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für Deutschlands Wohlfahrt ein Herr geschlagen, ebenso wie seine» Bruder, dem es beschieden war, den Glanz der Kaiserkrone üb« da- geeinte Deutschland zu verbreiten. Nachdem die Rede durch Lebet geschloffen war, kommam dirte Se. Maj. d« Kats« mit gezogene« Degen. Achtung und ließ prSsentiren, woranf die Hülle fiel und die Natio nalhymne von allen Mustkchören gespielt wurde. Sämmt- liche Glocken läuteten, die Geschütze donnerten und mit dem Gesang des Chorals „Nun danket Alle Gott' schloß die Feier S. Maj. der Kats« besichtigte das Denkmal, sprach rahlreiche Anwesende an, ließ sich die Deputationen des zweiten VrenadierregimentS vorstellen und verlieb darauf den Festplatz. Se. Maj. der Kaiser wurde auf der Hin fahrt und Rückfahrt von einer sehr zahlreichen Volksmenge auf das Enthusiastischste begrüßt. — Die Bewaffnung der Berliner Criminal- und politischen Polizei mit Revolvern ist seit Ende voriger Woche durchgeführt. Erstere erhielt '20V, letztere 150 Stück Re volver. Die Prüfung derselben wurde für die politische Abteilung durch den Commiffar Herrn Hauptmann v. Man derode vorgenommen, der sich über die neue und praktische Lage der aus Tußstahl gefertigten, mit gezogenen und ein geschraubten Läufen versehenen Waffe höchst günstig ausge sprochen hat. Lie „Boss. Ztg." schreibt: „Ludwig U. ist eines der hervorragendsten Beispiele für den altbekannten Uebergang zwischen Genie und Geisteskrankheit. - Mit den herrlichsten Gaben des Verstandes, de- Talents und mit dem freilich gefährlichen Geschenk einer glühenden Phantasie ausgestattet, von aufrichtiger Liebe zu allem Guten erfüllt, war der Kö nig so recht »um Hervorragendsten seines Landes geschaffen. Aber eS gehört für derartig angelegte Naturen eine eiserne Gesundheit dazu, um sie die Grenze des Normalen nicht überschreiten zu lassen. Hier lag bei Ludwig ll. der ver wundbare Punkt, und das Naturgesetz, das die Herrscher der Erde ebenso behandelt wie die Unterthanen, trat in seine Rechte. Die Vorfahren des Königs waren in psychi scher Beziehung nicht sämmtlich fehlerlos. Abgesehen von ausgesprochener Geistesstörung in zwei Fällen der engeren Blutsverwandtschaft des jetzigen Königs, war sein Groß vater Ludwig I. bekanntlich ein Fürst, bei dem manche Handlungen einen Zweifel berechtigt erscheinen ließen, ob seine Excentricität nicht zuweilen über das Gesunde hinaus gehe. Von dessen Sohne Max I. ist weiteren Kreisen wenig bekannt; er war durch und durch ein Ehrenmann, aber intime Nachrichten bezeugen, daß er an einer entschieden krankhaften Unentschlossenheit, zu Zeiten an einer wahren Zweife'sucht litt, wie sie die Psychiatrie gerade als Folge erblicher Disposition zu Geisteskrankheiten hinstellt. Der erste, bei dem der Einfluß dieser Abstammung sich geltend machte, war der einzige Bruder Ludwigs U., Prinz Otto von Baiern. Auch er war gut beanlagt, aber bei ihm zeigten sich schon im jugendlichen Alter Bergistungsideen, denen im Laufe der Jahre andere Wahnvorstellungen folg ten, so daß nun seit langer Zeit schon eine vollkommene lrrenärztliche Ueberwachung des Prinzen fick als nothwen dig «wiesen hat. Ludwig U. selbst besaß vornherein eine festere Gesundheit, aber trotzdem gestalteten sich mit der Zeit manche seiner idealen Neigungen zu ausgesprochenen Sonderbarkriten um. Seine anerkannte Ssttenreinheit ward zur Weiberfeindichaft, seine Vorliebe für den Genuß der Natur zur EiniomkeitSsuLt; seine glänzende Geschichsskennt- niß und die Fähigkeit, sich entlegene Zeiten klar vor das geistige Auge zu stellen, führte ihn zur Gewohnheit, sich ganz in andere Jahrhunderte Hineinzuträumen und schließ ich Wochen- und monatelang in diesem Traume zu leben. lDadurch erklärt sich Vieles — die Bauten