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Dresdner Journal : 08.01.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190801086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19080108
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19080108
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-08
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
- Titel
- Dresdner Journal : 08.01.1908
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7 Januar von Hongkong nach Hoihow und Pakhoi in See gegangen Die III. Halbflottille ohne 8 139 ist am 6. Januar von Kiel nach Warnemünde und am 7. Januar wieder in See gegangen (Voss Ztg) Kiel, 7. Januar. Da» Marinegericht ver urteilte den Oberleutnant z. E. Düne wegen Strandung de« kaiserlichen Depeschenboot« „8 87" im vorjährigen Kaiser- Manöver auf der Seehundsklippe bei Helgoland zu dreitägigem Kammerarrest. * Verschiedene Zeitungen bringen die Meldung, daß Staat«sekretär Dernburg Ende März d. I. nach Sachsen kommen wird, um in Dresden und Plauen öffentliche Vor träge über Kolonialverhältniffe zu halten Eine Bestätigung der Meldung liegt noch nicht vor, vielmehr wird die Nachricht von einzelnen Zeitungen bereit« al« unrichtig bezeichnet. * Gestern begann vor dem Schöffengericht in Cöln der Beleidigung«prozeß, den der frühere Reich«kommiffar vr Karl Peters gegen den verantwortlichen Redakteur der „Kölnischen Zeitung" Gustav Brüggemann und ihren Berliner Mitarbeiter, den früheren Gouverneur von Neu- Guir.ea Rudolf v Bennigsen angestrengt hat - Dem Prozeß liegt folgender Tatbestand zugrunde: Am 20. März 190« veröffentlichte die „Kölnische Zeitung" einen Artikel, der sich mit den am Tage vorher stattgehablen Reichstagsdebatten über den Fall Peters und über den vom Abgeordneten Bebel vorgebrachten Tuckerbrief beschäftigte. In dem Artikel findet sich die Stelle: „Bon größerer Wichtigkeit für den Fall PekdrS ist, daß in dem Akten material ein Brief vorhanden ist, den dieser an den englischen Bischof Woodwood von Magila gerichtet hat und der mit dem Inhalt des gefälschten Tuckerschen Briefes große Ähnlichkeit hat.' Auf Antrag der Verteidigung hat das Gericht u. a. als Zeugen geladen: den früheren Gouverneur von Ostasrika Staatsminifter Frhrn. v. Soden (Stuttgart), den Asrikaforscher Graf Joachim Pfeil, Vizeadmiral v. Schleinitz (Pyrmont), Eisenbahndtrrktor Mittelstedt (Berlin), Tiermaler Kuhnert (Berlin), Hauptmann Fonck (Berlin), BezirkSamtmann v. ElponS (Berlin), Poltzeiassistent Neuhauß (Altona), Provinzialpater Acker (Kechtsteden). Justizrat vr. Sello alS Rechts- beistand deS vr. PeterS hat als einzigen Zeugen Frhrn. v. Pechmann (Berchtesgaden) geladen, der als Beisitzer an der Aburteilung des NegerboyS Mabruk und der Negerin Jagodja mttgrwirkt hat. Die Parteien sind persönlich zur Stelle. Nach einer Auseinandersetzung über die kommissarische Vernehmung deS Nichterschienener, Zeugen StaatSminister Frhrn. v. Sode« protestiert Justizrat Sello gegen die von den Angeklagten beabsichtigte Ausdehnung der Beweisführung aus die gesamte Amtsführung des Klägers am Kilimandscharo sowie gegen die Ladung so vieler Zeugen im letzten Augenblicke. Nach Verlesung des inkriminierten Artikels fragt der Vorsitzende den An geklagten v. Bennigsen: Sie wollen also beweisen, daß Vr. PeterS di« Tötung des Mabruk uud der Jagodja nicht aus sachlichen Gründen bat vornehmen lassen, sondern aus Eifersucht und wohl aus sexuellen Motiven ? — v. Bennigsen: Für mich kommt es darauf