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Im reizvollen letzten Satz schließlich, wird wiederum die menschliche Stimme in das musikalische Geschehen einbezogen: nach einem kurzen Orchestervorspiel berichtet ein Sopran-Solo — wie bei der 2. und 3. Sinfonie auf einen Text aus der Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ — in einer schlichten, von instrumen talen Zwischenspielen unterbrochenen Strophenliedkomposition von den Freuden des Paradieses, die hier auf eine recht ergötzliche, kindlich-naive Weise geschil dert werden. Eine „christliche Cocagne" (Schlaraffenland) nannte Goethe die Dar stellung des Paradieses in diesem Wunderhorn-Text, in dem die „himmlischen Freuden“ durch so irdische Vergnügungen wie gutes Essen und Trinken ausge malt werden. Mahler ist es ausgezeichnet gelungen, in seiner musikalischen Ge staltung des Gedichtes, an dessen Ende die Musik als höchste der Freuden ge priesen wird, der naiv-poetischen Stimmung des Vorwurfs gerecht zu werden; er fand für die Wiedergabe dieser lichten Freudengedanken echt volkstümliche, humorvolle und dabei innig-zärtliche Töne. Thematische Beziehungen bestehen sowohl zu allen vorangegangenen Sätzen des Werkes als auch zur 3. Sinfonie, als deren Schlußsatz das „Lied von den himmlischen Freuden" ursprünglich gedacht gewesen war. Urte Härtwig Text zur IV. Sinfonie von Gustav Mahler Wir genießen die himmlischen Freuden, drum tun wir das Irdische meiden. Kein weltlich Getümmel hört man nicht im Himmel! Lebt alles in sanftester Ruh. Wir führen ein englisches Leben, sind dennoch ganz lustig daneben. Wir tanzen und springen, wir hüpfen und singen, Sankt Peter im Himmel sieht zu. Johannes das Lämmlein auslasset, der Metzger Herodes drauf passet! Wir führen ein geduldiges, unschuldiges, ein liebliches Lämmlein zu Tod! Sankt Lucas den Ochsen tät schlachten ohn' einiges Bedenken und Achten. Der Wein kost' kein' Heller im himmlischen Keller. Die Englein, die backen das Brot. Gut Kräuter von allerhand Arten, die wachsen im himmlischen Garten! Gut Spargel, Fisolen und was wir nur wollen! Ganze Schüsseln voll sind uns bereit', gut Äpfel, gut Birn' und gut Trauben! Die Gärtner, die alles erlauben! Willst Rehbock, willst Hasen, auf offener Straßen sie laufen herbei. Sollte ein Fasttag etwa kommen, alle Fische gleich mit Freuden angeschwommen! Dort läuft schon Sankt Peter mit Netz und mit Köder zum himmlischen Weiher hinein. Sankt Martha, die Köchin muß sein. Keine Musik ist ja nicht auf Erden, die unserer verglichen kann werden. Elftausend Jungfrauen zu tanzen sich trauen. Sankt Ursula selbst dazu lacht! Keine Musik ist ja nicht auf Erden, die unserer verglichen kann werden. Cäcilia mit ihren Verwandten sind treffliche Hofmusikanten! Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen! Daß alles für Freuden erwacht! Vorankündigung: Nächste Konzerte im Anrecht B 18./19. Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr: Januar 1964, jeweils 19.30 Uhr Dr. Dieter Härtwig 111/9/14 EMZ 1263 2 It-G 009/1/64