L la Versailles, die Abschließung von den Verwandten, von den Ministern, von seinem Volke, überhaupt von Allem, waö nicht in den eigenen, weltfremden Gedankenkreis hineinpaßt, die Beschrän kung seiner Umgebung auf eine Anzahl Soldaten, welche willenlos jedem Geheiß folgen. Früher traten wenigstens Pausen ein, in denen der Herrscher sich zuweilen seinem Volle zeigte, wennschon er auch dann möglichst die O-ffeut- tichkeit vermied (z. B. nie auf dem Bahnhof von München, sondern im freien Felde und in der Nacht aus dem Zuge in seinen Wagen umstieg u. s. w.). Seit fast Jahresfrist dagegen hat jeder Verkehr mit der Außenwelt aufgehört. Der König beschäftigt sich nur noch mit seinen Hirngespinn- sten und unterliegt rückhaltlos den Täuschungen seiner Sinne, die ihn oft in angenehm«, vielfach aber auch in quälendster Weise erfüllen und ihm nunmehr jede objektive, freie Ent schließung unmöglich machen. Das ist der gegenwärtige Zu stand; — leider macht seine Natur eine Besserung nicht wahrscheinlich." — Die Frage der Schuldentilgung der Civilliste wird von der des Regierungswechsels vollständig zu trennen sein. König Ludwig wird natürlich unter Vormundschaft gestellt werden, bezieht aber seine Civilliste (5*/, Millionen Mark) weiter; es wird sonach, nach Abzug der für seinen standes gemäßen Unterhalt nöthigen Summe, alljährlich ein so be deutender Ueberschuß verbleiben, daß in fünf, höchstens sechs Jahren die gesammte, übrigens nur 14 Mill. Mark betragende Schuldenlast gedeckt sein wird. Prinz Luitpold wird als Regent vom Lande, außer einem nicht sehr hohen Aversum für Unterhalt und Repräsentation, nur eine Ci villiste von 400,000 Mk. beziehen. München, 10. Juni. Die „Neuesten Nachrichten" bringen ein Telegramm aus Tirol, wonach der König, wel cher gegenwärtig in seinem neuen Schlosse Hohenschwangau residirt, von der Ankunft der Deputation und der Aerzte Kenntniß hatte, den Grafen Holnstein beim Eintritt in das Schloß gefangen nehmen ließ, wie die Bewachung des Schlosses durch Gendarmerie anordnete.. Stündlich wird die Ordre zur Freilassung des Grafen Holnstein und die Uebergabe des Schusses an die Staatskommission erwartet. Aus Sachse«. — In diesem Jahre werden Rebhühner zu einer seltenen und theuren Speise gehören. Die vielen Unwetter haben die Thier« beim Brüten gestört, denn hier und da findet man Nester mit Eiern, die von diesen Vögeln verlas sen sind. Auch junge Rebhühner, die das Hagelwetter töd- tete, wurden schon gesunden. Dresden, 10. Juni. Die Königlichen Majestäten sind mit den Prinzesstnen Mathilde und Josepha heute früh 4 Uhr von Sibyllenort zurückaekehrt. Dresden, 9. Juni. Mit dem Repetirgewehr ist jetzt, wie die „Vosstsche Zeitung" meldet, auch seit einigen Tagen da- Sächsische Schützen-Regiment Prinz Georq Nr. 108 in Dresden bewaffnet worden. Da der Mechanismus vor Unberufenen möglichst geheim gehalten werden soll, so werden die Gewehre nach dem jedesmaligen Gebrauch auf der Kammer abgegeben, bis verschließbare Schränke auf den Conidoren der einzelnen Compagnie-Reviere herzerichtet sein werpcn. Leipzig, 9. Juni. Die Anmeldungen zur Theil- nahme an der Alpenturnfahrt der sächsischen Turner mehren sich täglich und ist auch ein ganz erfreuliche- Interesse daran in den Kreisen zu bemerken, welche gewöhnt sind, während des Sommers einen größeren Ausflug mit Familie zu unternehmen. Ls dürfte aber auch eine günstigere, nach allen Seiten sorgfältigst durchdachte Gelegenheit bei den denkbar billigsten Preisen nicht gleich wieder geboten werden, denn für 30 M. resp. 45 M. bis Graz oder Triest bei einer 30 resp. 40iägigen Dauer m kommen, ist etwas so Außergewöhnliches, wie es nocht nicht da war. Damit wäre auch Denen, welche nur über 30 Tage freie Zeit zu verfügen haben, eS möglich ist, an