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Auseinandersetzung mit seiner Umwelt ist aus diesem Konzert, dessen Haupttonart charakteristi scherweise auch wieder c-Moll ist, deutlich spürbar. Doch wie immer, wenn Beethoven sich mit tragischen Problemen auseinandersetzt, vor die er durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, durch das teilweise Unverständnis der Zeitgenossen seiner revolutionären musikalischen Ausdruckskraft gegenüber und durch seine beginnende Ertaubung gestellt wird, ringt er sich durch die Probleme hindurch und überwindet die Tragik. Der erste Satz (Allegro con brio) ist der wichtigste Schauplatz der Auseinandersetzung. Plastisch steht das erste Thema vor uns, dessen abschließende Quartsprünge vor allem in der Coda Be deutung gewinnen werden. Das Seitenthema in der Paralleltonart Es-Dur, von Violinen und Klarinette gemeinsam vorgetragen, trägt schwärmerischen Ausdruck. Das Hauptthema setzt sich durch und schließt die orchestrale Exposition markant ab. Nach einem dreimaligen Anlauf meißelt dann auch das Soloinstrument dieses Hauptthema heraus. Das nun anhebende Wechselspiel zwi schen Soloinstrument und Orchester ist ein deutlicher Beweis für die gleichberechtigte Stellung der beiden Partner in diesem Wettstreit, der auch nach der Kadenz in der Coda noch nicht be endet ist, sondern hier eine letzte Entwicklung erfährt. Der Mittelsatz, ein Largo im 3 /g-Takt, ist im Charakter den Ecksätzen völlig entrückt. Bewußt wählt Beethoven mit dem E-Dur dieses Satzes eine Tonart, die zwar als Mediante (Großterzver wandte) mit der Grundtonart C in Beziehung steht, diese Beziehung aber in ein distanziertes Licht rückt. Das Klavier trägt solistisch das Thema vor, das von einer großartigen klassischen Getragenheit und Ausgewogenheit ist und in das auch die filigranhaften Umspielungen keine Unruhe hineinzutragen vermögen. Zwischen dem Soloinstrument, für das Beethoven in diesem Satz neue Ausdruckswelten erschließt, und dem Orchester ergibt sich in der Entwicklung des thematischen Materials ein Miteinander von wunderbarer Gelöstheit. Das abschließende Rondo (Allegro) steht wieder in der Haupttonart c-Moll. Der düstere Cha rakter dieser Tonart erhält in dem dominantisch beginnenden Thema durch die Sforzato-Beto- nungen auf den schwachen Taktteilen bissige und zupackende Züge. Das Thema wird vom Solo instrument zum Orchester hinüber und von diesem wieder zurückgespielt, es taucht in Varianten immer wieder auf und wird in seiner Entwicklung jeweils nur kurz von einer Es-Dur- und einer A-Dur-Episode unterbrochen. Harmonisch interessante Rückungen münden in die Dominante G-Dur ein. Nach einer kurzen Kadenz wechseln Tongeschlecht, Takt und Tempo: Im reinen C-Dur (Presto - 6 /g-Takt) leitet eine Variante des Kopfmotivs die Coda ein, die schwungvoll und strahlend das Konzert beendet. r $ Beethovens einziges Violinkonzert D-Dur, op. 61, aus dem Jahre 1806 entstand in unmittelbarer Nachbarschaft mit der 4. Sinfonie, dem 4. Klavierkonzert und den Rasumowski-Quartetten. Das Konzert, das wohl das bedeutendste dieser Gattung überhaupt ist, demzufolge zu den Standard werken der Violinliteratur gehört, hatte Beethoven für den Konzertmeister des Theaters an der Wien, Franz Clement, komponiert, der es auch am 23. Dezember 1806 uraufführte, ohne aller dings damit eine restlos befriedigende Resonanz bei der Kritik finden zu können. In einzigartiger Weise sind im Beethovenschen Violinkonzert die ganz eigenen Möglichkeiten des Instrumentes erfaßt. Das Werk ist lyrisch, gefühlsbetont und ist als erstes seiner Art zum Prüfstein geigerischer Kunst geworden, obwohl es eigentlich nur im Finale ausgesprochene Virtuosität fordert. Voll endung der Form, Tiefe und Schönheit der Gedanken, idealer Ausdruck klassischen Humanismus - das sind Vorzüge des Werkes, das bei aller Universalität des zur Darstellung gelangenden Weltbildes jedoch mehr zu gelassener Ausgewogenheit als zur Überwindung dialektischer Span nungen neigt. Vier leise Paukenschläge, die im ganzen Satzverlauf späterhin motivische Bedeutung haben, er öffnen die Orchestereinleitung des ersten Satzes (Allegro ma non troppo), die das thematische Material mit sinfonischer Impulsivität an das Soloinstrument weitergibt. Zwei Themen werden Marine Jascbwili 'entwickelt. In den Oboen, Klarinetten und Fagotten erklingt zunächst das gesangvolle Haupt thema, dem nach einem energischen Zwischensatz ein zweites lyrisches D-Dur-Thema der Holz bläser von bezaubernder Schlichtheit folgt. Nach der Entwicklung dieses Themas, die zu einem kraftvollen Höhepunkt mit einer neuen daraus hervorwachsenden Melodie führt, setzt die Solo geige, zurückhaltend von Bläsern und Pauken begleitet, mit leichter Abwandlung des Haupt themas in hoher Lage ein. Und nun beginnt ein herrlicher Zwiegesang mit dem Orchester. In kaum zu beschreibender Schönheit fließt der Klang der Sologeige über dem Orchester hin oder begleitet es mit beseelten Passagen. Auch nach einem zweiten kräftigen Orchestertutti setzt sich der ver klärte, melodische Gesang des Soloinstrumentes fort. Nach der Durchführung kehren in der Reprise die musikalischen Haupt- und Nebengedanken wieder, vom Orchester wesentlich ge tragen. Figurenreich ist der Part der Violine, der schließlich in die Solokadenz mündet. Der Schlußteil — mit seiner besonderen Berücksichtigung des zweiten Themas — schließt mit einem schwungvoll-energischen Aufstieg der Geige.