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Zur Einführung Der 1906 in Dresden geborene Johannes Paul Thilman, Schüler von Grab- ner, Scherchen und Hindemith, wirkt heute als Professor für Komposition an der Musikhochschule seiner Heimatstadt. Thilman, der zu den führenden Komponistenpersönlichkeiten unserer Republik gehört, Vorsitzender des Verbandes deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler im Bezirk Dresden ist, trat 1926 mit seiner übrigens von Paul Hindemith interpretier ten Violasonate in Donaueschingen erstmalig an die Öffentlichkeit. 1929 brachte Osborne unter Scherchens Leitung auf dem Musikfest der IGNM in Genf sein Klavierkonzert zur Aufführung. Seitdem fand das umfangreiche, vielseitige, nahezu alle Gattungen umfassende, substantiell gewichtige Schaffen des Komponisten ständig steigende Beachtung im In- und Ausland. Dirigenten wie Böhm, Keilberth, Kempe, Scherchen, van Kempen, Gorzinsky, Konwitschny, Bongartz u. a. nahmen sich seiner Orchesterwerke an, unter denen besonders mehrere Sinfonien, ein Violinkonzert und die Sinfonischen Variationen über ein tragisches Thema zu nennen sind. Thilman bedachte fast alle Gattungen der Kammermusik, vor allem der Bläsermusik, schuf Werke für Laien- und Schulorchester sowie reizvolle Hausmusik. Auch als Musikschriftsteller trat der Komponist mit drei Büchern zu Fragen der neuen Musik sowie mit Aufsätzen über Musik in in- und ausländischen Fachzeitschriften hervor. Thilmans sinfonisches Vorspiel „Huldigung für Robert Schumann", op. 100, wurde im Auftrage von Prof. Dr. Karl Laux, dem Präsidenten der Robert- Schumann-Gesellschaft, für die Zwickauer Robert-Schumann-Tage 1961 kom poniert und bei dieser Gelegenheit uraufgeführt. Uber das Anliegen seines Werkes berichtet der Komponist selbst folgendes: „In meiner Jugend hatte ich ein sehr enges Verhältnis zu Schumann, sein Jugendalbum, seine Kin derszenen, seine Waldszenen waren anfänglich meine Klavierstudienwerke, die zugleich meine Phantasie beflügelten. Später rückte Schumann etwas in den Hintergrund — und meine Grundhaltung antiromantischer Art, die ich mir als junger Mann in der Gefolgschaft der Bestrebungen der Neuen Musik etwa ab 1924 zu eigen machte, hieß mich Schumann für einige Jahr zehnte völlig fallen lassen. Der Anlaß des Auftrages brachte mir Schumann schlagartig wieder nahe. Es gab zwar ein geheimes Interesse, das auch wäh rend meines Abrückens von Schumann ihn immer weiter mit mir verband: das war die auffällige und bewußte Persönlichkeitsspaltung, die Schumann in den Gestalten des Eusebius, des Florestan und des Meisters Raro durch geführt hatte. An die eine Gestalt, an Eusebius, knüpfte ich an, indem ich spontan die Einleitungsakkorde für etwa 2% Takte erfand, jene Tonfolgen, die im Pianissimo in den gedämpften Streichern einsetzen, wozu die Harfe einige wenige Töne hinzutupft. Diese Takte waren meine seelische Reak tion auf das Phänomen .Robert Schumann', für mich der Inbegriff des poeti sierenden Romantikers, den ich gleichsetzte mit der Vorherrschaft des Ge fühls, das ich wiederum in den Lyrismen des Eusebius wiederfand, der mir zunächst als Ausdruck eines zarten, sensiblen Menschen, also der einen so sehr ausgeprägten Seite Schumanns, offenbar wurde. Um die Beziehungen zu Schumann deutlicher zu machen, da ich mir überlegte, daß die von mir geschaffenen Akkordfolgen auch andere Auslegungen und Deutungen zu ließen, wollte ich in das Begonnene ein Zitat aus einem Schumannwerke, gleichsam als Motto, einflechten. Nichts lag näher als die vier Anfangstakte des letzten Stückes aus den Kinderszenen, op. 15, ,Der Dichter spricht', zu nehmen. Damit wurde der Poet Schumann beschworen ... Das Hinzuziehen und Einbauen eines Mottos, ja, das tatsächliche Zitat, könnte als Akade mismus ausgelegt werden. Aber das Einschmelzen in meine eigene Ton sprache, das Umformen des Zitats, das Verwandeln der Faktur in eine