an, weil ich infolge dieses Artikels so schwer angegriffen wurde, darzulegen, wie rch zu meiner Stellungnahme gekommen bin, und ob über haupt dieser Artikel als Beleidigung aufgefaßt werden kann. Mir ist es von vornherein unklar gewesen, warum vr. Peters in diesem Artikel eine Beleidigung gefunden hat. AuS dem Zusammenhänge des Artikels geht klar hervor, daß er sich überhaupt gar nicht gegen vr. PeterS, sondern gegen vr. Arendt richtete, der in der betreffenden Reichstagssitzung wieder einmal den Versuch machte, den angeblichen Tuckerbrief dem Abg. Bebel als Schimpf vorzuhalten und durch unrichtige Darstellung des Tatbestands die Affäre Peters in falsches Licht zu rücken. Gegen dieses Austreten des vr. Arendt habe ich mich gewendet und dabei auseinandergesetzt, wie eS sich mit dem Tuckerbries wirklich verhält. Der Tuckerbrief hat in den ReichStagsverhandlungeu vom März 189« nicht die Rolle gespielt, die man ihm später zuwies. Der Tuckerbrief ist damals vom Abg. Bebel verlesen worden, aber ebenso auch die anderen gegen vr. Peters vorliegenden Beweismittel. Im Laufe der Verhandlungen, als Kolonialdirektor vr. Kayser sich diesem Beweis material gegenüber in die Lage gebracht fühlte, aus den vorhandenen Akten außerdem noch tatsächliche Mitteilungen zu machen, ergab sich dann, daß diese tatsächlichen Mitteilungen viel schwererer Natur waren als der Tuckerbrief. DaS ist in jenen Reichstagssitzungen ganz klar zum Ausdruck gekommen. Mit Schuld an der Verdrehung ist leider auch der verstorbene Kolonialdirektor Kayser selbst, der sich in den ReichstagSsitzungen des Jahres 1896 ebenso ängstlich an den Tuckerbrief geklammert hat, wie später vr. Peters und seine Freunde. Kayser hat das getan, weil er sich schultig fühlte, weil er Aktenmaterial kannte, auf Grund dessen er längst gegen vr. Peters hätte vorgehen müssen. Da hielt er sich dann an den Tuckerbries als einem Novum fest, um endlich die neue Untersuchung gegen vr. Peters einleiten zu können. Es ist aber nicht richtig, wenn vr. Peters behauptet, daß nur auf Grund deS Tuckerbriefs die dritte Untersuchung gegen ihn eingeleitet worden sei Wir wissen ja nun alle, wie es mit dem Tuckerbrief steht. Als Tuckerbrief existiert er nicht; aber es besteht ein Bries an den englischen Bischof SmithieS, der mit dem Tuckerbrief große Ähnlichkeit hat. Er ist ebenfalls an einen englischen Bischof gerichtet und enthält die Mitteilung über einen Ehebruch des gehängten Boys Mabruk und die Hinrichtung der Jagodja. Dem vr Peters selbst war die Existenz dieses Briefes äußerst peinlich. In der Disziplinaruntersuchung hat er sie bis zum letzten Augenblick geleugnet, und erst nach starkem Drängen deS Untersuchungsrichters Hal er dem damaligen Besitzer des Briefes, dem Major v. Zenric, die gewünschte Genehmigung zur Auslieferung deS Briefes an die Deutsche Botschaft in London erteilt. In der DiSziplinaruntersuchnng gegen vr. Peters ist dann tatsächlich fest- gestellt worden, daß er in Unterredungen mit den Zeugen Bronsart v. Schellendorf, Kuhnert, Miitelsledt, HermeS rc. sich auf den Stand punkt gestellt habe, daß er ein Recht gehabt habe, den Mabruk bez. auch die Jagodja wegen Ehebruchs zu hängen. Meine fragliche Behauptung kann aber auch schon deshalb keine strafbare Beleidigung deS Vr. PeterS sein, weil ich oen Beweis dafür antreten werde, daß für die Hinrichtung sowohl deS Mabruk wie der Jagodja die ge schlechtlichen Beziehungen maßgebend gewesen sind In ganz Deutsch- Ostafrika ist von Eingeborenen