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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 7. März 1964,19.30 Uhr Sonntag, 8. März 1964, 19.30 Uhr 7. ZYKLUS-KONZERT MOZART — MAHLER Gastdirigent: Jindfich Rohan, Prag Solistin: Renate Frank-Reinecke, Dresden Gustav Mahler 1860-1911 3 Lieder für Sopran und Orchester Wer hat dies Liedlein erdacht Rheinlegendchen Ich bin der Welt abhanden gekommen — Pause — 7. Sinfonie e-Moll Langsam -Allegro Nachtmusik I Scherzo Nachtmusik II Rondo-Finale GUSTAV MAHLER Karikatur von Liadloff Dr. Dieter Hartwig GUSTAV MAHLER Bildnis einer großen Musikerpersönlichkeit (VI) Im Blickpunkt der Zeitgenossen verstellte der Dirigent Gustav Mahler dem Komnonisten Mahler den Weg. In der Tat galt ein gro ßer Teil seiner Arbeitskraft mei sterhaften Aufführungen bedeu tender Musikwerke der Vergangen heit und seiner Zeit. Ihm, dem so sehr die Verwirklichung humani stischer Ideale am Herzen lag, war die Pflege der humanistischen Tra ditionen der Tonkunst ein inneres Bedürfnis. Vor allem zu den Wer ken Beethovens, Wagners, Mozarts bekannte er sich in rückhaltloser, leidenschaftlicher Zustimmung. In diesen Schöpfungen glaubte er verwandte Saiten aufklingen zu hören, sah er sein eigenes hohes ethisch-sittliches Streben verwirklicht. Den genannten Meistern gegenüber traten Schubert oder Bruckner, denen er sich in seinen Kompositionen doch mehrfach und auf verschiedene Weise verpflichtet zeigt, merklich in den Hintergrund. Auch Verdi stand etwas im Schatten seiner musikalischen Lieblinge. Mahlers oft kaleidoskopartig wechselnde Ansichten und Urteile über Kom ponisten und ihre Musik sind als Äußerungen einer schöpferischen Persön lichkeit, die dem Gesetz ihres eigenen Schaffens Allgemeingültigkeit zu verleihen bestrebt war, natürlich ungemein subjektiv gefärbt, kaum einmal objektiv. So vermitteln sie in erster Linie mehr Aufschlüsse über den Künst ler selbst als über das kritisierte Objekt (wenn man beispielsweise an seine herben Urteile über Sibelius, Tschaikowski, Brahms, Schubert usw. denkt). Mahler wandte sich als Dirigent nicht nur den Werken seiner „Lieblinge" zu, sondern unternahm auch gern Entdeckungen bei kleineren Meistern. Immer aber war es ihm unerträglich, Schlendrian, Gleichgültigkeit, Klein lichkeit oder Mittelmäßigkeit im kapitalistischen Kunstbetrieb seiner Zeit begegnen zu müssen. Immer wieder kämpfte er gegen solche Erscheinungen, wo sie auch auftraten, gleichzeitig sich stets aufs neue die Frage vorlegend, ob sein Beruf sinnvoll sei. Tröstend war ihm der Gedanke: „Wer weiß, wo ein Samenkorn hinfällt!" Mahler fühlte sich beim Musizieren wie ein Priester, der eine dringliche Botschaft, etwas Heiliges auszusagen hat. Nach den vorliegenden Berichten von Zeitgenossen müssen seine Interpretationen unvergeßliche Erlebnisse bereitet haben. „Es war ihm gegeben, den Inhalt musikalischer Kunstwerke so tief auszuschöpfen, so deutlich wiederzugeben, als hätte man sie nie zuvor gehört. Besonders von seinen Opernaufführungen ging eine unbe-