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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H Y G I E N E - M U S E U M Ostersonntag, 14. April 1963, 19. 30 Uhr Ostermontag, 15. April 1963, 19.30 Uhr SONDERKONZER Dirigent: Gerhard Rolf Bauer Solist: Jörg Demus, Wien LUDWIG VAN BEETHOVEN 1770-1827 8. Sinfonie F-Dur, op. 93 Allegro vivace e con brio Allegretto schcrzando Tempo di Menuetto Allegro vivace 1. Konzert für Klavier und Orchester C-Dur, op. 15 Allegro con brio Largo Rondo - Allegro - Pause - 3. Konzert für Klavier und Orchester c-Moll, op. 37 Allegro con brio Largo Rondo (Allegro) ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethovens 8. Sinfonie in F-Dur, op. 98, folgte unmittelbar auf die 7. Sinfonie. Das Werk entstand während eines Kuraufenthaltes in den böhmischen Bädern im Sommer 1812 und wurde nach einer handschriftlichen Bemerkung des Meisters auf der Partitur („Sinfonia Lintz im Monath October 1812“) in Linz, wo er nach der Kur für einige Wochen seinen Bruder Johann besuchte, vollendet. Die erste Aufführung fand in einem eigenen Konzert Beethovens am 27. Fe bruar 1814 in Wien statt, zusammen mit der Siebenten und der Programmsinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“. Bei den Zeitgenossen fand die Achte zunächst wenig Anklang. „Das Werk machte keine Furore“, hieß es in einer kritischen Stimme nach der Uraufführung. Beethoven zeigte sich darüber recht verärgert, er meinte, seine „Kleine Sinfonie“ (so nannte er sie im Vergleich mit der „Großen“ A-Dur-Sinfonie) habe den Hörern wohl deshalb nicht gefallen, „eben weil sie viel besser ist“. Der Grund für diesen Mangel an Verständnis (genaugenommen steht ja die achte, ebenso wie die vierte Sinfonie, auch heute noch ein wenig im Schatten ihrer berühmten Gcschwisterwcrkc) lag nicht etwa in der besonderen Schwierigkeit des Werkes. Im Gegenteil, man hatte wohl nach den vorangegangenen Schöpfungen neue Steigerungen erwartet und war nun enttäuscht durch eine scheinbare Zurückwendung auf Vergangenes (Anklänge an frühere Werke, Anwendung von sinfonischen Prinzipien Haydns), die aber hier durchaus keinen Rückschritt, sondern eher einen Rückblick von einer höheren Stufe aus darstellte. Heitere Scherz haftigkeit, beschauliche Behaglichkeit, launiger Humor, kraftvolle Lebensbejahung und ausgelas sene Freude charakterisieren das formal bemerkenswert geschlossene Werk, in dem, wie auch schon in der 7. Sinfonie, wieder dem rhythmischen Element eine große Bedeutung zukommt. Der ohne Einleitung sogleich mit dem frischen, klar gegliederten Hauptthema beginnende 1. Satz (Allegro vivace e con brio) ist voller schalkhafter Einfälle und kontrapunktischcr Neckereien. Er steigert sich nach fröhlich-tumultuarischen Kämpfen bis zum gewaltigen Freudenausbruch der Coda, endet dann aber sehr graziös mit dem noch einmal leise aufklingenden Kopfmotiv des fröh lichen, tänzerischen Anfangsthemas. - Auf einen langsamen Satz verzichtend, schrieb Beethoven als 2. Satz ein bezaubernd anmutiges, leicht dahintändelndes Allegretto scherzando. Als Thema liegt diesem Satz ein Kanon zugrunde, den der Meister in heiterer Laune dem Erfinder des Metro noms, Johann Nepomuk Mälzel, gewidmet hatte; die Scchzehntelakkorde der Bläser zu Beginn, die gleichsam das Ticken des mechanischen Zeitmessers nachahmen, bestimmen die Bewegung des reizenden, scherzhaften Satzes. - Der 3. Satz (Tempo di menuetto) erinnert an einen derb-kräf tigen Volkstanz, im. Trio erklingt über Stakkato-Triolen der Violoncelli in Hörnern und Klari netten eine einschmeichelnde, ländlerartige Melodie. - Das Finale, der weitaus umfangreichste Satz, in freier Rondoform gehalten, stellt den eigentlichen Höhepunkt des Werkes dar. Über mütige Laune, „grimmiger“ Humor äußern sich hier in mancherlei drastischen Einfällen - so gleich zu Anfang in dem (auch später wiederkchrenden) überraschenden, dynamisch stark betonten ton artfremden Cis, nach dem zuerst im Pianissimo in schnellstem Zeitmaß vorüberhuschenden F-Dur- Rondothema, das dann im Fortissimo-Tutti gebracht wird. Das kontrastierende zweite Thema erklingt als lyrische Kantilene der Violinen. Mit größter kontrapunktischer Meisterschaft und bewundernswerter Erfindungsgabe, immer neuen geistvollen Wendungen und Kombinationen bei der Wiederholung der Themen ist dieser Satz, der trotz des dominierenden Humors auch ernstere Gegenströmungen, schroffe Einwürfe aufweist, gestaltet. Durch einen jubelnden, wirbelnden Freudentanz wird das Finale abgeschlossen. Beethoven hat mit seinen fünf Klavierkonzerten, die er zunächst für sein eigenes öffentliches Wir ken als Pianist schrieb, Gipfelwerke der virtuosen Konzertliteratur geschaffen. Bereits vor den beiden ersten Klavierkonzerten op. 15 und op. 19 hatte er sich mit der Komposition von Klavier werken beschäftigt (Trios op. 1, zahlreiche Sonaten) und auf diesem Schaffensgebiet weit eher musikalisches Neuland, neue Klangbezirke erschlossen als in der Sinfonik. Die Klavierkonzerte entstanden etwa parallel zu den ersten sechs Sinfonien. Als sein Gehörleidcn den Meister zwang, seine von den Zeitgenossen hochgeschätzte pianistischc Tätigkeit aufzugeben, hatte er sein bedeu tendstes Klavierkonzert, das fünfte in Es-Dur, bereits geschaffen und die mit dem dritten Konzert einsetzende Entwicklung seines konzertanten Schaffens von aristokratisch-gesellschaftlicher Unter haltungskunst zum ideell-schöpferischen Bekenntnis auf den Höhepunkt geführt. Nach Beethovens Jörg Demus, Wien