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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H YGI E N E-M U S E U M Freitag, den 22. Oktober 1965, 19.30 Uhr Sonnabend, den 23. Oktober 1965, 19.30 Uhr Sonntag, den 24. Oktober 1965, 19.30 Uhr 2. Philharmonisches Konzert Dirigent: Heinz Bongartz Ludwig van Beethoven 1770 - 1827 2. Sinfonie D-Dur op. 36 Adagio molto - Allegro con brio Larghetto Scherzo (Allegro) Allegro molto PAUSE Anton Bruckner 1824 - 1896 6. Sinfonie A-Dur Maestoso Adagio (sehr feierlich) Scherzo (nicht schnell) Finale (bewegt, doch nicht zu schnell) ZUR EINFÜHRUNG Z BONGARTZ Am 5. April 1803, drei Jahre nach der 1. Sinfonie, erlebte die 2. Sinfonie D-Dur op. 36 von Ludwig van Beethoven in Wien ihre Uraufführung. Sie erklang in einem eigenen Konzert des Komponisten im Theater an der Wien, dessen riesiges Programm weiterhin Aufführungen der 1. Sinfonie, des 3. Klavierkonzertes und des Oratoriums „Christus am Olberg“ brachte. Beethovens Zeitgenossen standen dem neuen Werk zunächst ziemlich ratlos gegenüber, stellten beispielsweise „übertriebenes Streben nach dem Neuen und Auffallenden“ fest. In Berlin schrieb die Kritik von den „dreiviertel Stunden lang ausge führten Schwierigkeiten“. Noch zwei Jahre später äußerte man: „Wir finden das Ganze zu lang und einiges überkünstlich . . . und das Finale halten wir . . . für allzu bizarr, wild und grell.“ Der Musikschriftsteller J. F. Rochlitz allerdings prophezeite schon: dieses Werk eines „Feuergeistes“ werde noch leben, „wenn tausend gefeierte Modesachen längst zu Grabe getragen sind.“ In Beethovens 2. Sinfonie kündigt sich - nach K. Schönewolf - „der Ideenmusiker an, der in der Leidenschaftlichkeit und Konsequenz der dialektisch-sinfonischen Aussage über das von Haydn und Mozart Erreichte bedeutend fortschreitet. . . Auf dem Wege zur hero ischen 3. Sinfonie, die eine neue Periode im Schaffen Beethovens und überhaupt eine neue Epoche der sinfonischen Musik einleitet, nimmt die 2. Sinfonie eine Mittelstellung ein. Inhaltlich und stilistisch steht sie noch der Ersten näher. Strahlend lebensfreudig im Grundcharakter wie diese, offenbart sic doch vertiefte Züge des Kämpfers und Ideen musikers Beethoven. Sie ist ein hervorragend selbständiges Kunstwerk mit durchaus eigenen, seinerzeit neuartig wirkenden Klangbildern. Überdies bietet die 2. Sinfonie eia bewunderungswürdiges Zeugnis für die Größe des Menschen Beethoven. Gepeinigt von der Furcht vor dem entsetzlich drohenden Verlust seines Gehörs, nahe der Verzweiflung, die in dem berühmt gewordenen Brief an seine Brüder (dem ,Heiligenstädter Testament*) ihren erschütternden Niederschlag erhielt, vollendete der Meister während jener qualvollen Sommermonate 1802 in dem Dorfe Heiligenstädt bei Wien diese herrliche, lebensbejahende Sinfonie. Beethoven wußte sehr wohl zu unterscheiden zwischen persön lichem Leid und seiner gesellschaftlichen Aufgabe als Künstler, der sich mit den Botschaf ten seiner großen Instrumental- und Vokalwerke an die Allgemeinheit der Menschen wendete. Hat doch der Überwinder des körperlichen Unglücks, der diese lebensvolle Musik geschaffen hat, während der Arbeit an der 2. Sinfonie und an vielen anderen un vergänglichen Werken seinem Jugendfreunde Wegeier das berühmt gewordene Bekenntnis anvertraut: ,Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht. Oh, es ist so schön, das Leben tausendmal leben!*“ Eine gewichtige langsame Einleitung (Adagio molto) ist dem ersten Satz (Allegro con brio) vorangestellt. Die anfängliche innige Stimmung muß bald ernsten, düsteren Klängen weichen. Nach einem dramatischen Höhepunkt, bei dem ein markantes d-Moll-Motiv ein geführt wird, das wie eine Vorahnung des Hauptgedankens im ersten Satz der Neunten anmutet, wird die Bedrohung überwunden, und ein lichtvolles erwartungsfreudiges Klin gen hebt an. Überraschend, nach schneidigem Anlauf der Violinen, ertönt das frohgemute Hauptthema der Bratschen und Celli zu begleitender Achtelbewegung der Violinen. Marschähnlich, triumphierend ist das signalartige zweite Thema. Das eigentliche Entwick lungsthema des Satzes ist jedoch das erste, dessen Kopfmotiv in der kunstvollen breiten Durchführung eine entscheidende Rolle spielt. Triumphierend schließt der Satz. Ein liebenswertes, romanzenhaftes Stück ist das A-Dur-Larghetto in Sonatenform. Die ersten Violinen stimmen das sanfte, liedhafte erste Thema an. Eine zweite, schwärmerische E-Dur-Melodie führt scheinbar Auseinandersetzungen herbei, die jedoch bald ins Heitere, ja Tänzerische gewendet werden. Es ist begreiflich, daß dieser Satz zu Beethovens volks tümlichsten Schöpfungen gehört. Im dritten Satz (Allegro), den Beethoven erstmals in einer Sinfonie mit Scherzo über schrieben hat, herrscht ein übermütiger, polternder Humor. Plötzliches Nacheinander von forte und piano ruft echoartige Wirkungen hervor. In einem gleichsam bizarren Fangball-