der wetteren Reise mit Anlaufen und Besuchen der Städte Spalato, Cattaro, Korfu, Athen, Konstantinopel, Troja und Smyrna, theilzunehmen, so ist die Einrichtung getroffen, daß dar am 20. Juli Mit tags in Triest abgehende Schiff bereits am 12. August da selbst wieder eintrifft und somit Zeit genug ist, um am Sonntag, den 15 August in der Hrimath zurück zu sein. Die Anmeldungen und das Belegen der Plätze zu dieser Seereise muß bis zum 2l. Juni erfolgen, während für die übrigen Theilnehmer als Endtermin der 2. Juli festgesetzt ist. Für die Letzteren besteht auch noch die sonst bei solchen Unternehmungen nirgends zu findende Einrichtung, daß Denen, welchen aus irgend welchem Grunde die Mitreise unmöglich wurde, und dafsrn sie die Fahrkarten bis zum 20. Juli, also 4 Tage nach der Abfahrt zurückgegeben haben, der volle Betrag wieder zurückgezahlt wird. Eingehende Prospecte über dis gesammte Reise sind bei Herrn Emil Ulbricht, Colonnadeustraße hier, einzusehen, auch kann daselbst die Belegung der Plätze erfolgen. Großenhain, 8. Juni. Ueber eine neue Sekte, welche in der hiesigen Ephorie ihren Sitz hat und auch be reits in den Ephorieen Oelsnitz und Zwickau ihre Netze auswirft, berichtet die „Ev.-luth.K.-Ztg.": Sie ist in Betreff des Weges, auf welchem sie Offenbarungen zu empfangen vorgiebi, den Spiritisten nahe verwandt, ihre Lehre aber rst aus verschiedenen alten und neuen Sekten zusammenge- ragsn. Sie nennt sich theographischer Bruderbund" und -ehauptet, ein Medium zu besitzen, welches unmittelbar Offenbarungen von Christo empfängt, die über die heilige Schrift gestellt werden, d. h. mit ihr im Wiederspruch stehen. So wird die strafende Gerechtigkeit Gottes in Abrede gestellt und die Ehre als eine fleischliche Sache verworfen. Die Äundesbrüder sind theils „Apostel" aber in unbeschränkter Zahl, theils mit der Hand arbeitende „Jünger". In Rei nigung des Herzens, ganz der Bruder- und Nächstenliebe hinzegeben, in vollem gegenseitigen Vertrauen warten sie auf die Wiederkunft des Herrn. Sie sind überzeugt, daß in ihrer Sekte, „ihrem Hsiligthum oder Tempel" die unmittelbarste Gemeinheit mit der Gottheit bestehe und das vollkommenste sündloie Chnstrnlsben erzeugt werden könne. Die „Apostel" der Sekte heilen Kranke durch Handauflegung. Eine ihrer Kuren, die Heilung der Tochter eines Chemnitzer Schlossermeisters vom Veitstanz hat einen solchen Eindruck auf den Later dieses Mädchens gemacht, daß er sih mit seiner ganzen Familie den Theographen angeschloffen, ihnen sein Vermögen hingegeben hat und nun seinerseits als Apostel für deren Verbreitung wirkt. Plaue«, 10. Juni. Die Stände deS Bogtländischen Kreises hielten heute Vormittag 10 Uhr im großen Ralh- haussaale hier einen Kreistag ab, zu welchem über 40 Stände erschienen waren. Herr Vorsitzender Seiler begrüßte dis Anwesenden aufs Herzlichste und erklärte dis diesmalige spätere Abhaltung der Sitzung aus dem Umstande, daß er (der Vorsitzende) zur Herstellung seiner Gesundheit zu et -er Badekur genöthigt gewesen sei. Sodann machte derselbe Miltheilung über die im Kreise vorgekommenen Besitzver änderungen und über einen eingegangenen, Antrag dahin gehend, den Zinsfuß sämmtlich« Kapitalien, welche aus der Allgemeinen Kreiskaffe auszeliehen worden sind, auf 4 Pro zent herabzusetzen. Der Kreistag beschließt in diesem Sinne einstimmig. Die Herabsetzung des Zinsfußes hat von näch stem ZinSjahre an zu erfolgen. Eingeganzsn sind eine gro ße Anzahl Dankschreiben für gewährte Unterstützungen, Sti pendien u. s. w. Adorf, 9. Juni. Ein sehr bedauerliches Borkomm niß, das allerdings noch nicht recht aufgeklärt ist, beschäf tigt jetzt dis öffentliche Meinung und dir Staatsanwaltschaft. Der 38jährige Tischlergeselle Wilhelm SpiSke aus Otten dorf in Böhmen sprach