Musik, die von meinen Impulsen getragen wird, ist das, was ich die schöp ferische Auseinandersetzung mit dem klassischen Erbe nennen möchte. Ich lebe intensiv mit den heutigen Gegebenheiten und gesellschaftlichen Er scheinungen. Ich wende mich nicht zurück zum Bewußtseinszustand Schu manns, sondern ich wende mich, auf seiner fortschrittlichen Persönlichkeit basierend, zur Zukunft hin, die schon im Heute beginnt." Die fünfteilige Komposition beginnt mit jenen schon erwähnten ausdrucks vollen, sordinierlen Streicherklängen, über denen in Flöten und Klarinetten das Schumann-Zitat aus den „Kinderszenen'' erklingt. Nachdem es auch Solooboe, Solohorn und schließlich Trompeten und Posaunen übernommen haben, beginnt eine freie musikalische Entwicklung im Geist dieses Mottos, das selbst mehrfach, auch verwandelt, wiederkehrt. Seine terzgebundene Harmonik verschmilzt natürlich mit der Quint-Quartharmonik Thilmans. Während der sehr ruhige erste Teil des Werkes dem Eusebius-Element gilt, charakterisiert der sogleich anschließende zweite, lebhaft-stürmische Teil Florestans Kampfgeist, seine revolutionäre Haltung, seinen Fortschrittsmut. Der drängend-dramatischen Haltung dieses Abschnitts, der auch gewisse Anregungen aus dem ersten Satz der 2. Sinfonie Schumanns verarbeitet, folgt der ruhig beseelte, lyrische dritte Teil, die eigentliche Mitte der Kom position, wiederum angeregt von der C-Dur-Sinfonie, vom äußeren Struk turbild des Adagio espressivo. Uber den weiteren Verlauf des Werkes schreibt J. P. Thilman: „Eine stark veränderte Reprise des zweiten Teiles meiner Komposition (.Florestan’) schließt sich an, die eine neue Version der Melodie des .Dichter'-Zitates (Violoncelli, unison geführt mit Klarinette, gestützt von Horn-Fagott-Akkorden) bringt. Unmerklich leitet diese Reprise in die zweite Hälfte des ,Eusebius'-Teiles am Beginn der Komposition über, wobei aber noch ein anderes, etwas schnelleres Tempo vorherrscht und der Sechsvierteltakt des Anfangsteiles hier in je zwei Dreivierteltakte unter teilt ist, wodurch andere Betonungsverhältnisse entstehen; außerdem ist von Fall zu Fall die Instrumentation geändert; und die andere Fortsetzung gestattet endlich eine Überleitung in den Beginn des ,Eusebius'-Teiles, der eine Coda zuläßt, die die eigentliche .Huldigung' ausmacht, hymnisch und voller Ehrfurcht vor diesem Großen unsres klassischen Erbes." Eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt ist neben den berühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski das Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 von Felix Mendels sohn-Bartholdy. Das Werk — übrigens wie die Schöpfungen der eben genannten Meister auch Mendelssohns einziger Beitrag zu dieser Gattung — entstand in seiner endgültigen Gestalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Komponist im Kreise seiner Familie heitere, ungetrübte Ferientage ver lebte; erste Entwürfe dazu stammen jedoch bereits aus dem Jahre 1838. Am 13. März 1845 wurde das Violinkonzert im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung des dänischen Komponisten Niels W. Gade durch den Geiger Ferdinand David (Konzertmeister des Gewandhausorchesters) uraufgeführt, für den es geschrieben worden war und der den ihm befreundeten Mendels sohn auch schon bei der Ausgestaltung des Soloparts in violintechnischer Hinsicht beraten hatte. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David an den gerade in Frankfurt/M. weilenden Komponisten einen begeisterten Brief,in dem es u.a. über das Werk hieß: „Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, in höchstem Grade, und die Violin spieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe." Bis heute hat sich an diesem Urteil nichts geändert; vereinigt das unverblaßt gebliebene Konzert, das sich vor allem durch seine harmonische Verbindung von (nie mals leerer) Virtuosität und Kantabilität sowie durch eine ausgesprochen