Volltext Seite (XML)
sches, melodisch ausgreifendes Streicher-Moderato, ein figuratives Allegro assai des Soloklaviers, ein pastoraler Schlußgcdanke der Streichersoli, der dann vom Solisten mit Quintfiguren verziert wird - bleibt bei aller rhythmischen, tonartlichen und dynamischen Veränderung in den einzelnen Sätzen im wesentlichen stets erkennbar. In der ersten Variation wird die Verhaltensweise eines Melancholikers dargestcllt. Zu vollgriffigen Klavierakkordcn spielt die gedämpfte Solovioline wehmütig die Melodie. Einem huschenden Strcicher-Prcsto folgt ein langsamer, pathetischer Marsch, dessen schwermütigen Rhythmus der Solist beharrlich aufgreift. Ganz anders sieht der Sanguiniker - in der zweiten Variation - das thematische Material. Über alle Gegensätzlichkeit des Ausdrucks hinweg stimmt er einen leb haft-stürmischen, impulsiven und optimistischen Walzer an. In der dritten Variation begegnen wir der Trägheit des Phlegmatikers. Ein gleichförmiges Moderato der vier Solostreicher eröffnet, gefolgt von einem gutmütigen Allegretto des Klaviers. Aus dem Pastorale-Teil des Themas wird eine humorige, von Solovioline und Solobratsche angestimmtc Melodie, grundiert vom monotonen Rhythmus des Klaviers und der Pizzikatobässe. Mit einem stürmischen Rezitativ, aufgewühlten Akkordfolgen greift nunmehr in der vierten Variation der Choleriker in das musi kalische Geschehen ein. Sein heftiges, jähzorniges Temperament erzeugt einen unruhigen, vielfach unterbrochenen musikalischen Verlauf ohne eigentliche thematische Fortspinnung. Als Mittelteil erscheint ein Streicher-Scherzo. Das Pastorale ist schließlich zu einem dramatisch, theatralischen Maestoso aufgebläht mit wütenden Passagen des Solisten. In machtvollem C-Dur klingt die Komposition aus. „Symfonie in d-Moll, Sr. Hochwohlgeboren Herrn Richard Wagner, dem unerreichbaren, welt berühmten und erhabenen Meister der Dicht- und Tonkunst in tiefster Ehrfurcht gewidmet“ - schrieb ANTON BRUCKNER 1872 über einen Entwurf zu seiner 3. Sinfonie in d-Moll, die, in mehreren Fassungen vorliegend, 1877 unter Leitung des Komponisten in Wien uraufgeführt wurde. In ihrer Originalgestalt jedoch erklang sie erst 1946 zum ersten Male in einer Wieder gabe durch die Dresdner Staatskapelle unter Joseph Keilberth. In der „Dritten“ zeigt sich deutlich das ganz eigene Verhältnis Bruckners zu Wagner. Obwohl es in der Sinfonie reichlich „wagnert“, kann man in gar keinem Falle von Epigonentum, Abhängigkeit, höchstens von einer musikalischen Geistesverwandtschaft sprechen. Immerhin hat Bruckner ja die instrumentatorischen und harmo nischen Errungenschaften Wagners auf die Gattung der Sinfonie übertragen. Am Beginn des ersten Satzes steht - vor dunklem Streicherhintergrund - ein sich zu kraftvoller Männlichkeit steigerndes Trompetenthema, dem ein zweites gesanglich-idyllisches Thema folgt. Heroisch, in Oktaven, schreitet das dritte Thema einher. Daneben wird ein Zitat aus der d-Moll- Messe wichtig, das Bruckner noch einmal in seiner letzten, unvollendet gebliebenen 9. Sinfonie cinsetzte, ein Umstand, der ein bezeichnendes Licht auf die innige, gefühlsmäßige Katholizität des Komponisten wirft. Dennoch ist dieser Satz nicht etwa so „christianisiert“, daß nicht auch ausgesprochen heidnische, naturhaft-schwärmerische Elemente Eingang finden konnten. - Im Gedenken an den Geburtstag seiner Mutter schrieb der Meister den zweiten Satz mit seiner überwiegend elegischen Stimmung der drei Themen (im vollen Streichersatz das erste, in den Bratschen das zweite, geheimnisvoll-verklärt wirkt das dritte). Wie im ersten Satz kommt es auch im langsamen Teil der Sinfonie zu ausgesprochen dramatischen Ausbrüchen. Das Scherzo ist zweifellos von einem österreichischen Bauerntanz beeinflußt worden. Aus spiele rischen Geigenfiguren und dem Pizzicato der Bässe entfaltet sich das eingängige Hauptthema, das an das Hauptthema des ersten Satzes erinnert. Anmutig ist der Kontrast, den das Trio bietet, das ebenfalls der österreichischen Volksmusik verpflichtet ist. - Das Finale wird mit einem monumentalen Bläserthema eingclcitct. Das folgende gesangliche Doppelthema (als Choral in den Bläsern, tänzerisch-beschwingt in den Streichern) deutete Bruckner selbst: „So ist das Leben. Die Polka bedeutet den Humor und den Frohsinn in der Welt - der Choral das Traurige, Schmerz liche in ihr.“ Doch alles Schmerzliche ist am Ende der Sinfonie überwunden (ein drittes kämpfe risches Oktaventhema trägt dazu bei). Sieghaft-strahlend erklingt zum Ausklang des Werkes das Hauptthema des ersten Satzes, gleichsam als optimistisches Bekenntnis zum Leben. Dr. Dieter Härtwig Literaturhinweise: Wackernagel: Bachs Brandenburgische Konzerte, Berlin 1928 (Faksimiledruck mit Textbeilage, Leipzig 1948) Strobel: Paul Hindemith, Mainz 1947 Dehnert: Anton Bruckner, Leipzig 1958 V orankündigung : Nächste Konzerte im Anrecht A 18., 19. und 20. Oktober 1963, jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge, jeweils 18.30 Uhr, Dr. Dieter Härtwig Mitteilungen: Im Rahmen des polnischen Festivals für zeitgenössische Musik. „Warschauer Herbst“ gibt die Dresdener Philharmonie ein Konzert mit Werken von Bela Bartök, Ernst Hermann Meyer und Günter Kocban. Ein zweites Konzert in Warschau bringt Werke von Brahms und Bartök sowie die 1. Sinfonie von Siegfried Kurz Leitung des Komponisten. Die anschließende Tournee führt durch fünf weitere, polnische Städte; die Konzerte stehen unter Leitung von Prof. Heinz. Bongartz und Gerhard Rolf Bauer A Hls Solistin wurde Annerose Schmidt verpflichtet; sie spielt das 1. und 2. Klavierkonzert von Bartök und Chopins e-Moll-Konzert. Als besonderes Ereignis der neuen Konzerlsaison erwarten wir das Gastspiel von Prof. Wilhelm Kempff im 2. Außerordentlichen Konzert am 5. und 6. Oktober. Auf dem Programm stehen das 2. Klavier konzert in B-Dur von Johannes Brahms und das Klavierkonzert in f-Moll von Johann Sebastian Bach. Alles für unsere sozialistische Republik, Zum Nutzen für die Gesellschaft, z um Nutzen für jeden einzelnen. Wählt am 20. Oktober die Kandidaten der Nationalen Front. 1. PHILHARMONISCHES KONZERT 1 9 63/64 6170 111 9 5 963 2 ItG 009 44 63