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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MÜSEÜM Sonntag, 5. Januar 1964, 11 Uhr, B 1 Sonntag, 5. Januar 1964, 19.30 Uhr, B 2 4. ZYKLUSKONZERT MOZART-MAHLER Gastdirigent: Prof. Rolf Kleinert, Berlin Solistin: Adele Stolte, Potsdam, Sopran Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Sinfonie A-Dur, KV 201 Allegro moderato Andante Menuetto Allegro con spirito 2 Konzertarien für Sopran und Orchester „A questo seno, deh vieni“, KV 374 „Bella mia fiamma, addio“, KV 528 — Pause — Gustav Mahler 1860 - 1911 4. Sinfonie G-Dur Heiter, bedächtig In gemächlicher Bewegung Ruhevoll Sehr behaglich Dr. Dieter Hartwig GUSTAV MAHLER Bildnis einer großen Musikerpersönlichkeit (III) Da sich sein Verhältnis zu Bernhard Pollini, dem Direktor des Hamburger Theaters, getrübt hatte, strebte Mahler nach einer anderen, noch einflußreicheren Position. Seine Bemühungen, in Berlin, Wien, Dresden, München Fuß zu fassen, scheiterten an antisemitischen Umtrieben. „Ich bin dreifach heimatlos: als Böhme unter den 'Österreichern, als Österreicher unter den Deutschen und als Jude in der ganzen Welt." Diese Erfahrung mußte der' Künstler mehrfach in seinem Leben machen. Wahrscheinlich unter dem Einfluß Anna Mildenburgs, der ihm befreundeten Sän gerin und späteren Gattin Fiermann Bahrs, trat Mahler zum römisch-katholischen Glauben über, dessen mystische Elemente ihn mehr und mehr anzogen, ohne frei lich seine Verwurzelung im alten jüdischen Glauben leugnen zu wollen. Die Dar stellung religiöser Motive, das Anknüpfen an katholische Symbolik in seinen Werken bedeutet nach Georg Knepler nichts anderes als „eine Allegorie für Liebe, Glück und Frieden". Es sei hier an die Ausführungen zur 2. Sinfonie erinnert, bei der diese Frage bereits zur Diskussion stand. Da im Rahmen der vorliegenden Betrachtung das Weltbild des Komponisten und die Widerspiegelung der gesell schaftlichen Verhältnisse zu Mahlers Lebenszeit in seinem künstlerischen Werk an späterer Stelle untersucht werden sollen, möge dieser Problemkreis zunächst einmal nur gestreift sein. „Im Jahre 1897 geschieht das kaum Glaubliche: Obwohl Regierung und Staats apparat von Reaktionären, Dunkelmännern aller Arten, Antisemiten und Feinden des Fortschritts durchsetzt sind, obwohl Mahler angefeindet, verleumdet und von antisemitischen Hetzblättern mit Schmutz beworfen wird, wird er dennoch zum Direktor des k. und k. Hofoperntheaters in Wien ernannt und hält diese Stel lung zehn Jahre lang. Liebe, Verehrung und Bewunderung des musikliebenden Publikums, in dem die fortschrittliche Intelligenz eine große Rolle spielt, belohnen seine Arbeit. Es gelingt ihm, die Wiener Oper nicht nur zu künstlerischen Leistun gen, vor und nach ihm nie wieder erreicht, anzufeuern, es gelingt ihm sogar, ihr zu finanziellen Erfolgen zu verhelfen" (Knepler). Auch Johannes Brahms hatte sich warm für Mahlers Engagement an die Hofoper eingesetzt. Die gegnerischen Stimmen, zu denen übrigens auch Cosima Wagner gehörte, wurden endlich nach monatelangen Verhandlungen überstimmt. Nach einem sensationellen Erfolg in Moskau wurde die Öffentlichkeit am 1. Mai 1897 von Mahlers Verpflichtung nach Wien informiert. Zusammen mit Alfred Roller, dem originellen Bühnenbildner, mit Franz Schalk und Bruno Walter als jüngeren Kapellmeister und einem erstklassigen Sänger ensemble, zum Teil aus Hamburg verpflichtet (Anna Bahr-Mildenburg, Bertha Foerster-Lauterer, Marie Gutheil-Schoder, Richard Mayr, Erik Schmedes, Leo Slezak und viele andere), führte Mahler eine wohl bisher unübertroffene Glanz zeit in der Geschichte des Wiener Operntheaters herbei. Dabei war das Leistungs niveau, das der Künstler bei seinem Amtsantritt vorfand, alles andere als zufrie denstellend. Vieles Landläufige und Belanglose füllte den Spielplan. Nun aber — „Lohengrin" gab den Auftakt — brachte der neue künstlerische Direktor des Hauses Musteraufführungen vor allem klassischer Opernwerke zuwege, von Mozart (besonders „Figaro", dessen revolutionäre Elemente er in Anlehnung an Beaumarchais stärker herausarbeitete), Weber, Wagner („Tristan", den Gerhart Hauptmann in Mahlers Interpretation als den beseligendsten Kunstgenuß seines Lebens pries), Beethoven und Gluck („Iphigenie in Aulis" hielt Mahler selbst für das Beste, was er mit Roller geleistet hat). Da neben „Figaro" auch glänzende Wiedergaben des „Don Giovanni" und der „Zauberflöte' zustande kamen, löste Mahler in Wien eine regelrechte Mozart-Renaissance aus. Neben den