Konzert für Klavier und Orchester Chrennikows Opus 1 hat an Bedeutung bis heute noch nichts verloren. Immer noch gilt es nicht nur als frühzeitige Talentprobe, sondern auch als ein Werk aus dem Schatz der sowjetischen Musik, dem zu begegnen sich immer wieder lohnt. Es ist ein typisches Jugendwerk, das Werk eines Feuerkopfes, der unbekümmert um Tradition und Überlieferung seine Begabung sprechen läßt. Schon die Viersätzigkeit widerspricht der übli chen Konzertform — bekanntlich gibt es nur wenig Konzerte, die das sin fonische Schema aufgreifen. Abei’ auch die Tonsprache Chrennikows in diesem Werk ist sowohl in der Formung der Thematik wie der Harmonik von traditionellem Ausdruck weit entfernt. Im Aufbau ist das klassische Schema gewahrt, deutlich heben sich erstes und zweites Thema (dieses setzt im Klavier ein und wird dann von der Solo-Flöte übernommen) voneinander ab. Im weiteren Verlauf spielt ein prägnantes zweitaktiges Motiv eine große Rolle; mit ihm setzt das Solo-Klavier den Schlußstrich unter den ersten Satz. Im zweiten Satz meldet sich der Lyriker Chrennikow zu Wort. Es ist eine sehr herbe und zurückhaltende Lyrik, die das Solo-Fagott und dann, daran anknüpfend, das Klavier aussprechen. Doch zeigt gerade die Tat sache, daß der junge Komponist das Klavier als Melodie-, gewissermaßen als lyrisches Instrument zu benutzen weiß, seine Verbundenheit mit der Tradition. Ein zweiter Teil, vollgriffig im Solo-Instrument, steigert sich über ein bewegteres Tempo in einen leidenschaftlichen Ausbruch, um dann wieder der Anfangs-Stimmung Raum zu geben. Mit geheimnisvollen Klängen in den tiefen Registern des Klaviers wird der Satz abgeschlossen und geht attacca (ohne Pause) in den dritten Satz über. Wir haben ein eigen geformtes Scherzo vor uns. Chrennikow hält sich zwar an die traditionelle Dreiteiligkeit a —b —a und auch an die im klassischen Scherzo übliche Gegensätzlichkeit. Der erste und der dritte Teil entsprechen sich, das vom Solisten eingeführte oktavierende „trok- kene“ Thema wird, auffallend durch den kapriziösen Fünf viertel takt, vielfach abgewandelt. Der Mittelsatz paßt sich zunächst dem Hauptsatz an, verliert sich dann in ein klangliches Idyll, das immer wieder von einem aus dem Hauptthema stammenden „trockenen“ Motiv unterbrochen und von dem eigentlichen Mittelsatz-Thema in die Wiederholung des Hauptsatzes geführt wird. Wio um den Hörer irrezuführen, läßt Chrennikow, ein Schalk und humor voll-gütiger Mensch, das Finale mit einer langsamen Einleitung beginnen, Klarinetten- und Oboen-Solo verlieren sich in flageolettgekrönten ätheri schen Klängen der geteilten Geigen. Dann aber bricht das Hauptthema los, vorwärtsstürmend voll motorischer Kraft, fröhlich-unbekümmert alle Hindernisse nehmend. Um so wirkungsvoller hebt sich dann das zweite, zunächst in reinem G-Dur beginnende Thema ab, das — ein origineller Einfall — die Grundlage für eine ausgedehnte, mit Schwierigkeiten und Dissonanzen gespickte Kadenz wird. Nach ihrem Ermatten leiten die Streicher mit Zwischenrufen der Bläser zur Reprise über, die den Satz und damit das interessante Werk wirkungsvoll in einer mitreißenden Stretta vollendet. Erste Sinfonie Auch die Erste Sinfonie entstand während der Studienzeit. Chrennikow begann mit der Arbeit 1933, 1935 zog er den Schlußstrich und reichte das Werk als Diplomarbeit ein. Sie wurde noch im gleichen Jahr uraufgeführt. Es folgten Aufführungen in vielen Städten der UdSSR, aber auch im Ausland. 