und Europäern der Tatbestand stets so aufgefaßt worden. Auch war man in Deutsch- Ostasrika allgemein des Glaubens, daß die folgenschweren Expeditionen deS Leutnants v. Bülow, der am Kilimand scharo seinen Tod fand, v. Manteuffels, die erfolglos blieb, und v. Scheeles, der erst durch seine große Energie etwas erreichte, nur notwendig geworden waren durch daS unentschuldbare Verhalten des vr. Peters. „Küstenklatsch', sagt vr. Peters, soll eS sein, aber davon kann nach dem Gutachten der hier anwesenden Sachverständigen nicht die Rede sein. Auch ich selbst halte un verrückbar an der Überzeugung fest, daß vr. PeterS den Mabruk und die Jagodja aus geschlechtlichen Motiven hat hängen lassen. AlS ich, der seit vielen Jahren preußischer Landrat war und bei Vorgesetzten und Untergebenen daS größt« Ansehen genoß, be schlossen hatte, nach Afrika zu gehen, mußte ich von allen Seiten hören: „Was wollen Sie denn da unten? Da gehen ja nur Leute hin, die etwas auf dem Kerbholz haben, nur schlechte Elemente.' Ich nahm mir vor, diesrn Gerüchten besonder- sorgfältig nach- zugehen. Ich erfuhr bald, daß die Gerichtssitzungen, die Vr. PeterS auf dem Kilimandscharo den Hinrichtungen hatte vorausgehen lassen, Scheinsitzungen waren zur Verteilung strafbarer Handlungen Ich hatte den jetzt verstorbenen Begleiter des vr. PeterS am Kilimandscharo, Jahnke, während der neun Monate, die ich Wißmann al- Gou verneur vertrat, kommissarisch im GouvernementSdienste angestellt, ohne zu ahnen, daß er an der Kilimandscharo-Affäre beteiligt sei. Al» ich später von ferner gut gespielten Gerichtsbeisitzerrolle hörte, ließ ich ihn sofort kommen und vernahm ihn zu Protokoll. Ich hielt ihm in ernsten Worten vor, wie er ch keine Veranlassung Er hat es hier so dargestrllt, wie e» ja auch u München versucht wurd«, alS ob eine hinterlistige Elique hinter mir stände, und sprach von einer PeterSpreffe und PetrrSmeute. Mir ist von der Existenz «iuer PeterSpreffe gar utcht- bekannt, e» libt in Deutschland nicht eine einzige Zeitung, über di« ich ver» üge. Mir ist auch nicht bekannt, daß in Deutschland eine einzige Zeitung schützend die Hände über mich hält. Ich muß mich dagegen wehren, daß Dinge hier hereingebracht werden, die gar nicht zur Sache gehören.' — Vorsitzender: DaS Gericht wird schon dafür orgen, daß die Beweisaufnahme in ihren Grenzen bleibt. — Verteidiger Rechtsanwalt Falk: Ich möchte doch endlich einmal vissen, wodurch Hr. PeterS denn beleidigt worden sein soll. — Bor- itzender: Das wird daS Urteil frststrllen. — Verteidiger Rechtsanwalt Zalk: Ich möchte gern die Auffassung der Gegenpartei hören. — Justizrat Sello: Ich bitte, «ine längere Pause eintrrten zu lassen, damit ich mich mit dem völlig unvorbereiteten Privatkläger besprechen kann LS sind hier mit einer ausgesuchten Technik eine Anzahl Feinde des vr. Peters als Zeugen und Sachverständige geladen worden und wir müssen nun unsere Bemühungen daran setzen, durch Ladung von Zeugen auch unsererseits eine auSgleichende Gerechtigkeit herbeizusühren. Nach einer längeren Pause verliest dann der Vorsitzende zunächst ein Schreiben des JustizminifterS vr. Beseler, wonach dem BezirkS- hauptmann v. ElphonS die Genehmigung erteilt wird, über die im Anträge des Gerichts genannten Gegenstände auSzusagen, ebtnso über alle anderen Umstände, die nicht die Amtsverschwiegenheit be- reffen. Dieselbe Genehmigung hat der Staatssekretär des ReichS- olonialamt» dem Frhrn v. Soden erteilt, während für Hrn. v. Reden >ie Genehmigung deS Auswärtigen Amtes zur Aussage noch au»- eht. Ferner ist dem Gericht zugegangen rin Schreiben an den öischof Smithies vom 3. April 1893 im Original, sowie die Ans agen deS Leutnants a. D. Bronsart v Schellendorff und die AuS- age deS verstorbenen Konsuls Baumann. — Verteidiger RechtS- inwalt Falk beantragt, das Schreiben an den Bischos Smithies, da» u englischer Sprache abgesaßt ist, durch gerichtlichen Dolmetscher in» veutsche übertragen zu lassen. Privatkläger PeterS: Der vorgelegte vrief ist nicht derjenige, den ich an den Bischof Smithies abgeschickt habe. Dieses hier ist gewissermaßen nur ein Entwurf oder richtiger: diesen Bries habe ich an Smithies abschicken wollen. Als der Brief aber geschrieben war, habe ich mir gesagt, daß ich nicht einen eng lischen Bischos Berichte über amtliche Vorgänge erstatten könne. Ich abe daher einen anderen kürzeren Brief an ihn abgehen lassen. — lngeklagter v. Bennigsen: Ich frage den Kläger, ob er nicht diesen Brief dem englischen Major Zenric zur Beförderung übergeben hat. dazu gekommen wäre, sich zu einer solchen Tat mißbrauchen zu, lassen. Jahnke hat dann, ohne einen ernsten versuch der Recht- fertigung zu machen, den ganzen Vorfall damit zu «ntschuldtgen ver- snchl, daß er dem Befehle seines Vorgesetzten habe nachkommen müssen. Ich habe ihm geglaubt und ihn im Dienste gelassen, habe aber später erkennen müssen, daß ich mich leider in der Person dirse» Jahnke doch getäuscht hatte. Schoa ehe die dritte Untersuchung gegen vr. Peter» augeordnet war, stand bei mir aus Grund meiner Erfahrungen und der AkienkenntniS sest, daß die beiden ersten Unter suchungen nur Schetnuatersuchungen gewesen waren, daß man sie ab sichtlich hatte im Sande verlaufen lassen. Damals war ich geneigt, die ganze Schuld dem verstorbenen Kolonialdtrrktor Kayser zuzu- schreiben. Seitdem habe ich mich überzeugt, daß bei dieser Gelegen heit ebenso wie bet allen späteren Versuchen, Peters wieder in den ReichSdieast zu bringen, Kayser die schweren Vorwürfe gar nicht ver- ! diente, die ihm von vielen Seiten gemacht worden find. Er war ein 1 außerordentlich tüchtiger Beamter, leider aber auch ein sanfter, I schwacher, nachgiebiger Charakter. DaS war in diesem Falle sein s Unglück; denn die PeterS-Affäre hat wie ein Wurm an seinem Marke 1 gezehrt und ihn srühzeitig in» Grab gebracht. (Mit erhobener ! Stimme.) Das werden wir beweisen! AlS der Auftrag zur dritten I Untersuchung nach Ostafrika gelangte, da entsinne ich mich, daß mein Freund Frhr. v Manteuffel, ein Mann, aus den man sich voll- < kommen verlassen konnte, zu mir sagte: „Bennigsen, dieser. . . — ! ich vermeide den Ausdruck, den er gegen PeterS gebrauchte — hat ! zu allen anderen Schandtaten auch noch eine Aktensälschung in der 1 Kilimandscharo-Affäre aus dem Gewissen. Ich fing daraufhin an, die Akten zu studieren und sand, daß PeterS den unbegründeten Feldzug gegen den Häuptling Malamia statt wahrheitsgemäß mit dem Fortlaufen der Weiber, mit dem Fortlaufen eines Mannes und der Spionage der Jagodja erklärt hatte. Immer von der Meinung ausgehend, daß auch die dritte Untersuchung nur eine Scheinunter- suchung sein werde, habe ich eS durch Hinweise in den Akten, durch AusrusungSzeichen und durch einen Sonderbericht, den ich erstattete, den Herren in Berlin möglichst schwer gemacht, diesen Punkt zu übergehen. Denn wir waren drüben außerordentlich mißtrauisch gegen Berlin geworden Immer wieder tauchte die Nachricht aus, daß Peters Gouverneur