vor einigen Tagen den Tischler Bechert hier, welcher einen Gesellen gesucht hatte, um Arbeit an, erhielt aber keine. Trotzdem kehrte der Wanderbursche kurz darauf wieder und verlangte Arbeit. Bechert gab ihm, um ihn los zu werden, einige Schläge auf den Rücken, aber nichts destoweniger kehrte der Fremde zum dritten Male wieder zu rück. Diesmal scheint Bechert den Stock etwas derb geschwungen zu haben; denn kurz darauf fand man den Fremden in der Nähe der Wohnung Becherts besinnungslos auf. Die Po lizei hielt ihn für betrunken und brachte ihn ins Äefäng- niß unter; doch als am andern Tag sein Zustand sich nicht gebessert hatte, mußte er ins Krankenhaus geschafft werden, wo er bald gestorben ist. Die Sektion de- Leichnam- er gab, daß der Tod infolge von Hirnhautentzündung einge- treten ist. Ob nun SpiSke schon vor der Affaire krank war, wie Bechert behauptet, oder ob diese Hirnhautentzün dung als Folge der erhaltenen Schläge anzusehen ist, wird die Untersuchung aufklären. Bechert ist gefänglich ringe zogen worden, und der Staatsanwalt au- Plauen ist heut zur Untersuchung des Falles hier eingetroffen. Die Vvr-««re tn Pest. »US Nest wird berichtet: Die Befürchtungen, die all gemein gehegt wurden, daß da- für Dienstag anberaumte Leichenbegängniß de- bl-her unbekannten Opfer- der jüng sten Excesse die Veranlassung zu neuerlichen Demonstra- tionen bieten werde, waren nur allzu gerechtfertigt. Die Leichenfeier wurde allerdings noch würdig vollzogen, allein sie wurde zum Ausgangspunkte sehr wüster tumultarischer Gtraßenscenen. Segen 1 'Uhr Mittags schon waren die Zugänge zur Todtenkapelle des Rochusspitals von ein« groben Menschenmenge besetzt, ebenso war die Kerepeser- siraße von Tausenden von Neugierigen besäet. Der Einlaß in die Todtenkapelle war Jedermann gestattet, da mau auf diese Weise hoffte die Identität des Unbekannten festzustellen. Dies ist auch thatsächlich einige Minuten vor Beginn der Trauereeremonie gelungen, indem der Selchermeist« Joseph Schwanz und drei seiner Sehülfen die Leiche als diejenige »es Ferdinand Braunstein«, 32 Jahre alt, als Selcherge- bülfe, im Komoruer Comttat geboren, erkannten. Zur an beraumten Stunde wurde der Sarg unter groß« Bewegung n den Hof gebracht und der Kaplan des Rochusspitals vollzog die kirchliche Ceremonie, zu der die radikalen Ab geordneten demonstrativ erschienen waren. D« Präsident des akademischen Lesevereins, Mediciner Melly, hielt sodann eine kurze Rede, deren Bombast Werth ist verewigt zu wer den. Er apostrophirte den unbekannten Todten: „Deins beiden Wunden" — sagte er — „haben Dich groß gemacht. Wir wollen bei dieser Trauerfeier nicht untersuchen, wer die Mordwaffe gegen Dich geführt, wir begnügen uns, eS laut hinauszurufen: Warst Du unser Landsmann, so kannst Du auf Anerkennung Ker ganzen Nation rechnen. Warst Da ein Fremder, so ist Dein Verdienst noch gröber!" Mit diesen Worten übergab er den Sarg im Namen der Studentenschaft an die Devutativn der Arbeit« mit der Aufforderung an dieselben, sie mögen das Grab des Unbe kannten pflegen, damit dasselbe als eine nationale Etnuerung erhalten bleibe. Kaum waren diese Worte verhallt, so drängte sih der Abgeordnete Julius B«hovay vor und forderte auf, den „großen Todten" bis zur letzten Ruhe stätte zu begleiten. Unter großem Geschrei wurde der Sarg hierauf in den Leichenwagen gehoben und der Con- duct setzte sich in Bewegung. Boran schritt ein Dien« des akademischen L-sevsreins, der das Kreuz trug, dann folgten Stndenten und Deputirte, endlich die ins Colossale ange wachsene Menschenmenge. Auch auf dem Friedhöfe hatten sich Tausende von Neugierigen angesammelt. Es war ein sogenanntes Fünfzig-Kreuz«-Grab aufgeschaufelt, welches Studenten sofort im Quarre? besetzten, um'dle Ordnung