KONG RE SS-SAAL DEUTSCHES HYGI EN E-MU S EU M 1. ZYKLUSKONZERT MOZART - MAHLER Sonnabend, 28. September 1963,19.30 Uhr Sonntag, 29. September 1963, 19.30 Uhr Gastdirigent: Prof. Karel Ancerl, Prag Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Sinfonie C-Dur (Jupiter), KV 551 Allegro vivace Andante cantabile Menuetto Molto Allegro - Pause - Gustav Mahler 1860-1911 1. Sinfonie D-Dur Langsam schleppend Kräftig bewegt Feierlich und gemessen Stürmisch bewegt Dr. Dieter Hartwig GUSTAV MAHLER Bildnis einer großen Musikerpersönlichkeit (I) „Geschmäht, verhöhnt, verkannt, geächtet, totgeschwiegen und doch immer wieder enthu siastisch bejaht und bejubelt, seit fünfzig Jahren in Welle auf Welle immer erneuten Entdeckungsfiebers von zahlreichen Bewunderern zum Leben zurückgerufen - das ist das Werk Gustav Mahlers . . . Selbst heute sind die Gehässigkeiten gegen ihn und sein Werk nicht verstummt; es verbinden sich wieder Ignoranz, Antisemitismus, Spießertum und Reaktion, um auch jetzt noch, ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode, sein Werk zu Fall zu bringen. Doch dieses ist unvergänglich - in seiner tiefen, ergreifenden Mensch lichkeit, seiner vor nichts zurückschreckenden Wahrheit und Aufrichtigkeit, seiner unver wechselbaren Originalität“ . . . Soweit Ernst Hermann Meyer, der neben Georg Knepler von Seiten der Musikwissenschaft unserer Republik sich immer wieder nachdrücklich für den zu Unrecht in Deutschland vernachlässigten Komponisten Gustav Mahler einsetzte. Soviel Bücher auch bisher über den Meister geschrieben wurden, soviel interessantes Material seine Gattin, seine Schüler und Freunde auch über sein Leben zusammengetragen haben, sein Schaffen ist im Grunde bis zum heutigen Tage noch nicht recht gewürdigt, ja kaum richtig verstanden worden. Gewiß ist Mahlers Gesamtwerk zwiespältig, wider spruchsvoll, in sich zerrissen. Es ist nicht in seiner Gesamtheit vorbehaltlos zu bejahen. Aber es enthält soviel des Großen und Schönen, das unsere Verehrung und Liebe ver dient. Das Verworren-Abwegige steht demgegenüber am Rande. Wollen wir Gustav Mahler endlich richtig verstehen, „so müssen wir uns“ - wie Georg Knepler berechtigt fordert — „mit dem großen Mann und seinem bedeutenden Werk aufs neue auseinander zusetzen beginnen“. Es bedarf das großartige Unternehmen der Dresdner Philharmonie, innerhalb von zehn Konzerten fast sämtliche der wichtigsten Werke Gustav Mahlers in einem Überblick zur Aufführung zu bringen, eigentlich keiner weiteren Begründung. Wir haben viel an diesem Komponisten wiedergutzumachen, der in den Jahren des Faschismus verboten war. Was uns sein Schaffen heute bedeutet, das müssen Musikpraxis und -Wissenschaft gemein sam zu klären suchen. Daß die Mahler-Diskussionen wieder in Gang kommen, dazu wird nicht zuletzt der Mahler-Zyklus der Dresdner Philharmonie wertvolle Anregung und Grundlage bieten. Darüber hinaus gehören derartige zyklische Darbietungen Mahlerscher Werke zu den ausgesprochenen Seltenheiten und Besonderheiten des internationalen Konzertlebens. Willem Mengelberg beispielsweise unternahm ähnliches mit dem Concert- gebouw-Orchester Amsterdam, Arthur Bodansky, das Mannheimer Mahler-Fest kurz vor dem ersten Weltkrieg seien weiterhin erwähnt. Wem die Zusammenstellung Mahlerscher Kompositionen mit Werken Wolfgang Amadeus Mozarts innerhalb der diesjährigen Zykluskonzerte unserer Philharmoniker zumindest auf den ersten Blick befremdlich be rühren sollte, dem sei gesagt, daß Mahler dem Genius Mozart zeitlebens allergrößte Huldigung entgegenbrachte und das Einstudieren und Dirigieren von Bühnenwerken des Salzburger Meisters als eine seiner vornehmsten und schönsten Aufgaben betrachtete. „Gustav Mahler lebte in einer schwierigen Zeit, schwierig für Menschen, die sich Reinheit des Herzens und Liebe zu den Menschen bewahren wollten, ohne zur Arbeiterbewegung vorstoßen zu können. Und er lebte in einem schwierigen Land, in der österreichisch ungarischen Monarchie, zur Zeit ihres rapiden Verfalls. An Bismarcks und Wilhelms II- Kriegspolitik gekettet, selber die vielen Nationen, die in der Monarchie zusammen gepfercht waren, unterdrückend, bot die österreichische Bourgeoisie ein jämmerliches Bild . . . Die Arbeiterschaft war noch nicht in der Lage, die Geschicke des Landes ent scheidend zu beeinflussen. Unter ihren Führern machten sich Tendenzen bemerkbar, eine revolutionäre Arbeiterpolitik aufzugeben, mit der herrschenden Klasse Kompromisse einzugehen; eine der wichtigsten Fragen der österreichisch-ungarischen Monarchie, den Befreiungskampf der unterdrückten Nationen, verstand die österreichische Sozialdemo kratie niemals. Mit einem Wort - so groß auch die organisatorischen und politischen Er folge waren, die die österreichische Arbeiterschaft damals zu verzeichnen hatte — unter ihren Führern zeigte sich bereits jene Entwicklung zum Opportunismus, der die Sozial demokratische Partei Österreichs später vollends zersetzen sollte. - Die bürgerliche In-