von Deutschostafrika werden solle. Ich habe ! damals öffentlich erklärt — und wer mich kennt, weiß, daß ich meine 1 Erklärungen wahr mache —, daß im Falle der Ernennung deS , vr. Peters ich auS dem Kolontaldien sie ausscheiden und mein Abschieds- 1 gesuch damit begründen würde, daß ich unter einem Peters nicht Beamter bleiben könne Gleichzeitig kündigte ich an, daß ich die ganze Kilimandscharoaffäre veröffentlichen würde. Nach meiner An sicht kann es nicht geduldet werden, daß jemand mit einer solchen afrikanischen Vergangenheit wie vr Peters in unserem öffentlichen Leben eine Rolle, sei es alS Beamter, sei es als Politiker, spielt. DaS aber ist noch immer das Ziel, daS PeterS und seine Freunde zu erreichen suchten. Erst kürzlich mußte die nationalliberale Partei des Reichstags in ihrem offiziellen Organ eine nationalliberale Reichstagskandidatur de» vr. Peters energisch von sich abschütteln. DaS ist der Zweck, zu dem milde Urteile unsere- obersten Dtszi- plinarhosS gröblich geschimpft werden, und zu dem jeder Mann, d«r jemals als Beamter, Zeuge oder Schriftstiller dem vr. PeterS ent gegentritt, durch die ganze Welt verfolgt oder nach seinem Tode als geistig minderwertig hingestrllt wird Wie viele Männer sind schon ganz grundlos der Mitarbeit am Tuckerbriefe beschuldigt worden. Als bekannt wurd«, daß ich der Verfasser des inkriminierten Artikels sei, habe ich, der bis dahin noch unbescholten war, in kurzer Zeit folgende Worte gegen mich in der Peters-Presse ge sunden: „Mitarbeiter am Tuckerbrief, Helfer der Sozialdemokratie, Kolonialspekulant, treibende Kraft in allen möglichen An gelegenheiten, er gebraucht den Titel Gouverneur a. D., um Miß verständnisse Hervorzurusen, er hat die Südseeinseln einmal guber niert' Ich brauche wohl kein Wort zu erwähnen darüber, daß ich niemals, besonders auch nicht in der Peters-Affäre mit der Sozialdemokratie in Verbindung stand. Mich rühren diese Be schimpsungen nicht und wenn noch mehr kommen, so lege ich sie zu den übrigen. Aber einmal haben mir doch die PeterSschen An griffe gegen einen Beamten schwere Stunden bereitet. Als der Vorgänger des vr. Peters am Kilimandscharo, Hr. v. Eltz, seinen mutigen offenen Brief an vr. Peters erscheinen ließ, um die Vor gänge am Kilimandscharo ins rechte Licht zu setzen, fiel die PeterS- Presse wie toll über ihn her. Mir gingen damals, als stell vertretenden Gouverneur nach Dar es Salaam die „Leipziger Neuesten Nachrichten" zu, in denen v. Eltz aus seinem früheren Leben Wechselfälschungen und andere schwere Vorwürfe gemacht wurden. Eltz soll ja allerdings vor seinem Eintritt in die Ko loniallaufbahn, die übrigens vr. Peters herbeiführte, ein etwas abenteuerliches Leben geführt haben. Aber er war die ganzen Jahre am Kilimandscharo sür uns tätig und hat sich große Ver dienste erworben. Was sollte ich tun? Ich habe nach reiflichem Ermessen die Zeitung in einen eingeschriebenen Brief gepackt und an Eltz abgeschickt mit dem Auftrage, entweder sofort den Abschied einzureichen oder öffentlich gegen die Zeitung zu klagen. Nach einiger Zeit erhielt ich den Brief zurück und bekam die Nachricht von dem plötzlichen Tode v. Eltz. Ich schrieb den Tod meinem Briefe zu, nachher erfuhr ich, daß daS Hinscheiden des Eltz die Folge einer Tropenkrankheit gewesen sei. Er war so seinen Ver folgern durch den Tod entgangen und schweres Leid ist ihm erspart geblieben AuS persönlichen Gründen habe ich vr. Peters nie be kämpft, ich kenne ihn auch nicht, er ist