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Dresdner W Journal. T^oniglieh SAchstsehev Stcratsanzrigev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. <2 Nr. 196. , o Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hoftat DoevgeS in Dresden. <r Freitag, den 23. August 1907. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwinaerstraß« 20, sowie durch die Poft im Deutscheu Reiche 3 Mark vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Ps. — Erscheint: Werktags nachmittags. — Fernsprecher Nr. 1295. Ankündigungen: Die Zeile kl. Schrift der «mal gespalt. AnkündigungSseite 2b Pf., die Zeile größerer Schrift od. deren Raum auf 3 mal gesp. Textfeite im amtl. Teile SV Pf., unter dem Redaktion-strich ! (Eingesandt) 75 Ps. Preitermäßigg. auf GeschäftSanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Kantor und Oberlehrer an der Bürgerschule in Borna Gustav Adolf Rudert da- Verdienstkreuz zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Schutzmann Knorr in Leipzig die Friedrich August- Medaille in Silber zu verleihen. Öffentliche Sitzung des Kreisausschuffes findet Mittwoch, den 28. August 1907, nachmittags l Uhr in dem Sitzungssaale der unterzeichneten Königlichen Kreis hauptmannschaft statt. Die Tagesordnung ist in der Hausflur des hiesigen Regierungsgebäudes angeschlagen. Chemnitz, am 22. August 1907. ssao Königliche Kreishaoptmanuschaft. Nichtamtlicher Teil. Bom Königlichen Hofe. Dresden, 23. August Se. Majestät der König stattete heute vormittag der Stadt Rabenau einen Besuch ab und be sichtigte im Anschluß hieran die Bezirksanstalten zu Saalhausen. In der Begleitung Sr. Majestät befanden sich Ihre Ex zellenzen Oberstallmeister v. Haugk und Generaladjutant General leutnant v. Altrock, sowie Flügeladjutant Major v. Arnim Zeituugsschau. Ein Beweis, daß die Verbände und Vereine von jugendlichen Arbeitern und Lehrlingen keinen anderen Zweck haben, als der Sozialdemokratie einen gefügigen Nachwuchs zu erziehen und die jungen Leute, bevor sie zur Ableistung ihrer Dienstpflicht in das stehende Heer einberusen werden, gegen den „Militarismus" aufzuwiegeln, sind folgende Stellen aus dem Leitartikel der letzten Nummer der „Jungen Garde", des Organs des Verbands junger Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands: ,Jn der Großstadt, wie in den weltverlorenen Dörfern und Winkeln wird unser Weckruf gehört Unsere Vorkämpfer in Belgien und Österreich haben ihre bewährten Organisationen weiter aus gebaut. Italien, Frankreich und Spanien haben nachgeholt, was lange versäumt worden war. In Ungarn, Böhmen und in den Batkanländern schließen sich die Reihen. Unsere nordischen Ge noffen, die Dänen, die Norweger, die Schweden wetteifern in un ermüdlichem Schaffen, und ein Teil ihrer Presse muß nach Inhalt, Form und Verbreitung als mustergültig bezeichnet werden. In dem kleinen Holland hat der junge Sämann große Fortschritt« ge macht, und in Deutschland haben, trotz Polizei und Staatsanwalt, die Blätter der beiden Jugendorganisationen heute schon zwölf- tausend Abonnenten Die sozialistische Jugend der ganzen Welt ist einig. Das Bewußtsein gleicher Ideale schlingt um uns ein un zerreißbares Band . . . Und wir pflanzen in die jungen Herzen den Glauben an die neue Zeit, die sie schaffen sollen, — den Glauben an den Sozialismus Und wie nach der schönen Erzählung der Bibel ein Engel mit dem Flammenschwert den Eintritt zum Paradies wehrt, — so hindert der Militarismus mit bewaffneter Faust im Dienste der herrschenden Klassen die Entwickelung einer Gesellschaftsform, die nicht auf Ausbeutung und Unterdrückung beruht. So lehren wir die Jugend, den Militarismus als Hemmschuh des Fortschritts zu betrachten Wir verkennen dabei nicht, daß