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STEINSAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Mittwoch, 18. Dezember 1963, 19.30 Uhr Donnerstag, 19. Dezember 1963, 19.30 Uhr 4. Außerordentliches Konzert Dirigent: Dieter-Gerhardt Worm Solisten: Zuzana Ruzickovä, Prag Prof. Dr. Hans Pischner, Berlin Johann Sebastian Bach 1. Brandenburgisches Konzert F-Dur I3WV 1046 Allegro Adagio Allegro Menuetto Polacca Soloviolinc: Konzertmeister Walter Hartwich Cembalo: Herbert Collum, Dresden Cembalo-Konzert E-Dur BWV 1053 Allegro Siciliano Allegro - Pause - Konzert für 2 Cembali c-Moll BWV 1060 Allegro Adagio Allegro 4. Suite D-Dur BWV 1069 Ouvertüre - Bourrcc I und II - Gavotte - Menuett I und II - Rejouissance ZUR EINFÜHRUNG Johann Sebastian Bach hat mit seinen sechs Brandenburgischen Konzerten, die er 1721 - während seiner Kapellmeistertätigkcit in Köthen - dem Markgrafen Christian Ludwig von der Pfalz widmete und die er „Konzerte mit mehreren Instrumenten“ nannte, den absoluten Gipfelpunkt spätbarocker deutscher Instrumentalmusik geschaffen. Wie Händel in seinen Con certi grossi ging auch Bach auf italienische Barockmeister, Corclli, Vivaldi usw., zurück, gab aber der Gattung des „Concertos“ durchaus mehr Eigenes als sein großer Zeitgenosse. Wohl musi ziert auch er in den Brandenburgischen Konzerten im Sinne der Concerti grossi, d. h. wechselnd zwischen dem Tutti, dem gesamten Orchester, und dem Concertino, einer Gruppe von Solo instrumenten, erfüllt jedoch die traditionelle Form mit einem ganz neuen, persönlichen Geist. Hinsichtlich Vielseitigkeit der immer kammermusikalischcn Besetzung, Dichte der polyphon- motivischen Satzarbeit, Geistigkeit, Empfindungsgehalt und Klarheit der Form sind Bachs Brandenburgischen Konzerten in der späteren Musikgeschichte kaum gleichwertige Leistungen in dieser Gattung gegenüberzustellen. Im 1. Brandenburgischen Konzert wird das Concertino von zwei Hörnern, drei Oboen, Fagott und Violino piccolo gebildet („kleine Violine“, auch „Quartgeige“ genannt = heute nicht mehr im Gebrauch befindliche Kleinform der Violine mit sehr hellem Klang, die eine kleine Terz höher gestimmt ist). Die Instrumente konzertieren - vor allem im klar in sechs Abschnitte geglie derten, in seiner Entwicklung durch das zu Beginn im Tutti erklingenden Hauptthema bestimm ten freudigen Einleitungssatz - zumeist in drei Gruppen (Streicher, Oboen, Hörner) in den ver schiedensten, abwechslungs- und farbenreichsten Kombinationen gegen- und miteinander. Einen ausgesprochenen Kontrast zum ersten Satz bietet die schwermütige Grundstimmung des folgen den empfindungstiefen d-Moll-Adagios, in dem namentlich Violino piccolo und 1. Oboe mit einem weitgeschwungenen Duett voller leidenschaftlicher Klage konzertierend hervortreten, von den übrigen Instrumenten einzeln oder in Gruppen begleitet. Der dritte Satz (Allegro) ist durch seinen lebensfrohen Charakter wie durch seinen symmetrisch in Tutti und Soli gegliederten Auf bau wieder dem ersten Satz angenähert. An diese drei Hauptsätze fügte Bach nach dem Vorbild der italienischen Meister hier noch weitere Tanzsätze an, die einen sehr reizvollen Wechsel der Besetzungen aufweisen: ein vom Tutti zu spielendes würdevolles Menuett, eine Polacca in Streicherbesetzung und zwei den Bläsern übergebene gegensätzliche Trios (Trio I solistisch von zwei Oboen und Fagott ausgeführt, Trio II von zwei Hörnern mit dreifachen Oboen als Baß). Bei Bachs Klavierkonzerten (der Meister verwendete bis zu vier Soloinstrumente), die in der Mehrzahl den Jahren um 1730-1733 entstammen, handelt es sich in den meisten Fällen um Übertragungen von Violinkonzerten, zum Teil von fremder Hand stammend. Aus derartigen Transkriptionen ist die Gattung des Klavierkonzertes überhaupt entstanden. Unter dem Klavier verstand man in der Barockzeit natürlich nicht den modernen Hammerflügel, sondern das Cembalo, dessen Saiten nicht „angeschlagen“, sondern „angerissen“ werden. Bachs Cembalo-