel Schubert eine nur aus zwei Sätzen bestehende Sinfonie dem Steier märkischen Musikverein, zu dessen auswärtigem Mitglied er 1823 er nanntwurde, im September dieses Jahres als „eine meiner Sinfonien", also als vollgültiges Werk über reichte, auf welche Weise dann die Sinfonie nach Graz in den Pri vatbesitz des Komponisten und Schubert-Freundes Anselm Hütten brenner gelangte, warum dieser erst drei Jahre vor seinem Tod (er starb 1868) dem Wiener Kapell meister Johann Herbeck das Manu skript zur Uraufführung (am 17 De zember 1865 in Wien, mit dem Fi nale der 3. Sinfonie als Ersatz schluß) überließ und ob die Sinfo nie nicht vielleicht doch vollendet war - Klavierskizzen zu einem Spieldauer: ca. 25 Minuten