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geht es meist um Todessehnsucht, Liebesqual und Verzweiflung. Dem Werk liegen zwar eine Reihe von dodekaphonischen Strukturen zu grunde, die teilweise von Gesualdos Klangzita ten abgeleitet wurden, doch sind die einzelnen Abschnitte auf tonale Pfeiler (G-E-A-D) ge gründet; das Stück beginnt in G und endet auf D, ist also übergeordnet-tonal konzipiert - der Versuch einer Synthese moderner Ausdrucksmit tel von Vergangenheit und Gegenwart. Die Metamorphosen sind ein Stück Bekenntnis musik — Bekenntnis zum Leben und Schaffen Gesualdos, eines Mannes, der vom Schicksal gezeichnet war, der in der Chronik Neapels be- |^nt war durch die Ermordung seiner ersten IBu und ihres Liebhabers. Dieser eminente Musiker war zugleich ein Mensch von übertrie bener Sensibilität und wilder, ekstatischer Hef tigkeit. Seine Kunst und sein Leben stand unter dem Gesetz der inneren Zerrissenheit, zwischen Auflehnung und Resignation (Verzweiflung und Hoffnung), zwischen Zartheit und Leidenschaft. Davon will meine Musik etwas aussagen.'' Wolfgang Amadeus Mozart brauch te nicht wie Mendelssohn oder Brahms die So loparte seiner Violinkonzerte von Virtuosen auf spieltechnische Mängel hin durchschauen zu lassen, da er bereits als Kind, vom Vater aus gebildet, ein Geiger von hohen Graden war. Seine Vorliebe für das Instrument fand ihren Niederschlag besonders in der Kammermusik und in fünf Violinkonzerten, die er alle 1775 als 19jähriger - in Diensten als Konzertmeister des erzbischöflichen Orchesters in Salzburg — zu eigenem Gebrauch schrieb. Im gleichen Jah re entstanden die Opern „Die Gärtnerin aus Liebe" und „II Re pastore". Es war die Zeit kurz nach den Erfolgen in Italien, von Ausein andersetzungen mit dem Erzbischof abgesehen, ■ e glückliche, problemlose Zeit, die sich im unbeschwerten Stil der Konzerte widerspiegelt. In jedem der anmutig-frischen, innig-unsenti mentalen Konzerte, deren Vorbilder italienische Meister wie Luigi Boccherini, die französischen Violinisten, wohl auch Michael Haydn und an dere waren, versuchte der Komponist, der Form neue Seiten abzugewinnen und ihre Tragfähig keit nach allen Seiten hin zu erproben. Die Dreisätzigkeit Vivaldis wurde beibehalten, hin zu kam die Sonatenform der ersten Sätze und deren Einteilung in vier Tutti und drei von diesen eingeschlossene Soli. „So nehmen diese Violinkonzerte in Mozerts Schaffen", wie Her mann Abert festgestellt hat, „eine ganz eigen tümliche Sonderstellung ein. Sie sind die Schöp fung einer selbstbewußten, mitunter über schäumenden Jugendkraft, die bald in zarter Schwärmerei, bald in übermütiger Laune schwelgt und mit der Form ihr hei teres Spiel treibt. Der daseinsfrohe Grund ton der aristokratischen Gesellschaftskunst mit seinem glänzenden Esprit wird kaum einmal getrübt, und besonders das erste D-Dur- Konzert KV 2 11 ist ein wahres Muster eleganter Salonkunst nach französischem Vor bild. Der französische Geist zeigt sich nicht al lein in den Einzelheiten der Form, sondern vor allem in der flüssigen Schreibart, die sich aller satztechnischen Künste enthält, und in der Herrscherstellung des Solisten dem Orchester gegenüber." Der Einleitungssatz (Allegro mo derato) des heute erklingenden Violinkonzertes D-Dur KV 211, das wie das in B-Dur KV 207 leider kaum noch zu hören ist, erinnert mit dem Serenadenton seiner Thematik auffallend an den Einleitungsmarsch der Serenata notturna vom Januar 1776. Das Schlußrondo bringt ein besonders reizendes Thema im Menuettstil und wirkungsvoll konstrastierende Episoden — eine davon in Moll. Komponiert wurde das Werk am 14. Juni 1775 in Salzburg. Zum Orchester gehören neben den Streichern 2 Oboen und 2 Hörner. An Hans von Bülow schrieb Richard Strauss am 23. Juni 1886: „Ich habe nie so recht an eine Anregung durch Naturschönheit geglaubt; in den römischen Ruinen bin ich ei nes besseren belehrt worden, da kamen die Gedanken nur so geflogen." So ist die Sin fonische Fantasie .. Aus Italien" G-Dur o p . 