die Erscheinungsformen Les Militarismus und somit die Arten seiner Bekämpfung in den verschiedenen Ländern verschieden sein müssen.' Die Sozialdemokraten selbst, die bekanntlich noch auf zwei der letzten Parteitage vor der Organisation der Jugend dringend gewarnt haben, weil das „gefährlich" sei, werden mit Staunen, aber auch mit Genugtuung vernehmen, welch' große Fortschritte die Jugendbewegung in Deutschland gemacht hat Eine besondere Sorge scheint die Sozialdemokratie vor dem Zustandekommen des dem Reichs tage wieder vorgelegten und lm nächsten Tagungsabschnitte zu erledigenden Hilfs» lassengesetze» zu haben Die Wiederaufnahme der Sitzungen durch den Reichstag steht noch in weitem Felde, und doch be müht sich die sozialdemokratische Presse immer von neuem, jetzt schon den Gesetzentwurf herabzusetzen und ihm Schwierigkeiten in den Weg zu stellen. Dabei liegt der Entwurf lediglich im Interesse der Arbeiter Die gegenwärtige Hilfskaffengesetz gebung läßt e» leider zu, daß Krankenkaffen gegründet werden, zu denen die Arbeiter zwar ihre Beiträge entrichten können, von denen sie aber im Falle der Erkrankung nicht die geringste Unterstützung erhalten, weil die Herren Gründer die ein- gegangenen Beiträge verjubelt haben Die jetzigen Be- stimmungen geben den Aufsichtsbehörden selbst da nicht da» I Recht, einzugreifen, wo e« zutage liegt, daß die Arbeiter um ihre Beiträge betrogen werden sollen. Diesem Zustande muß ein Ende gemacht werden und kann eS nur, wenn die Hilfs kaffen der Beaufsichtigung durch eine Stelle unterworfen werden, welche die Gewähr gibt, daß sie die zweckentsprechende Kontrolle auSüben wird In dem AussichtSamte für Privatversicherung, das gegründet wurde, al» das Gesetz für die Privatversicherungsunter nehmungen erlassen wurde, ist die geeignete Instanz gegeben Werden die Gründungen solcher Kaffen von diesem Amte kontrolliert, so wird einer Schädigung der Arbeiter, wie sie in den letzten Jahren so häufig vorgekommen ist, vorgebeugt werden Man sollte meinen, daß eine Partei, welche die Wahrung der Arbeiterinteressen auf ihre Fahne geschrieben hat, einem solchen Entwürfe ihre Zustimmung geben müßte, aber die Sozialdemo kratie fürchtet, daß sie ihren Einfluß bei den freien Hilfskaffen verlieren dürfte Und die Aufrechterhaltung diese» Einflüsse« liegt ihr weit mehr am Herzen als da« Interesse der Arbeiter Schließlich hat aber nun die Mehrheit des Reichstags über den diesem von den Verbündeten Regierungen vorgelegten Ent wurf zu entscheiden. Man wird um so mehr hoffen dürfen, daß sie zu einer Annahme des Gesetze» kommt, als der jetzige Entwurf sich auf Beschlüssen aufbaut, die von der vorberaten den Reichstagskommission gefaßt worden sind. ES handelt sich also bei dem Entwurf um eine Arbeit, die im Reichstag selbst zustande gebracht worden ist. Deutsches Reich. Der Kaiser in Wtlhelmshöhe. (W. T. B) WilhelmShöhe, 22. August. Se Majestät der Kaiser unternahm heute nachmittag einen längeren Spaziergang. Zu den Monarchenbegegnungen der vergangenen Woche. AuS Paris wird der „Wiener Pol. Corresp." gemeldet, daß man dort, gestützt auf die über die Monarchenbegegnungen in Swinemünde, auf WilhelmShöhe und in Ischl erhaltenen Berichte die Bedeutung dieser Ereignisse in durchaus günstiger Weise beurteile. Was insbesondere die Zusammenkunft auf WilhelmShöhe betrifft, so hege man die Überzeugung, daß die Aufklärungen, die König Edward dem Deutschen Kaiser über Wege und Ziele der englischen Politik erteilt habe, auf den deutschen Herrscher einen befriedigenden und beruhigenden Ein druck gemacht haben müßten Von der französischen Diplomatie seien die erfolgreichen Aktionen des britischen Souveräns zur Herbeiführung von Verständigungen Englands mit