1955, also genau 20 Jahre nach der Uraufführung, erklang die Sinfonie unter der Leitung des jungen, inzwischen zu internationalem Ansehen gelangten Dirigenten Gennadi Roshdestwenski in einem Konzert der Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Warschau und fand stürmische Zustimmung. Ein Jahr nach der Uraufführung seiner Sinfonie gab Chrennikow im Moskauer Verein der sowjetischen Komponisten bei einer Diskussion um den in der „Prawda“ am 28. Januar 1936 erschienenen Artikel „Wirrwarr statt Musik“ im Namen der Komponisten-Jugend (er war damals 23 Jahre alt) folgende Erklärung ab: „Nach der Begeisterung für ,westliche“ Ten denzen trat das Streben nach Einfachheit auf, wirkte sich die Arbeit an den Theatern aus, wo eine einfache und ausdrucksvolle Sprache gefordert wurde. Wir wuchsen, und unser Selbstbewußtsein wuchs, es wuchs das Streben, echte sowjetische Komponisten, Menschen unserer Epoche zu sein... Unsere Jugend will deutlich und lebendig ihre Epoche in großen Werken darstellen.“ Seine erste Sinfonie war das beste Anschauungsmaterial für diese Erklä rung. Im Verlaufe des Werkes gelingt es ihm immer mehr und immer besser, anknüpfend an die große Tradition der russischen Musik, seine eigene Sprache und damit die Sprache seiner Zeit, die Sprache der sowje tischen Jugend zu sprechen. Die drei Sätze — ein Scherzo fehlt — sind übersichtlich und nach der Sinfonie-Tradition gestaltet. Das erste Thema des ersten Satzes (Allegro non troppo) wird dem Hörer klar vorgestellt. Es ist dem Solofagott anver traut, das von den tiefen Streichern pizzikato begleitet wird. Nach acht Takten nehmen es die Holzbläser auf und unterstreichen den kapriziösen, um nicht zu sagen grotesken Charakter des Themas — nicht ohne daß wir uns ähnlicher Erscheinungen im Klavierkonzert erinnern. Plastisch hebt sich das zweite Thema ab. Mit ihm wird die Grundtonart der Sinfonie, b-Moll, erreicht, nachdem das erste Thema trotz aller Chromatik deutlich nach a-Moll verwies. Im Charakter wird der Gegensatz weniger scharf herausgearbeitet. Die Solo-Klarinette gibt sich recht munter und verspielt, desgleichen die anderen Instrumente, die das Thema alsbald, immer dank der durchsichtigen Instrumentierung leicht zu erkennen, aufgreifen. Auch die folgende D-Dur-Periode ist kein echter Gegensatz, behält vielmehr den übermütig-spielerischen Charakter, auch in der Instrumentation, bei. Die drei Themen werden dann mit ihren Motivteilen auf geistreiche Art verarbeitet, wobei reiches Schlagwerk und Celesta wie auch in den fol genden Sätzen der kontrapunktischen Arbeit Farbe geben. Mit Sforzato- Schlägen verblüfft der Komponist seine Hörer ebenso wie mit dem Pia- nissimo-Schluß des Satzes. Noch stärker als bisher ist im zweiten Satz (Adagio. Molto espressivo) die Besinnung auf die Tradition zu spüren. Melodische Schönheit spricht aus dem Hauptthema, mit dem die ersten Violinen auf zartem Hinter grund den Satz beginnen. Melodie ist Trumpf. Den Geigen schließen sich Solo-Klarinette und Solo-Flöte an, und bald verwandelt sich das ganze Orchester in ein singendes Ensemble. Chrennikows lyrische Begabung, zugleich sein Bestreben, aufbauend auf der Intonation des Volksliedes und des sowjetischen Liedschaffens, das damals in hoher Blüte stand, seiner Sprache nationale Züge zu verleihen, treten hier deutlich zutage und verweisen auf die Entwicklung, die sein Schaffen namentlich auf dem Gebiet der Oper dann noch nehmen sollte. Das Finale als dritter Satz (Allegro molto) schlägt demgegenüber wieder, ähnlich dem ersten Satz, den frohen, fast frechen Ton des jugendlichen Unbekümmertseins an, voll jugendlicher Dynamik und jugendlicher Ener gie. Auch hier bevorzugt Chrennikow auf weite Strecken kammermusi kalisch feine Zeichnung, so gleich zu Beginn, wenn die Solo-Klarinette, nur begleitet von dem stufenweise abwärtssteigenden Pizzikato der Brat schen, zunächst das erste Thema anstimmt. Es steckt voll Übermut und prägt sich nicht zuletzt durch die charakteristische Chromatik ein. Die Streicher nehmen es auf, dann erklingt es im vollen Chor der Holzbläser. Daran fügt sich unmittelbar ..über dem Orgelpunkt auf dem Tone, darge stellt von Achteln der tiefen Streicher und dem durch Sforzati unter brochenen Pianissimo-Wirbel der Pauken, ein weiteres lustig-luftiges Spiel der Motive an, das zu einer großen Steigerung führt und mit gro-