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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 14. März 1964,19.30 Uhr Sonntag, 15. März 1964,19.30 Uhr 8. ZYKLUS-KONZERT MOZART - MAHLER Gastdirigent: Heinz Rögner, Berlin Solistin: Eva Bernäthovä, Prag Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Konzert für Klavier und Orchester c-Moll KV 491 Allegro Larghetto Allegretto — Pause — 9. Sinfonie D-Dur Andante comodo Scherzo Rondo - Burleske Adasio Gustav Mahler 1860-1911 Dr. Dieter Hartwig GUSTAV MAHLER Bildnis einer großen Musikerpersönlichkeit (VII) „In ihm ist Liebe" — sagte Hans Pfilzner von Gustav Mahler, sich auf dessen Menschentum und sein Verhältnis zur Kunst beziehend. Mahler liebte die Welt, die Natur, die Menschen. Diese Liebe war es, die ihn un ermüdlich komponieren ließ, die sein großes, liebendes und leidendes Herz erfüllte. Die Schönheiten der Natur rissen ihn immer wieder zur Bewun derung hin wie ihn auch die Begegnung mit wertvollen Men schen stets aufs neue beglückte. Zugleich aber sah er auch — wie Dostojewski — das Leid und die Grausamkeit in den GUSTAV MAHLER, 1909 menschlichen Beziehungen seiner Zeit. Eine für Mahlers Weltbild und Auf fassung der Natur bezeichnende Episode hat uns sein Freund und Schüler Bruno Walter berichtet: „Irre ich nicht, so war es im letzten Sommer, der Mahler vergönnt war, daß ein sonderbar schreckhafter Vorfall verdüsternd auf sein Gemüt einwirkte. Er erzählte mir, daß er bei der Arbeit in seinem Toblacher Komponierhäuschen plötzlich durch ein undefinierbares Ge räusch aufgeschreckt wurde; gleich darauf stürzte etwas .fürchterlich Dunk les' zum Fenster herein und, entsetzt aufspringend, sah er sich einem Adler gegenüber, der den kleinen Raum mit seinem Ungestüm erfüllte. Die er schreckende Begegnung nahm ein schnelles Ende, der Adler verschwand stürmisch, wie er gekommen war. Als Mahler sich, erschöpft von dem Schrecken, hinsetzte, flatterte eine Krähe unter dem Sofa hervor und flog hinaus; die stille Stätte musikalischer Versenkung war also Kriegsschau platz gewesen, auf dem sich einer der zahllosen Kämpfe .aller gegen alle' abgespielt hatte. In Mahlers Erzählung zitterte noch das Entsetzen über die so unmittelbare Demonstration der Grausamkeit in der Natur nach, die von jeher einer der Gründe zu seinem tiefen Weltleid gewesen und sich nun neuerlich seiner erbebenden Seele drastisch in Erinnerung bringen zu wol len schien." Es ist typisch für Mahler — wie auch für manch anderen Künstler des aus gehenden 19. Jahrhunderts —, daß ihm die in der Natur beobachtete Grau samkeit gleichsam als Spiegelbild, als Gesetzmäßigkeit auch des mensch lichen Zusammenlebens in der Gesellschaft erschien. In der Tat vermochte sich seinen forschenden Blicken auch nur wenig Erfreuliches zu bieten. Höchst widerspruchsvoll war die Wirklichkeit des Lebens und Erlebens in Mahlers Zeit. „Diese Wirklichkeit" — sagt E. H. Meyer — „ist im Öster reich und Deutschland jener Jahre gekennzeichnet durch den sich rasch entwickelnden Imperialismus, der den Menschen verschärfte Ausbeutung und ungezähltes Leid, Knechtung ganzer Völker, unverhüllte Kriegsdrohung,