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Spielzeit ca. 38 Minuten Ein Werk von überschäumender Lebensfülle Für eines seiner „vorzüglichsten" Werke hielt Ludwig van Beethoven seine 7. Sinfonie A-Dur op. 92, die tatsächlich auch von ihrer tri umphalen Uraufführung an bis heute stets ein Lieblingswerk des Publikums wie der Dirigenten ge wesen ist und schnell eine außer ordentliche Popularität errungen hatte, wenn es auch anfangs, durch die Kühnheit und Neuartig keit dieser faszinierenden, aber höchst eigenwillig gestalteten Komposition bedingt, nicht an kri tisch ablehnenden Stimmen fehlte. Die von Beethoven 1811 begonne ne (einzelne Skizzen reichen schon in frühere Jahre zurück) und 1812 vollendete Sinfonie wurde zusammen mit der naturalistischen Programm-Sinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria" op. 91 in einem Wohltä tigkeitskonzert zugunsten verwun deter bayrisch-österreichischer Sol daten, die Napoleon 1813 in der Schlacht bei Hanau geschlagen hatte, am 8. Dezember 1813 un ter Leitung des Komponisten in Wien uraufgeführt. Als hochbedeutender künstleri scher Beitrag des vom „reinen Ge fühl der Vaterlandsliebe" durch drungenen Meisters zum Befrei ungskampf gegen die napoleoni sche Herrschaft steht das aufrütteln de, Elan und aktivierende Kraft ausstrahlende Werk gewiß mit der Zeit seiner Entstehung in ideellem Zusammenhang, wenn es sich hier auch weniger um direkte program matische Bezüge handelt. Die Uraufführung der „Siebenten" fand sechs Wochen nach der Völ kerschlacht von Leipzig statt, die Napoleons Untergang einleitete. Von der triumphalen Uraufführung an, bei der in der Wiener Univer sität neben Ignaz Schuppanzigh, Louis Spohr, Johann Nepomuk Hummel auch der alte Antonio Salieri im Orchester saß, erklang die Sinfonie in allen weiteren Auf führungen, die Beethoven leitete, stets gemeinsam mit „Wellingtons Sieg". Das jedesmal begeistert ju belnde Publikum verstand beide Werke als zusammengehöriges Paar, als Einheit von Kampf (op. 91) und Sieg (op. 92) über Napo leon. Bereits die nächste Generati on jedoch war außerstande, den politischen Kontext mitzubeden ken, ihr galt die Sinfonie als rein musikalisches Meisterwerk. Seither sind die Ansichten geteilt. Die mei sten Kritiker vermißten das Poeti sche, das Lyrische, ja melodische Substanz. Weber wollte Beethoven dafür ins „Irrenhaus" schicken; Wagner nannte sie die „Apotheose des Tanzes", Romain Rolland eine „Orgie des Rhythmus". Das Grundelement eines vitalen, pulsierenden Rhythmus, der sich in der Tat als beherrschende, alles ge staltende Kraft erweist (charakteri stischerweise gibt es in der ganzen Sinfonie, ebenso wie in der „Ach ten", keinen langsamen Satz), aber auch eine interessante, neuar tig bereicherte Harmonik, eine eng verzahnte Thematik und eine über aus großzügige, kühne Linienfüh-