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Artikel „Wirrwarr statt Musik“, der einer völligen Verdammung der Oper gleichkam. Heute, nach der Korrektur der Ansichten, die sich infolge des Personenkults in der Ära Stalin breitgemacht hatten, weiß man, daß diese Kritik überspitzt war. Anlaß dazu gab vor allem die Musik, mit der Schostakowitsch die negativen Figuren zu charakterisieren suchte. Für Katarina, die für ihn - siehe oben! - die „positive Heldin“ war (wenn man diesen Begriff auf eine Verbrecherin anwen den darf), fand er z. B. in der Arie, die in unserm heutigen Programm steht, einer Arie, in der sich Katarina über ihre Einsamkeit (die sie dann schließlich zur Verbrecherin machte) beklagt, zu Herzen gehende Töne. Schon der 26jährige ist ein Meister der Instrumentation, die er ebenso von Mussorgski wie von Schreker gelernt haben mag. Davon zeugt auch die Passacaglia, ein orgel gleiches Zwischenspiel, das, als solches in sich geschlossen, besonders geeignet ist, im Konzertsaal einen Begriff von dem Werk zu geben. Schostakowitsch hat bekanntlich mit seiner bald darauf komponierten V. Sinfonie die Antwort auf jene Kritik gegeben. Was die Oper selbst angeht, so war es eine Zeitlang still um sic geworden. Als sie dann im November 1959 an der „Deutschen Oper am Rhein“ in Düsseldorf aufgeführt wurde, verwahrte sich der Komponist gegen eine Wiederholung, mit der Begründung, daß er an einer Neufassung arbeite. Diese Neufassung ist jetzt in Moskau zu hören gewesen. Bei dem im Juni 1962 durchgeführten „1. Festival zeitgenössischer Musik“ in Gorki - früher Nischni-Nowgo- rod, eine Stadt, die ihrer berühmten internationalen Messe wegen gerne das „russische Leipzig“ genannt wurde — kam auch die „Lady-Macbeth“-Suite zur Aufführung. Bei dieser Gelegenheit nannte der bekannte Violoncellist und Pianist (als solcher ist er neuerdings als Begleiter seiner Gattin, der weltberühmten Sopranistin Galina Wischnewskaja hervorgetreten) Mstislaw Rostro- powitsch, der Initiator des Festivals, Schostakowitschs Werk „eine der besten Opern der rus sischen Opernklassik“ und stellte sie neben „Boris Godunow“, „Chowanstschina“, „Pique Dame“ und „Semjon Kotko“. Und weiter erklärte er: „Seine Melodien und Harmonien sind von shake- spcarescher Kraft, voll zornigem Sarkasmus und Haß auf die dunklen und finsteren Seiten der menschlichen Natur. Die Musik erhebt sich bis zu den Höhen wahrer Tragik.“ Artf/?/ Cbatschaturjan, unseren Zyklusfreunden gut bekannt, schrieb außer seinen in der ganzen Welt viel gespielten Konzerten zwei Sinfonien, von denen die zweite in den letzten Jahren, unter Leitung des Komponisten, durch die ganze Alte und Neue Welt gewandert ist. Die erste, 1934 entstanden, ist die Lehrlingsarbeit eines jungen Komponisten, die schon die zukünftige Meister schaft und die eigene Handschrift erkennen läßt. Zugleich sagt sie Rühmenswertes aus über die vortreffliche Schulung, die Chatschaturjan dem Unterricht bei Mjaskowski am Moskauer Konser vatorium zu danken hat. Vielleicht noch mehr als in seinen anderen Werken geht er hier von der Musik seiner Heimat aus. Das armenische Volkslied, die armenische Tanzmusik (heute noch in ganzer Frische lebendig in diesem ungemein musikbegabten Volk) stellen die Grundsubstanz des Werkes dar, die der Komponist in großzügiger und eigenartiger Weise verarbeitet. Entgegen der Tradition besteht die Sinfonie aus drei Teilen. Der erste Satz reiht in