Zwischen Nostalgie und Leiden schaft Deutsche kaiserliche Offiziere durf ten den Tango nicht in Uniform tanzen. Der Vatikan belegte diesen Tanz mit dem Verdikt der Unsittlich keit. Ähnliche Äußerungen von of fizieller Seite sind aus den ersten zwei Jahrzehnten unseres Jahrhun derts aus Frankreich, Österreich und dem kaiserlichen Rußland überliefert. Ganz offenbar sahen die Gralshüter der Moral in den Schritten und Körperhaltungen des Tangos mehr Laszivität, als ihnen für ihre Untertanen dienlich schien. (Was hätten sie, die damals Be denken laut werden ließen, wohl zu Lambada oder offen aggressi ver Sexualität der Sex Pistols, Jim Morrisons, Aerosmiths oder ande rer bedeutender Repräsentanten der Rockmusik gesagt!) Aber den Sittenwächtern gelang die Unter drückung des Tangos nicht - es ist ihnen noch nie gelungen, eine künstlerische Entwicklung auf Dau er aufzuhalten. Schon 1913, etwa drei Jahre nach dem ersten Be kanntwerden des Tangos in Euro pa, schreibt Jean Gilbert seine Operette „Die Tangoprinzessin" und darf sich des Erfolges sicher sein. Ihm folgen andere Komponi sten. Eins der berühmtesten Bei spiele für die Verwendung des Tan gos in der Bühnenmusik ist die Zu hälterballade „In einer Zeit, die längst vergangen ist" in Kurt Weills „Dreigroschenoper". Es muß wohl eine seltsame Faszination von die sem Tanz ausgehen, wenn er sich innerhalb weniger Jahre gegen in tensiven Widerstand durchsetzen konnte. Dabei liegen Herkunft und Entste hung des Tangos weitgehend im Dunklen. Selbst gute Kenner der Materie wie Yvan Arnar konstatier ten eigentlich nur, daß der argenti nische Tango eines Tages plötzlich da war. Freilich, Vorgänger, Früh formen lassen sich nachweisen: die kubanische Contradanza und die Habanera. Letztere tauchte be reits in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts auf und erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit. Selbst auf Europa strahlte dieser vermutlich aus Havanna stammen de langsame Tanz im Zwei-Viertel- Takt aus. Georges Bizet verwendet sie in ,,Carmen"(„L' amour est un oiseau rebelle"), ebenso Maurice Ravel im Quintett-Finale seiner Oper „Die spanische Stunde". Aber die Habanera ist noch kein Tango, obwohl sich Ähnlichkeiten nicht verleugnen lassen (auf die Musik der meisten Habaneras las sen sich Tangofiguren ohne weite res tanzen). Um 1850 hatte sich die Habanera in ganz Lateinamerika verbreitet und erhielt in Brasilien und der Gegend um den Rio de la Plata den Namen Tango. Und wieder sehen wir uns einer Unklarheit ausgesetzt, denn die Be deutung des Begriffs konnte bisher nicht eindeutig erhellt werden. Teils wird afrikanischer, teils kastilischer Ursprung vermutet (tano - ein Instru ment spielen). Damit im Zusammen hang steht die andere kontroverse