mir ganz gleichgültig. Ich bin ihm aus sachlichen Gründen entgegengetreten, weil der bequeme Grundsatz: WaS mich nicht brennt, das blase ich nicht, meiner Natur völlig entgegenläust und weil ich in allererster Linie eine öffentliche Betätigung des vr. Peters in unserer allgemeinen wie in unserer Kolonialpolitik für verderblich halte. Die Gründe für meine An schauung liegen für einen ernsten nachdenklichen Menschen, der sich mit der Peters-Angelegenheit näher beschäftigt hat, offen auf der Hand. Hierauf nahm vr. PeterS das Wort zu einer Erklärung: „Es scheint, daß hier solche Dinge vorgebracht werden, die erst Gegen stand einer längeren Beweisführung sein sollen. Hr. v. Bennigsen hat Beschuldigungen wiederholt, die bereits alS vollständig unwahr nachgewiesen sind. — Vorsitzender: ES handelt sich hier zunächst erst um einseitig« Behauptungen der Gegenpartei. — vr. PeterS: Hr v. Bennigsen sagte, ich hätte ihn verklagt aus den ganzen Artikel hin. DaS ist nicht richtig. Ich habe ihn verklagt wegen der Be hauptung, daß der Tuckerbrief in ähnlicher Form existiert. Der In halt des TuckerbrirfS ist gekennzeichnet durch die Rede des Abg. Bebel. Wenn ein solcher Brief geschrieben worden wäre, so gebe ich zu, wäre die Kennzeichnung Bebels richtig gewesen. ES ist aber längst vachgrwiesen, daß der Brief und die in demselben behaupteten Tatsachen unrichtig sind. Die ganze Entrüstung des Reichstags, des Hrn. Leozmann und der anderen Herren war nur darauf begründet, daß die Angaben Bebels richtig seien. Nun haben aber alle Er hebungen längst ergeben, daß die Hinrichtung deS Mabruk und der Jagodja nicht im Zusammenhänge mit sittlichen Verfehlungen steht. ES ist längst nachgewiefen, daß Mabruk und Jagodja keine Beziehungen zu einander halten Ich habe durch den Grafen v. Arnim-Mu-kau im Reichstage mein Ehrenwort schriftlich abgegeben uud verlesen lassen, daß ich einen Brief solchen Inhalt- weder an Tucker noch «inen anderen Bischof geschrieben, noch daß ich derartige Handlungen be gangen oder zugegeben habe. Trotzdem tritt Hr. v. Bennigsen au und erklärt, daß ich einen solchen Brief geschrieben habe, wenn aus nicht an Tucker, so doch an Bischof SmithieS. Die Übereinstimmung, die in Wirklichkeit zwischen dem Tuckerbriefe und dem Briefe an SmithieS besteht, ist lediglich die, daß beidemal der Adressat ein englischer Bischof ist und beide Briefe mit Tinte auf Papier ge schrieben sind. Der Inhalt ist «in ganz anderer. In dem einen Briefe foll ich geschrieben haben, ich habe die Hinrichtung Mabruk» und Jagodja» wegen ihres Verkehr» miteinander vornehmen lassen, während in dem anderen, an Smithie» gerichteten Briese da» gerad Gegenteil steht. Diesen unwahren Behauptungen will ich nun endlicl Ausland. Zur Reise ves französischen Ministers des Auswärtigen nach Spanien. (W. T B.) Madrid, 7. Januar. Der französische Minister de« Äußern, Pichon, und Gemahlin wurden heute vom König und der Königin onpfangen. Zur Balkanfrage. (Meldung de« Wiener K. K Telegr. Korresp-Bureaus.) Konstantinopel, 7 Januar. DiemacedonischeFinanzkommission »egann am 3. Januar ihre Sitzungen wieder, trotzdem die Mandate noch nicht verlängert sind. Die Einwanderung in die Bereinigten Staaten von Nordamerika. (Berl. pol. Nachr) Die Einwanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika hat auch im Jahre 1906/07 erheblich zu genommen Es sind nahezu 1300000 Menschen, also die Be völkerung einer Stadt von der Größe Hamburg« und Bremen»? zusammengenommen, in da« Gebiet