verschiede nen Zeitmaßen farbenprächtige Bilder aneinander, deren Folge durch ein zuerst sich imitatorisch entwickelndes, dann sich frei entfaltendes Thema akzentuiert wird. Das pulsierende Leben Arme niens, das sich nach schweren Jahren der Unterdrückung durch die Türken dank der Leninschen Nationalitätenpolitik in ungeahnter Weise entwickeln konnte, mag den Komponisten zu diesem von leidenschaftlichem Schwung erfüllten Stück Musik angeregt haben. Im zweiten Satz weist vor allem das Englischhorn-Solo auf die armenische Folklore hin, die auch die sehr eigenartige Instrumentation bestimmt. Ein Allegro a battuta (streng im Takt) kann wohl als eine Art Scherzo ersatz angesehen werden, zumal dieser Mittelteil tänzerisch beschwingt ist. Auch der dritte Satz, nicht weniger temperamentvoll als der erste, nicht weniger reich an Vitalität, ist vom Tanz in spiriert. Wie in einem Tschaikowski sehen Sinfonieschlußsatz kann man an ein großes Volksfest denken, das hier geprägt ist vom Eigcnklang der armenischen Volksmusik. Mit diesem seinem Werk steuerte der junge Komponist eine Festmusik zur Feier des 15jährigen Bestehens Sowjetarmeniens bei und stattete damit zugleich den Dank dafür ab, daß dieses sein Land wie er selbst die Möglichkeit einer vorher nie möglich gewesenen Entwicklung erhielt. Prof. Dr. Karl Laux 5 LIEDER VON GRETSCHANINOW: ARIE DER JEKATERINA LWOWNA Nr. | Es schaun zur goldnen Sonnenhelle erhobnen Haupts die Blumen auf; es richtet jede Stromeswelle zum blauen Meere ihren Lauf. Und jedes Lied voll heißem Sehnen grüßt mein entferntes Lieb von mir, o all ihr Seufzer und ihr Tränen, als Lieder flieget hin zu ihr! Nr. 2 Waldwärts geh’ stumm ich, und hoch über mir klingt.es bezaubernd und trübe. Das singt von Liebe die Nachtigall hier, nur von Lieb’ und von den Qualen der Liebe. Nr. 3 Zur Abendzeit, die allen Lärm verscheucht, hör Lieder ich aus längst vergeßnen Stunden; bei ihrem Klang wird mir das Auge feucht, und in dem Herzen glühn die alten Wunden. Nr . 4 Ja, leiden müssen wir, Geliebte, leiden beid, bis uns der kalte Tod zerbricht das kranke Herz; solange müssen wir zusammen leiden Schmerz. Ich sehe, wie der Hohn um deine Lippen droht; ich sehe, wie der Zorn aus deinen Blicken loht, und sehe, wie der Stolz erschwellt den Busen dir, und dennoch leidest du, ja, leidest du gleich mir. Es bebt unsichtbar Weh dir um das Lippen paar, die Träne trübt den Blick, der einst gestrahlt so klar, und deines Busens Grund glüht in geheimem Leid, ja, leiden müssen wir, Geliebte, leiden beid. Nf. 5 Bald ist’s Nacht. Tag vergeht, Abend kommt. Hab mit niemand zu sprechen, ach, wie einsam. Ganz allein, Wände, Türen, Schlösser an den Türen. Einmal sah ich hinaus aus dem Fenster. Unterm Dach war ein kleines Nest, ein Paar Tauben wohnten darinnen, sic lebten im Nest so glücklich und froh. Ich schaue oft zu dem Taubenpaar, und ich weine oft, wenn ich denken muß: Glückliche Tauben, ihr seid zu zwein. Ich bin allein, hab keinen Geliebten. Nein, kann nicht wie ihr entfliegen. Ach! Ich bin allein, allein, hab keinen Geliebten, um zärtlich zu sein und um glücklich zu sein und zu lieben den, der mich liebt. Die Tage, sie vergehen ohne Freude, sie vergehn ohne Glück, ohne Liebe. Vergehen ohne Liebe, vergehn, vergehn, vergehn ohne Lieb. Eine Seele ist verzogen, eine Leuchte ist verloht, eine Freude ist entflogen, • ein Gesang ist stumm und tot. Texte zu 1 bis 4 von Heinrich Heine zu 5 von Solowjew