anderen Staaten nie anders al» im Sinne des Bestrebens gedeutet worden, durch solche Einigungen das Gleichgewicht Europa» zu festigen und dem Völkerfrieden eine möglichst breite und dauerhafte Grundlage zu verschonen Die Wirkungen der Aus sprache, die auf WilhelmShöhe gepflogen worden sei, würden wohl zur Zerstreuung der Vorurteile, mit denen man bisher in Deutschland die Tendenzen des König» Edward betrachtete, beitragen. Die Meinung, daß bei den Monarchenbegegnungen vielleicht Beschlüsse gefaßt worden seien, au» denen im Gefüge der europäischen Gesamtpolitik starke Verschiebungen hervor gehen könnten, werde als eine jedes Stützpunkte» entbehrende Annahme bezeichnet Die Herstellung harmonischerer Be ziehungen zwischen den Mächten und die Kräftigung ihres gegenseitigen Vertrauens, die man sich als Frucht dieser Zusammenkünfte versprechen dürfe, sei sicherlich ein Erfolg von genügendem Werte Vom siebenten internationalen Lozialistenkongretz. Stuttgart, 22. Auaust Vor Beginn der heutigen Plenarsitzung erklärte der Delegierte Ouelch (England): „Der Vertreter der Regierung hat Anstoß genommen an meinen Worten, die in der Weffe in» Deutsche übersetzt worden sind, als ob ich die Delegierten der Haager Friedenskonferenz al» Diebe und Mörder bezeichnet hätte Für die Übersetzung bin ich nicht verantwortlich Ich habe nur Worte gebraucht, die wir englischen Sozialisten sehr häufig öffentlich zur Bezeichnung der Kapitalisten anwenden, die aber sinngemäß nicht» Be leidigendes bedeuten Ich stelle fest, daß ich eine persönliche Beleidigung von Personen nicht beabsichtigt habe Was ich sonst gesagt habe, halte ich aufrecht." Der Vorsitzende dankte Ouelch im Namen des Kongresse« für diese Feststellung Die Redezeit für die Referenten wurde auf eine halbe Stunde, für die übrigen Redner auf 10 Minuten festgesetzt Redner der selben Nation dürfen nicht unmittelbar hintereinander sprechen In der Weiterbehandlung der Kolonialfrage bedauerte Macdonald (England), daß in keiner der Resolutionen der kolonisatorischen Erfolge Englands gedacht worden sei, durch die drei große Staaten entstanden find, die jetzt unabhängige StaatSgebilde darstellen Außerdem gäbe es eine Reihe von Kronländern, die eine ganz eigene Regie rung haben Die Resolutionen nähmen nur auf die englischen Kronländer Bezug, die keine eigene Verwaltung haben Man dürft nicht immer nur negieren Das viele Regieren triebe dem Aftersozialismus in die Arme Man müsse auch in den kolonialen Fragen weiterarbeiten Bracke (Frankreich) will von der deutschen Mitarbeit nichts wissen und verwirft jede Kolonial politik Kautsky (mit Beifall empfangen): „Nehmen Sie die Resolution an, die Ihnen die MehrhOt der Kommission vor gelegt hat Die deutsche Resolution ist unwahrhaft (Beifall und Widerspruch) Worin besteht aber die Kolonialpolitik jetzt? In der Eroberung und gewaltsamen Festhaltung der betreffenden Länder Eroberung und Fremdherrschaft haben mit dem Sozialismus nichts zu tun" (Beifall) van Kol (Holland) erhielt das Schlußwort, in dem er erklärte: Wenn KautSky sage, in der Kolonialpolitik sei nichts zu verbessern, so sei das unwahr. Wer das sage, kenne die Geschichte der Kolonien nicht. Die holländischen Sozialdemokraten trieben bereits sozial demokratische Kolonialpolitik Ledebour sei ein Reaktionär Kautsky kenne die Kolonialfragen nicht, Ledebour noch weniger Kautsky sei höchstens Kolonialtheoretiker Er wolle den Ein geborenen die Fortschritte der Kultur bringen. Wenn er ihnen Maschinen bringe, so würden sie nicht »erstehen, mit ihnen um- zugehcn, sondern einen Rundtanz um die Maschinen aufführen In der Kommission für die Frage des Militarismus wurde die Debatte gestern noch immer nicht zu Ende geführt. Au» der Diskussion