der Union einaewandert. H In den beiden Vorjahren hat die Bevölkerung im Wege der Einwanderung nur um 1100000 bez 1026000 Seelen zu- genommen; die Steigerung gegenüber diesen beiden Jahren be trägt daher 17 bez. 25 Proz. über 13000 Einwanderung«- lustige mußten wegen unheilbarer und ansteckender Krankheiten, wegen gänzlicher Mittellosigkeit und au« anderen Gründen zurückgewtesen werden New A»rk ist noch immer der weitaus begehrteste Hafen sür den Einwandererverkehr. Von den 1,3 Mill. Einwanderern de« Jahre« 1906/07 wurden über 1 Million in New Uork gelandet, gegen 880000 im Jahre 1905/06. Boston hat 70000, Baltimore 66000, Philadelphia 30000 Einwanderer erhalten. Fast überall ist die Zahl der Einwanderer gestiegen, und besonders auffallend in Galveston von 1590 auf 9880. Dagegen hat die Einwanderung nach San Francisco, wohl infolge der unfreundlichen Haltung der dortigen Bevölkerung, etwas abgenommen. Was die Herkunft der Einwanderer betrifft, so ist noch immer Europa der jenige Erdteil, in dem die Union ihr Bedürfnis an Menschen material am ergiebigsten decken kann. Nicht weniger als 1200000 Einwohner oder 181200 mehr als im Jahre 1905/00 kamen au« europäischen Ländern Die wichtigsten Länder für die amerikanische Einwanderung sind Österreich-Ungarn, Italien und Rußland. Österreich-Ungarn lieferte 338450 oder 73 300 mehr als im Vorjahr, Italien 273100 oder 12600 mehr, Rußland 215670 oder 43300 mehr. Diese drei Länder sind demnach an der amerikanischen Ein wanderung im letzten Jahre mit über 800 000 Menschen oder mit etwa zwei Dritteln des gesamten EmwanderungsvnkchrS beteiligt. Gestiegen ist die Einwanderung auS Großbritannien, von 49 500 auf 51600, aus Belgien, Serbien, Montenegro, Bulgarien, Griechenland, Holland, Spanien und au« der Türkei. Die Einwanderung au« Deutschland, 37 800 in 1906/7 und 37 600 in 1905/6, und au« Frankreich, 9750 und 9400, hat sich ungefähr auf derselben Höhe gehalten. Die Einwanderung au« Irland zeigt eine geringe Abnahme Auf die gesamten nichteuropäischen Länder kommen nur etwa 100 000 Einwanderer. Unter ihnen marschierten die Japaner an der Spitze. Von den 40500 Asiaten, die in die Vereinigten Staaten erngewandert sind, waren über 30000, also nahezu 75 Proz. Japaner. Und die Abwehrmaßnahmen der amerikanischen Regierung werden mit einem Schlage ver ständlich, wenn man hört, daß im Jahre 1905/6 nur 13 800, im Jahre 1906/7 aber über 30 000 Japaner in die Vereinigten Staaten eingewandert sind. Die Zahl der japanischen Ein wanderer hat sich also mehr als verdoppelt. Dabei muß eS, wenigstens wenn man die Ergebnisse der gegen die chinesischen Einwanderer gerichteten Bewegung in« Auge faßt, zweifelhaft erscheinen, ob solche Abwrhrmaßregeln den gewünschten Erfolg in vollem Umfange haben werden Dem Emwanderungiverbot zum Trotz, da« im April 1904 erlassen wurde, haben zahlreiche Chinesen von dem benachbarten Kanada mko noch mehr von Mexiko au« den Weg in da« Gebiet der Union gefunden Das Vermögen der Einwanderer de« letzten Jahre« wird auf 25.6 Mill Doll, angegeben; demnach hätte jeder Einwanderer durchschnittlich 20 Doll in seinem Besitze gehabt Von jeher überwiegen die Männer unter den Einwanderern; ein" End« machen, d«rhalb klage ich überall in Deutschland. Auf aber niemal« ist diese, an sich ja natürliche Erscheinung so die übrigen Behauptungen de- Hrn. v Bennigsen einzugehen, habe stark zur Geltung gekommen wie im letzten Jahre, wo
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