auf- rechlzuhalten. Es waren dies Mitglieder des Ausschusses des Lesevsreins, die als Abzeichen trlcolor« Cocardrn trugen. Ehe der Sarg zur Grube gesenkt wurde, sangen die An wesenden VöröSmarty'S Hymne „S,at". Dann hielt He« Berhovay thatsächlich folgende Rede: „Wozu wir herge- konmen? Gewiß nicht dieses Leichnames wegen, sondern wegen eines Blutzeugen unser« nationalen Ideen. Wir sind gekommen, um für jene Ideen zu drmonllrtren, die vor 37 Jahren Hentzi niedergestreckt haben. Wenn jene Anderen jenes gewisse Grab bekränzen, dann vollbringen wir zehntausend Mal mehr, wenn wir uns hier um das Grab dieses Märtyrers v «sammeln, denn dieser ist für das Vater land gestorben, Jener für snnen Sold. Ein Tropfen solchen Blutes ist mehr Werth, als die Säbel von Tausend Janskis. (Slürmische Rufe: Abzug Janski!) Wir sind ge kommen, um zu erklären, daß wir wohl sterben können, aber uns nicht entehren lassen. Nicht der eiserne Vigel, der das Denkmal Hentzis bewacht, sondern diese Kränze, die dieses Grab hier bedecken, machen einen Todten groß und ruhmreich. Haben jene Soldaten, so haben wir hon- veds, und wir Alle sind bereit, für das Vaterland zu sterben." — Diese Reds wurde mit grobem Geschrei begleitet. Es entstand tobender Lärm. Biele begannen das Küssuth« lied zu singen und mit der mühselig erhaltenen Ordnung war cs vorbei. Beim Verlassen des Friedhofs fand sich ausschließlich Pöbel, bestehend aus ungefähr 300 Köpfen, zusammen, die mit corybantischem Lärm den Rückweg über die Kerepeserstraße antraten. Verschiedene Polizisten wurden verhöhnt und verfolgt. Das Geschrei und der Skandal waren so groß, daß einige Ladenbesttzer der Hrtvanergaffe im ersten Schrecken ihre Geschäfte sperrten und der Verkehr tn jener Gegend für eine kurze Zeit vollständig ins Stocken gsrieth. Nicht mit Unrecht hielt man diese Vorgänge, welchs sich am Hellen Nachmittage ereigneten, von übeler Vorbedeutung für den Abend und die Nacht. Bald nach 8 Uhr zeigten sich auf dem Calvlnplatz vor dem Rochus- spital und beim Eingänge in die Hatvanergaffe, dieser c'.asst, schen Stätte aller Demonstrationen in der ungarischen Haupt stadt, die ersten Anzeichen neuer Ansammlungen uns schon nach wenigen Minuten war die Menge an dem letzterwähn ten Orte lawinenartig aagewachsen, so daß eS offenbar wurde, daß hier eine gewisse Organisation im Spiele fei. Der Verkehr an diesem Theile drS Karlsrings war beinahe un möglich. Der Eingang zur Hatvanergaffe wurde durch ein doppeltes Spalier berittener Constabler abgesperrt, ein »wei ter Cordon aus Csnstablern zu Faß stand bei der Ungar- gasss. Die AuSmündunz der Hatvanecgaffs gegen den Fran- zistanerplatz ist gleichfalls durch ein Piquet Beritten« abze- sperrt. Die Geschäfte in diesem Stadttheil wurden früher als sonst, die meisten Hausthore nach 8 Uhr geschloffen. Die Demonstranten standen länger als eine Stunde ruhig wartend auf der Stells; höchstens daß sie da und dort Po lizisten, die jetzt in ihrer Action verhindert waren, verhöhn ten. Trotzdem wurde die Haltung der Menge eins ziemlich bedrohliche. Dieselbe bestand zumssst aus lichtscheuem Ge sindel, von Studenten keine Spur. Die Polizei war davon avisirt, daß der Pöbel mit Steinen uns Wechingen ver sehen sei, demgemäß wurden alle Vorkehrungen getroffen. Der Hof der Polizeizentrale war voll von Constablern. Flie gende Boten kamen und gingen. Man wollte wissen, unter den Masse« sei die Parole aasgegeben: Blut für Blut. Die „Mörder des heute Begrabenen müssen gestraft «er den. Im Gegensätze zu den übrigen Theilen d« Stadt herrschte hier ein stürmisch bewegtes unheimliches Treiben. Man sah wahre Baffermann'sche Gestalten zu Lutzensrn. Die Studenten hielten Nachmittags eine Versammlung ab, in der wörtlich beschlossen wurde, ihre Thätigksit im Inte-