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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE -MUSEUM Zur Einführung 13. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Sonnabend, 11. Mai 1963, 19.30 Uhr Sonntag, 12. Mai 1963, 19.30 Uhr Dirigent: Gerhard Rolf Bauer Solist: Prof. Wladislaw Kedra, Warschau-Wien Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Rondo für Klavier und Orchester D-Dur KV 382 Fryderyk Chopin 1810-1849 Serge Rachmaninow 1873-1943 Andante spianato und Polonaise Es-Dur für Klavier und Orchester, op. 22 Rhapsodie über ein Thema von Paganini für Klavier und Orchester Pause Franz Liszt 1811-1886 Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur Allegro maestoso Quasi Adagio Allegretto vivace Allegro marciale animato Artur Malawski geb. 1904 Toccata und Fuge in Form von Variationen für Klavier und Orchester Prof. Wladislaw Kedra, Warschau-Wien Wolfgang Amadeus Mozarts Konzertrondo für Klavier und Orchester (KV 382) stammt aus dem Jahre 1782. Der Komponist schrieb dieses Werk, das er selbst sehr hoch einschätzte, um damit den letzten Satz seines elf Jahre zuvor in Salzburg entstandenen D-Dur-Klavierkonzerts (KV 175) zu ersetzen, an dessen Stelle die für das Wiener Publikum bestimmte neue Komposition als Finale treten sollte. Nachdem Mozart das Rondo am 11. März 1783 in einer Akademie ge spielt hatte, berichtete er am folgenden Tage: „Man hörte aber nicht auf zu klatschen und ich mußte das Rondeau repetieren; - cs war ein ordentlicher Platzregen“, und in einem Brief vom 23. März schrieb er seinem Vater: „Zugleich übcrschickc ich ihnen auch das letzte (Rondo) - welches ich zu dem Concert ex D gemacht habe, und welches hier so großen lärm macht. - Dabey bitte ich sie aber cs wie ein kleinod zu verwahren - und es keinem Menschen - ... zu spielten zu geben. - ich habe cs besonders für mich gemacht - und kein Mensch als meine liebe Schwester darf es mir nachspicllen.“ Das kostbare kleine Werk, das sehr gut auch selbständig aufgeführt werden kann, da es seinem Stil nach ohnehin nicht ganz in den Rahmen des soviel früher komponierten D-Dur-Konzerts paßt, ist auf einem nach Rondoart häufig wiederkehrenden, von wechselnden Episoden unter brochenen anmutig-graziösen Thema aufgebaut. Eine Besonderheit bildet die motivisch völlig selbständige Kadenz, die nicht an das Rondothema anknüpft, sondern gewissermaßen noch einen kleinen motivischen Gegensatz bringt, ehe das Hauptthema vor dem Abschluß ein letztes Mal erklingt. Wie die beiden Klavierkonzerte Chopins entstammt auch jene kleinere Komposition für Klavier und Orchester, die in unserem heutigen Konzert zu hören ist, der ersten, jugendlichen Schaffens periode des polnischen Meisters: die Grande Polonaise brillante Es-Dur, op. 22. Der Titel sagt genügend über das Wesen dieses Stückes. Es handelt sich um ein virtuoses, effektvolles Werk, das dem klar und durchsichtig behandelten Soloinstrument reiche Entfaltungsmöglichkeiten bietet, während die Orchcstcrbcglcitung, nur wenig organisch mit der solistischen Partie verbunden, im Hintergrund bleibt. Der Polonaise, diesem nationalen polnischen Schreittanz im :i /7,-Takt, hier in konzertantem, stilisiertem Gewände, geht eine poesievolle langsame Einleitung voraus, die nur dem Klavier anvertraut ist und in ihrer thematischen Schlichtheit, ihrem ganzen Stimmungsgchalt an Chopins Nocturnes erinnert. Dieses Andante spianato, in keinem eigentlichen inneren Zu sammenhang mit der Polonaise stehend, stellt einen merklichen Kontrast zum nachfolgenden Teil dar. Serge Rachmaninow (1873-1943) gehört zu den vielseitigsten Persönlichkeiten der Musik geschichte. Seine Bedeutung ist im Grunde bis heute noch nicht völlig erkannt worden. Die Zeit genossen verehrten in ihm einen großartigen, international geschätzten Pianisten und Dirigenten. Er selber sagte einmal: „Ich habe nie feststellen.können, wozu ich in Wahrheit berufen bin, zum Komponisten, zum Pianisten oder zum Dirigenten.“ Heute wahrt man das Andenken an seine großen nachschöpferischen Leistungen. Das kompositorische Erbe ist geblieben. Es sollte stärker als bisher berücksichtigt werden, vor allem das elegant-elegische Klavierschaffcn (vier Konzerte und mehrere Sonaten), dem Rachmaninow wohl seine schönsten musikalischen Einfälle anvertraut hat. Aber auch die Orchesterwerke, namentlich die drei Sinfonien, sind bedeutende Arbeiten. Der unruhevolle Lebensweg Rachmaninows, der ihn nach Deutschland, Frankreich und zuletzt nach Amerika führte, hatte zur Folge, daß er die gesellschaftlich-kulturelle Entwicklung in seiner russischen Heimat nur aus der Ferne, aber doch mit größter Anteilnahme verfolgen konnte. Im Gouvernement Nowgorod geboren, besuchte er das Petersburger und das Moskauer Konser vatorium als Schüler der konservativen Musiker Tanejew, Arenski und Siloti. Früh wurde bei ihm der Grund gelegt zu einer tiefen Liebe zur russischen Volksmusik, deren nationale Traditionen er später in seinem Schaffen, in der elegischen Thematik, in der Neigung zur Epik, niemals ver leugnete, obwohl Rachmaninow nicht zur national-russischen Schule des „Mächtigen Häufleins“, vertreten u. a. durch Mussorgski und Rimski-Korssakow, gehörte. Vielmehr darf man ihn in die Linie Liszt-Tschaikowski stellen mit seiner konservativ-romantischen, an westeuropäischer Musik geschulten Tonsprache. Rachmaninows Stil besitzt die Farbigkeit der Spätromantik. Er ist gekennzeichnet durch Ausdruckstiefe, balladcske, dunkle Pathetik, schwärmerisch-pastorale Lyrik und eine Neigung zu Moll-Stimmungen. Seine Musik ist immer verständlich. Eine gewisse weltmännische Eleganz ist ihr eigen, auch dann, wenn die lyrisch-elegische Melancholie sich zu