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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES H YGIE N E - M U S E U M Sonnabend, den 18. September 1965, 19.30 Uhr Sonntag, den 19. September 1965, 19.30 Uhr 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Horst Förster Solist: Ruggiero Ricci, USA Ciacona für Orchester (frei nach T. Vitali) Fidelio F. Finke geb.1891 1. Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 19 Sergej Prokofjew 1891 - 1953 PAUSE 1. Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 6 Niccold Paganini 1782 - 1840 Andantino Vivacissimo Moderato Allegro maestoso Adagio espressivo Allegro spirituoso ZUR EINFÜHRUNG Der in Dresden lebende Komponist Fidelio F. Finke, Vertreter der älteren Kompo nistengeneration, gehört zu den wichtigsten Repräsentanten des Musiklebens unserer Republik. 1891 in Josefstal in Nordböhmen geboren, nahm er nach seinem Studium bei Vitezslav Noväk in Prag im Musikerziehungswesen der ersten tschechoslowakischen Republik verantwortliche Positionen ein. 1946 wurde er als Direktor an die Staatliche Akademie für Musik und Theater nach Dresden berufen, wo er auch eine Meisterklasse für Komposition unterrichtete. Von 1951 bis 1959 war er als Professor für Komposition an der Hochschule für Musik in Leipzig tätig. Sein zahlreiche Genres umfassendes Schaffen fand seit dem ersten Weltkrieg - nach Aufführungen in Donaueschingen, Wien, Baden-Baden und Prag - zunehmende internationale Anerkennung. Fidelio F. Finke ist Mitglied der Deutschen Akademie der Künste. 1956 wurde ihm in Würdigung seines Gesamt schaffens der Nationalpreis verliehen. Finkes Wandlung vom einstigen Revolutionär der neuen Musik, vom Weggenossen Hindemiths zu einem abgeklärten Klassizismus läßt seine Ciacona für Orchester frei nach Tommaso Vitali deutlich erkennen. Schon in früheren Jahren hatte er in der „Ciacona für Violine und Klavier“ (1925) und in der „Chaconne für Streichquartett* 4 (1935) auf jene Violinkomposition zurückgegriffen, die Ferdinand David um 1860 in einer Bearbeitung herausgegeben und dem altitalienischen Meister Tommaso Vitali (1665- 1747) zugeschrieben hatte. Neuesten Forschungsergebnissen zufolge stammt jedoch die in der Sächsichen Landesbibliothek Dresden handschriftlich überlieferte, anonyme Ciacona für Violine und Generalbaß so gut wie sicher nicht von Vitali. Dr. Wolfgang Reich möchte sis vielleicht eher Johann Georg Pisendel (1687 -1755) zuschreiben. Im Jahre 1944 legte Finke die von David bearbeitete Ciacona auch einem größeren Orchesterwerk zugrunde, da der herbe, schmerzlich lastende Gefühlsausdruck jenes Stückes, wie ihm schien, der damaligen gespannten, leidvollen Zeitsituation entsprach. In der im Barockzeitalter häufig verwendeten Form der Ciacona (franz. Cha conne) werden über einem ständig wiederkehrenden Baßthema immer neue Variationen aufgebaut. Finke hat nicht etwa seine Vorlage für großes Orchester instrumentiert. Viel mehr verwendete er mit großer Einfühlungskraft und einer bewundernswerten Gabe der Neugestaltung das Material ganz frei, vergrößerte die Zahl der Variationen und schuf dazu ein Vor- und Nachspiel. Das Hauptthema, das gleich zu Beginn der Komposition in Streichbässen und in der Harfe erklingt, besteht aus den ersten vier Tönen der abwärtsgleitenden Molltonleiter. Es ist dank seiner leichtfaßlichen Gestalt das ganze Stück hindurch zu verfolgen, auch dann, wenn es in die Oberstimmen wandert, um gekehrt, umspielt oder rhythmisch verändert wird. Immer bildet es die Basis für die melodisch und rhythmisch abwechslungsreichen Variationen, deren Phantastik wie Lyrik typisch für Finkes eigengeprägte Handschrift sind. Stilistisch schlägt das Werk einen Mittelweg zwischen Barock und später Romantik ein. Originell ist die Instrumentation, die alle Farbreize einer großen Orchesterpalette ausnutzt, geschickt sind die orchestralen Höhepunkte verteilt, strahlend-sieghaft wirkt der Ausklang - eine Überwindung der bedrückenden Entstehungszeit. Sergej Prokofjew, der große sowjetische Meister, schrieb zwei Violinkonzerte. Das erste, op. 19, D-Dur, entstand bereits in den Jahren 1915 bis 1917 - die in Petrograd vorgesehene Uraufführung mußte wegen der Revolutionsereignisse abgesagt werden-, das zweite, op. 63, g- Moll, wurde 1935 vollendet. Während der Arbeit am ersten Violinkonzert, das 1922 in Paris zum erstenmal der Öffentlichkeit vorgestcllt wurde, RUGGIERO RICCI ist italienischer Abstammung und wurde in San Francisco geboren. Schon als Knabe zeigte er eine hervorragende Begabung für das Geigenspiel. Neunjährig spielte er bereits mehrere öffentliche Konzerte in seiner Geburtsstadt und in New York. Die Krönung seiner Wunderkind-Laufbahn brachte eine Aufsehen erregende Europa-Tournee, die er im Alter von zwölf Jahren unternahm. Der zweite Weltkrieg unterbrach zunächst seinen künstlerischen Aufstieg. Doch nach Kriegsende nahm er sofort seine Konzerttätigkeit wieder auf und bereiste alle Kontinente, konzertierte mit fast allen führenden Orchestern. Ricci spielt eine seltene und kostbare Guarnerius - del - gesu-Violine aus dem Jahre 1734. Er gehört zu den besten Geigern der Welt. Mit der Dresdner Philharmonie konzertierte er bereits in den Jahren 1958, 1961 und 1964.