sei hervorgehoben, daß der Führer der österreichischen Sozialdemokratie, Or. Abler-Wien, sich auf den den Antimilitarismus der Franzosen ablehnenden Standpunkt der deutschen Delegierten stellte, während Rosa Luxemburg gegen die Ausführungen v Vollmars und auch Bebels polemisierte. Dieser selbst bekämpfte nochmals die Resolutton Herv« und er klärte: Tie Beschlüsse de» Kongresses würden dem Militarismus kein Haar krümmen, wenn nicht die Entwickelung, die der Militarismus in den letzten 40 Jahren genommen hat, mit Notwendigkeit die Wurzeln seiner eigenen Existenz untergraben hätte Deutsch land habe die gesamten Kriegslasten, die es 1871 von Frank reich bekommen, verpulvert, dazu 4 Milliarden M Schulden gemacht, die Steuern verdreifacht, und sei heute trotzdem so arm wie eine Kirchenmaus Die mobilisierte Armee Deutsch lands erfordere täglich mindestens 40 Mill M Unterhalt Im Falle eines Krieges würden in Deutschland 6 Mill Männer unter die Fahne treten, darunter mindestens 2 Mill Sozial demokraten, in Frankreich 4', Mill Männer, Millionen Familien kämen in die höchste Not, das sei viel schlimmer altz ein Generalstreck „Man denke sich", schloß Bebel seine Dar legungen, „die Situation: Deutschland erhält vom Ausland einen großen Teil seiner Nahrungsmittel, sie bleiben aus, eine ungeheure Teuerung und Hungersnot ist die Folge In den Massenschlachten der Zukunft würden wir auch nicht mehr wissen, wo wir die Verwundeten und Toten lasten sollen Und in solchen Situationen sollen wir uns mit Mastenstreikspielereien abgeben? Wir würden auSgelacht werden Was kommen wird, weiß ich nicht, aber ich weiß, daß es ein letzter Krieg sein wird, und daß dieser Krieg die ganze bürgerliche Gesellschaft aufs Spiel setzt." Daraus wurde eine Subkommission ge- wählt, die mit der Ausarbeitung einer Resolutton beauftragt wurde Bericht Ves sozialdemokratischen Parteivorstanvs. Der „Vorwärts" beginnt mit der Veröffentlichung des Berichts des sozialdemokratischen Parteivorstands an den Partei tag zu Esten Aus dem Berichte ist folgende« mitzuteilen: Der Partclvorstand hebt, wie es schon Singer getan hat, her vor, daß er sich bereit» eingehend mit der Wahlrechttfrage beschäftigt und alle Vorbereitungen getroffen habe, die für eine machtvolle Entfaltung der Wahlrechtsbewegung in Preußen in Frage kämen. Worin diese Vorbereitungen bestanden haben, wird nicht gesagt Die Zahl der organisierten Parteigenosten beträgt jetzt rund 530 000. Sie ist seit dem Vorjahre um 38 Proz. gewachsen Von den 530000 Genosten sind beinahe 11000 weiblichen Geschlecht«. Die gezahlten Monrt«beiträge schwanken zwischen 10 Pf. und 40 Pf , nur in neun Wahl kreisen wird ein Monat«beitrag unter 20 Pf. gezahlt Die Gesamtauflage der im Reiche von der sozialdemokratischen Partei verbreiteten Flugschriften beläuft sich auf etwa 55,5 Millionen Der Reichstagswahlkamps hat im ganzen eine Gesamtausgabe von rund 1570000 M erfordert, wovon über 400 000 M von der Zentralkaste getragen worden sind. In den einzel- staatlichen Landtagen ist die Partei durch 135 Abgeordnete vertreten Bauern hat 20, Hamburg 19, Bremen 17, Württem berg 15, Baden 12, Hessen, Sachsen-Mciningen und Schwarz burg-Rudolstadt je 7, Coburg-Gotha 6, Oldenburg, Lübeck und Reuß j L je 4, Sachsen-Weimar, Sachsen-Altenburg und Lipp« je 3, Anhalt 2, da» Königreich Sachsen und Schaum burg Lippe je 1 Vertreter Ausland. Besuch ves französischen Botschafters in Berlin, Cambon, beim Reichskanzler Fürsten v. Bülow. (D. T. «) Paris, 22 August Botschafter Cambon ist heute nach mittag von hier abgerelft, um sich zum Besuch des Reichs kanzlers Fürsten v Bülow nach Norderney zu begeben Vor seiner Abreise hatte Cambon eme Unterredung mit dem Minister des Äußern Pichon