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Gustav Mahler Radierung von Emil Orlik, 1902 Ich scheide im nächsten Jahre von der Hofoper, denn ich bin im Lau! der Zeit zur Überzeugung gelangt, daß die „ständige Opernbühne" eine unseren modernen Kunstprinzipien geradezu widersprechende Einrichtung bedeutet. Das ist nur zu begreiflich. Rührt sie doch aus' einer Zeit her, deren Kunstbegriffe ganz andere waren als die unsrigen. Für die Epoche des „alten Opernschlendrians" war es eine leichte Sache, einige hundert Aufführungen im Jahre zustande zu bringen, weil sie alle auf dem gleichen künstlerischen, richtiger gesprochen unkünstlerischen Niveau standen. Ein moderner Operndirektor, und wäre er ein Genie wie Wagner, vermag jedoch unmöglich eine solche Riesenzahl zu bewältigen, wenn er unseren heutigen Begriffen von künstlerischer Vollendung gerecht werden will. Die „Musterauffüh rungen" haben aber den berechtigten Vorwurf zur Folge, daß alle übrigen Auffüh rungen viel zu wünschen übrig lassen ... übrigens, alles überlebt sich mit der Zeit, so 'auch ich und meine Leistungen als Operndirektor. Ich bin für Wien nichts „Neues" mehr. So will ich denn zu einem Zeitpunkt scheiden, wo ich erwarten darf, daß die Wiener das, was ich geleistet, noch in späteren Tagen zu schätzen wissen werden. Gustav Mahler in einem Gespräch 1906 An die geehrten Mitglieder der Hofoper! Die Stunde ist gekommen, die unserer gemeinsamen Tätigkeit eine Grenze setzt. Ich scheide von der Werkstatt, die mir lieb geworden, und sage Ihnen hiermit Lebewohl. Statt eines Ganzen, Abgeschlossenen, wie ich geträumt, hinterlasse ich Stückwerk, Unvollendetes: wie es dem Menschen bestimmt ist. Es ist nicht meine Sache, ein Urteil darüber abzugeben, was mein Wirken denjeni gen geworden ist, denen es gewidmet war. Doch darf ich in solchem Augenblick von mir sagen: Ich habe es redlich gemeint, mein Ziel hochgesteckt. Nicht immer konnten meine Bemühungen von Erfolg gekrönt sein. „Dem Widerstand der Mate rie" — „der Tücke des Objekts" ist niemand so überantwortet wie der 'ausübende Künstler. Aber immer habe ich mein Ganzes darangesetzt, meine Person der Sache, meine Neigungen der Pflicht untergeordnet. Ich habe mich nicht geschont und durfte daher auch von den anderen die Anspannung aller Kräfte fordern. Im Gedränge des Kampfes, in der Hitze des Augenblicks blieben Ihnen und mir nicht Wunden, nicht Irrungen erspart. Aber war ein Werk gelungen, eine Aufgabe gelöst, so vergaßen wir alle Not und Mühe, fühlten uns reich belohnt — auch ohne äußere Zeichen des Erfolges. Wir alle sind weiter gekommen und mit uns das In stitut, dem unsere Betrebungen galten ... Gustav Mahlers Wiener Abschiedsbrief vom 8. Dezember 1907 Einführung in das 5. Zykluskonzert Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert F-Dur (KV 459) ist das letzte von sechs Konzerten für dieses Instrument, die der Meister allein im Jahre 1784 — zum Teil für seine eigenen Konzertaufführungen, seine Wiener „Akade mien", zum Teil für seine Schüler oder auf Bestellung — komponierte. Das am 11. Dezember 1784 vollendete Werk war von Mozart für den eigenen Bedarf ge schrieben worden; er spielte es später unter anderem auch anläßlich der Krönung Kaiser Leopolds II. am 15. Oktober 1790 in Frankfurt/M. neben dem sogenannten „Krönungskonzert" D-Dur (KV 537). Das F-Dur-Konzert ist in seinem Grundcha rakter dem vorhergehenden Klavierkonzert in B-Dur (KV 456) verwandt. Für beide Werke sind (vor allem in den Einleitungssätzen) ein straff durchgeführter Rhyth mus, Bestimmtheit und Energie kennzeichnend sowie insgesamt eine besonders vielfältige Verwendung der Bläser, oft in reizvollem Wechselspiel mit dem Solo instrument. Ein ausgesprochener Marschrhythmus gibt dem festlichen, freudigen ersten Satz das Gepräge, dessen Thema gleich zu Beginn, nachdem es durch den Solisten vor gestellt wurde, von den Bläsern (Oboe und Fagott) wiederholt wird, wobei das Klavier die Begleitung übernimmt. Im Verlaufe der musikalischen Entwicklung gewinnt der Komponist dem Hauptthema durch eine an mannigfaltigen Einfällen reiche Verarbeitung und eine interessante, abwechslungvolle Instrumentierung ungeahnte Möglichkeiten ab. Daneben wird in der Durchführung in einem a-Moll- Teil ein anderes Motiv wirksam, das übrigens auch wieder in Mozarts nächstem Klavierkonzert (d-Moll, KV 466), diesmal im zweiten Satz, erscheint. Nach dem anmutig-schwärmerischen, stellenweise leicht melancholisch eingetrübten Mittel satz dominieren im brillanten Finalsatz, der sich besonders durch eine geistreiche Verschmelzung von homophonen und polyphonen Partien auszeichnet, wieder die Geister schalkhafter Heiterkeit, liebenswürdigster Neckerei. Während Gustav Mahler in seinen Sinfonien Nr. 2—4 neben dem Orchester apparat die menschliche Stimme — solistisch oder auch chorisch verwendet — bedeutungsvoll eingesetzt hatte, legte er seine drei nächsten sinfonischen Werke, die 5., 6. und 7. Sinfonie, wieder rein instrumental an. Der Komponist selbst war der Meinung, daß er mit seiner 1901 begonnenen, ein Jahr später (kurz nach seiner Heirat) abgeschlossenen und am 18. Oktober 1904 in Köln uraufgeführten 5. Sin fonie cis-Moll eine ganz neue Schaffensperiode begonnen habe; in der Tat weist