16 ein Niederschlag der italie nischen Eindrücke, die Strauss, der aus Ge sundheitsgründen zum erstenmal nach dem Sü den reisen mußte, an verschiedenen Stellen der Halbinsel in sich aufnahm. Nach München zurückgekehrt, wo der damals 22jährige dritter Kapellmeister an der Oper war, machte er sich sofort an die Partitur. Er selbst dirigierte sie erstmalig, in seiner Heimatstadt, am 2. März 1887; es gab viel Unruhe und Protest: „Die Aufführung meiner Fantasie über Italien hat großen Rumor hervorgerufen, allgemeine Ver blüffung und Wut darüber, daß ich nun auch meine eigenen Wege zu gehen anfange, meine eigene Form schaffe und den faulen Menschen Kopfzerbrechen verursache; die ersten drei Sätze fanden noch leidlichen Beifall; nach dem letzten, .NeapolitanischesVolksleben', deraller- dings etwas arg toll ist (in Neapel geht's aber auch bunt her), ging neben lebhaftem Beifall auch ordentliches Zischen los, das mir natürlich großen Spaß machte", berichtete er und setzte hinzu: „Nun, ich tröste mich, bin ich mir doch des Weges, den ich machen will, genau bewußt: Es ist noch keiner ein großer Künstler gewor den, der nicht von Tausenden seiner Mitmen schen für verrückt gehalten worden ist . . . „Der Inhalt besteht in Empfindungen beim An blick der herrlichen Naturschönheiten Roms und Neapels, nicht in Beschreibungen derselben", erklärte der Komponist als Antwort auf den Vorwurf, gewissermaßen „Ansichtskartenmusik'' geschrieben zu haben. Das gleiche hatte Best hoven zu seiner Pastoralsinfonie zu bemerken für richtig empfunden, der man ebenfalls das allzu Schildernde verübeln zu müssen glaubte. Wie haben sich übrigens die Ausdrucksmittel in den sechzig Jahren, zwischen Beethovens Landschaftsmalerei und den Straussischen Ton gemälden, entwickelt! Strauss beherrscht trotz seiner Jugend den gro ßen Orchesterapparat vollendet (und wird ihn noch weiter steigern!). Er ist hier noch Romanti ker, wenngleich einige Züge auf den eben im Entstehen begriffenen Impressionismus hinzu weisen scheinen. Er glaubt felsenfest an die „poetische Idee" jeder Musik: „Will man nun ein in Stimmung und konsequentem Aufbau einheitliches Kunstwerk schaffen, und soll das selbe auf den Zuhörer plastisch einwirken, so muß das, was der Autor sagen wollte, auch plastisch vor seinem geistigen Auge geschwebt haben. Dies ist nur möglich infolge der Be fruchtung durch eine poetische Idee, mag die selbe nun als Programm dem Werke beige fügt werden oder nicht", schreibt er im Jahre 1888 an Bülow. „Aus Italien" ist also das gefühlsmäßige, per sönliche Echo auf eine Italienfahrt. Der erste Satz führt uns an einem klaren Morgen in die Campagna romana. Strahlend geht die Sonne auf, aus der Ferne grüßen die Türme der Ewi gen Stadt, über den zweiten Satz hat Strauss die Worte gesetzt: „Fantastische Bilder ent schwundener Herrlichkeit, Gefühle der Wehmut und des Schmerzes inmitten sonnigster Gegen wart." Der folgende Satz malt ein lichtes Bild des Strandes, der leise an das Ufer rollenden Wellen und der süßen Lieder, die über das Meer zu klingen scheinen; selbst Debussy — der große Meister solcher Gemälde — empfand das „wohltuend Farbige" dieser Visionen. Im letzten Satz tobt das neapolitanische Volksle ben an uns vorüber, und Strauss symbolisiert es mit Hilfe des bereits damals äußerst volkstüm lichen Liedes „ Funiculi-Funiculä “ von Luigi Denza — sei es, weil er es für ein Volkslied hielt, sei es, weil sein Tarantellarhythmus ihm für seine Zwecke besonders geeignet erschien. Dieser Satz ist recht äußerlich geblieben oft kritisiert worden; schon Bülow, dem Komposition in tiefster Verehrung und DanT barkeit gewidmet wurde, meinte, daß hier Strauss „bis an die äußerste Grenze des ton- lich Möglichen (im Gebiete der Schönheit) ge gangen sei". Im Lichte der späteren Werke betrachtet, ist einiges Wichtige vorausgeahnt: einmal die Bereitschaft „bis an die äußerste Grenze" zu gehen, und zum anderen der so stark volkstümliche Sinn des künftigen „Rosen kava Her "-Komponisten. „Das Werk ist ziemlich neu und revolutionär", äußerte Strauss nach der Münchner Urauffüh rung, „und der letzte Satz hat bei den alten und jungen Zöpfen große Opposition, zum min desten Kopfschütteln hervorgerufen . . . Die Geg ner haben mich für halb verrückt erklärt, spre chen von Irrwegen pp. und was dergleichen Plunder mehr ist. Mein Stolz war ungeheuer; das erste Werk, das auf die Opposition des großen Haufens gestoßen ist, da muß es doch nicht unbedeutend sein . . „Aus Italien" — in seiner Nähe zu Mendelssohns „Italienischer Sinfonie" und Brahms noch ein echtes Jugend opus — zeigt uns den Komponisten auf seinem Weg von nur formal-schöner zu charakteristis^- schöner und bedeutsame! Musik am er|^A Ziel. In der Dresdner Philharmonie erklang Werk zuletzt 1952 unter Prof. Heinz Bongartz. Druck: GGV, BT Heid. 111-25-16 494770 2,85 JtG 009-2-85 EVP —,25 M Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Di. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in Opus 16 von Richard Strauss wurde dem Großen Konzertlexikon von Kurt Pahlen, München 1979, entnommen. Spielzeit 1984/85 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel 5. PHILHARMONISCHES KONZERT 1984/85